Segelwagen

Segelwagen
Segelwagen von Simon Stevin für Prinz Moritz von Oranien im Jahr 1600

Ein Segelwagen (auch Windwagen oder Landsegler) ist ein mittels eines Segels windangetriebener Wagen, der - von äußerer Kraft angetrieben - nicht zu den Automobilen (selbstbewegter Wagen) gerechnet wird. Das Prinzip findet beim heutigen Strandsegeln Anwendung.

Inhaltsverzeichnis

China

Chinesische Segelwagen, Ausschnitt aus der Karte von Abraham Ortelius (1584)

Die Chinesen, deren windreiche Ebenen im Norden günstige Voraussetzungen boten, bauten die ersten Landsegler.

Die Erfindung soll der Ersterwähnung im Buch vom Meister der goldenen Halle zufolge, das dem Gelehrtenkaiser Liang (Regierungszeit 552-554 n. Chr.) zugeordnet wird, von dem Philosophen Kao-ts'ang gemacht worden sein. Der Wagen konnte gemäß der Beschreibung 30 Personen befördern und viele hundert Kilometer am Tag zurücklegen.[1]

Auf der berühmten Chinakarte des flämischen Kartographen Abraham Ortelius aus dem Jahre 1584 sind mehrere Segelwagen dargestellt. Die Karte stammt aus dem Atlas Theatrum Orbis Terrarum und ist die erste in Europa erschienene Detailkarte von China.

Literarisches

Die Berichte europäischer Reisender von den chinesischen Windwagen wirkten anregend auf die Phantasie der Europäer und wurden auch von Dichtern aufgegriffen.

1589 schrieb Jan Huygen van Linschoten in seinem Buch Itinerario: „Die Chinesen sind großartige und einfallsreiche Handwerker, was schon das Kunsthandwerk aus diesem Land zeigt. Sie bauen und benutzen Karren mit Segeln und Rädern, die so geschickt gefertigt sind, dass sie auf dem Felde vom Wind vorangetrieben werden - gerade so als führen sie auf dem Wasser.“[2]

In John Miltons Versepos Paradise Lost 1665 heißt es z.B.: „Auf Sericanas unfruchtbaren Flächen (…), wo unter Wind und Segeln Chinesen ihre Bambuswagen lenken.“[1]

Europa um 1600: Simon Stevin

Simon Stevin

In Europa baute um 1600 der Mathematiker, Physiker und Wasserbauingenieur Simon Stevin (1548–1620), angeregt von den Berichten über die Landsegler in China, für Prinz Moritz von Oranien den ersten Segelwagen.[3] Stevin fuhr ungefähr im Jahr 1600 mit Prinz Moritz von Oranje und 26 anderen Personen an der Küste von Scheveningen und Petten. Teilnehmer einer der Fahrten war auch der Gelehrte Grotius. Das Fahrzeug legte in weniger als zwei Stunden eine Strecke von etwa 95 km zurück.

Der Schriftsteller Laurence Sterne behandelt in seinem ab 1759 erschienenen, mehrbändigen Roman Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman auch Stevin, den er Stevinus nennt, und den von Stevin(us) gebauten Landsegler.[4]

Ein Modell des Wagens wurde bis 1802 aufbewahrt.

Die damals vor allem in Holland gebauten Landsegler erreichten Geschwindigkeiten von 50 km/h.

Gemälde

1640 verwendete ein Künstler, vermutlich Hendrik Gerritz Pot, das Bild eines Segelwagens für sein satirisches Bild Floras Narrenwagen (Floras Mallewagen) in Anspielung auf den spekulativen Tulpenhandel, der 1637 zusammenstürzte. Das Bild hängt heute im Frans Hals-Museum in Haarlem.[5]

Gegenwart

Strandsegler

Strandsegeln an den breiten Stränden der Picardie

Heute werden vereinzelt Segelwagen als sogenannte Strandsegler zum Freizeitvergnügen und zu sportlichen Zwecken gebaut.[6] In der Regel gleicht ein moderner Strandsegler einem Kajak auf drei Rädern mit einem Segel. Einfachere Modelle bestehen auch nur aus einem unverkleideten Rohrrahmen. Der Strandsegler wird von einem Fahrer über ein lenkbares Vorderrad gesteuert. Bei einigen Modellen lassen sich die Räder im Winter gegen Kufen austauschen, siehe Eissegeln.

Eine besondere Form des Strandsegelns stellt das Kitebuggyfahren dar, bei dem nicht ein Segel, sondern ein Lenkdrachen den Antrieb übernimmt.

Racing AEOLUS

Windautos beim Aeolus Race 2008: Erster Platz InVentus Ventomobile (Uni Stuttgart, im Vordergrund), zweiter Platz ECN-impulse (im Hintergrund)

Die Dutch Association of Technology Transfer (ATO, Niederländische Gesellschaft für Technologiertransfer) und das Energy research Centre of the Netherlands (ECN, Zentrum für Energieforschung der Niederlande) veranstalteten am 20.-23. August 2008 in Den Helder im Nordwesten von Holland einen Wettbewerb, bei dem ausschließlich durch Windkraft angetriebene Fahrzeuge gegeneinander antraten. Die Fahrzeuge mussten imstande sein, direkt - das heißt ohne zu kreuzen - gegen den Wind zu fahren.[7] Wegen dieser Anforderung konnten keine Segel verwendet werden. Stattdessen muss die Windkraft mittels kleiner Windkraftanlagen eingefangen werden, ein Konzept, das Guido da Vigevano im Jahre 1335 erstmals für einen Streitwagen für Philipp VI. angedacht hatte

Am ersten Rennen beteiligen sich: Universität Stuttgart (InVentus Ventomobil), ECN Windenergie (ECN-impulse), Fachhochschule Flensburg (Windbike), TU Denmark (WinD TUrbine racer), Universität Kiel/ Fachhochschule Kiel (Baltic Thunder), CRES (Zephyros).

Literatur

  • Robert K. G. Temple: China, land of discovery. - Das Land der fliegenden Drachen. Chinesische Erfindungen aus vier Jahrtausenden. Lübbe, Bergisch Gladbach 1990, ISBN 3-7857-0576-X

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Peter James & Nick Thorpe: Keilschrift, Kompaß, Kaugummi. Eine Enzyklopädie der frühen Erfindungen. Sancoussi, Zürich 1998, ISBN 3-7254-1133-6, S. 81f.
  2. Robert K. G. Temple: Das Land der fliegenden Drachen, Chinesische Erfindungen aus vier Jahrtausenden. Lübbe, Bergisch Gladbach 1990, ISBN 3-7857-0576-X, S. 196
  3. Deutsche Fotothek: Segelwagen, 1600
  4. Tristram Shandy. 39. Kapitel
  5. Virtuelles Museum Karlsruher Türkenbeute: Flora´s Mallewagen - Allegorie auf die Tulpenspekulation
  6. Landyachting auf der Website von Roland Gäbler
  7. Website von Wind Energy Events

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