Sinn und Bedeutung

Sinn und Bedeutung

Der 1892 erschienene Aufsatz Über Sinn und Bedeutung ist ein Werk von Gottlob Frege. Frege erläutert darin die Grundbegriffe seiner Sprachphilosophie. Die Abhandlung wurde auch in der Linguistik, speziell in der Semantik, rezipiert (vgl. Lyons 1980).

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsangabe

Sinn und Bedeutung bei Eigennamen

Der Ausgangspunkt von Freges Überlegungen ist die Beobachtung, dass Aussagen der Forma= beinen anderen Erkenntniswert haben als Aussagen der Forma = a“. Hierzu ein Beispiel: Der Morgenstern ist derselbe Himmelskörper wie der Abendstern (nämlich die Venus). Im Gegensatz zu der trivial wahren AussageMorgenstern = Morgensterndrückt die AussageMorgenstern = Abendsterneine Erkenntnis aus. Frege betont, im zweiten Fall sei derselbe Gegenstand (Venus) auf zwei unterschiedliche Arten gegeben (einmal als Himmelskörper, der als erstes am Abend, einmal als Himmelskörper, der als letztes am Morgen am Himmel steht).

Frege unterscheidet daher den Gegenstand, für den ein Ausdruck steht (seine Referenz), von der Art seines Gegebenseins“. Ersteres (im Beispiel die Venus) nennt er etwas irreführend die Bedeutung des Ausdrucks, letzteres seinen Sinn: Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist.“ (S. 26, hier und im Folgenden beziehen sich die Seitenzahlen auf die Veröffentlichung in derZtschr. f. Phil. u. philos. Krit.“). „MorgensternundAbendsternhaben demnach einen unterschiedlichen Sinn, aber dieselbe Bedeutung. Frege legt Wert darauf, dass der Sinn eines Ausdrucks nicht mit einer Vorstellung zu verwechseln ist. Eine Vorstellung ist etwas rein Subjektives, während der Sinn gemeinsames Eigentum von vielen sein kann (S. 29).

Die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung trifft Frege zunächst für Eigennamen“. Ein Eigenname ist für Frege die Bezeichnung eines einzelnen Gegenstandes (S. 27). Frege verwendetGegenstandin einem weiten Sinne, neben gewöhnlichen Gegenständen wie Häusern und Tischen fasst er beispielsweise auch Menschen, Orte, Zeitpunkte und Zahlen als Gegenstände auf. Ein Eigenname kann nun aus einem einzelnen Wort bestehen, jedoch auch aus mehreren Worten oder sonstigen Zeichen (ebd.). Nach Frege wären alsoMorgenstern“, aber auch Kennzeichnungen wieder erste Mann auf dem Mondund Terme wie3 + 5Eigennamen. Frege weist darauf hin, dass ein grammatisch richtig gebildeter Eigenname immer einen Sinn hat (S. 28). Er muss aber nicht unbedingt eine Bedeutung haben. Der Ausdruckder gegenwärtige König von Frankreichhat z. B. einen Sinn, aber keine Bedeutung (da es keinen solchen König gibt).

Sinn und Bedeutung bei Sätzen

In einem zweiten Schritt wendet Frege die Unterscheidung auch auf Behauptungssätze an. Der Gedanke“, den ein solcher Satz ausdrückt, setzt Frege mit seinem Sinn, nicht mit seiner Bedeutung gleich. Der Grund ist, dass sich die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks nicht ändern darf, wenn ein Teilausdruck durch einen anderen mit gleicher Bedeutung ersetzt wird (das sogenannte Frege-Prinzip): Ersetzen wir nun in [dem Satz] ein Wort durch ein anderes von derselben Bedeutung, aber anderem Sinne, so kann dies auf die Bedeutung des Satzes keinen Einfluss haben“. Bei einer solchen Operation kann sich jedoch der ausgedrückte Gedanke ändern, „der Morgenstern ist ein Planetdrückt nach Frege einen anderen Gedanken aus alsder Abendstern ist ein Planet“, da man den einen Satz für wahr und den anderen für falsch halten kann, wenn man nicht weiß, dass Morgenstern und Abendstern identisch sind. Daher kann der Gedanke nicht die Bedeutung des Satzes sein.

Was sich aber bei der Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen mit derselben Bedeutung nicht ändern kann, ist die Wahrheit bzw. Falschheit des Satzes. Frege fasst daher als die Bedeutung eines Satzes dessen Wahrheitswert auf (S. 34). Frege kennt genau zwei Wahrheitswerte: das Wahre und das Falsche“. Diese Konstruktion hat die etwas unerwartete Folge, dass Sätze ebenfalls Eigennamen sind: Jeder Behauptungssatz […] ist also als Eigenname aufzufassen und zwar ist seine Bedeutung […] entweder das Wahre oder das Falsche (ebd.). Aus Freges Sicht ist dies aber konsequent, denn ein Eigenname ist ein Ausdruck, der einen Gegenstand bedeutet, und die Wahrheitswerte sind für ihn Gegenstände.

Eine weitere Implikation ist, dass alle wahren Sätze dieselbe Bedeutung haben ebenso alle falschen. Nach Frege kommt es daher niemals allein auf die Bedeutung eines Satzes an, sondern immer auf die Bedeutung zusammen mit dem Sinn, dem ausgedrückten Gedanken. Das Nebeneinanderstellen von Sinn und Bedeutung findet im Urteil statt: Urteilen kann als Fortschreiten von einem Gedanken zu seinem Wahrheitswerte gefasst werden (S. 35).

Gewöhnliche, gerade und ungerade Rede

Das Gesagte, dass die Bedeutung eines Satzes sein Wahrheitswert ist, gilt jedoch nur, wenn die Worte in gewöhnlicher Weise, also in gewöhnlicher Rede, gebraucht werden. Von der gewöhnlichen Rede unterscheidet Frege die gerade und die ungerade Rede. Es kann aber auch vorkommen, dass man von den Worten selbst oder von ihrem Sinne reden will. Jenes geschieht z. B., wenn man die Worte eines anderen in gerader Rede anführt. […] In der ungeraden Rede spricht man von dem Sinne, z. B. der Rede eines anderen.“ (S. 28).

Gerade Rede kommt also bei Zitaten vor, wenn eine Äußerung wörtlich wiedergegeben wird. Ungerade Rede liegt dagegen beispielsweise bei Nebensätzen, die mitweileingeleitet werden (S. 48), vor oder bei solchen, die mitglauben, dassgebildet sind (S. 37). In diesen Fällen kann man nicht einfach einen Ausdruck durch einen anderen, der für dasselbe steht, ersetzen. Z. B. kann man in dem SatzKepler glaubt, dass der Morgenstern die Venus istnicht einfachMorgensterndurchAbendsternersetzen, denn es könnte sein, dass Kepler zwar glaubt, dass der Morgenstern, aber nicht der Abendstern die Venus ist. Ebenso wenig kann man den ganzen Nebensatz durch einen mit demselben Wahrheitswert ersetzen, also z. B. durchdass der Mount Everest der höchste Berg der Erde ist“, denn dies ist sicherlich nichts, was Kepler glaubt.

Nach Frege haben in solchen (Neben-)Sätzen die Wörter als Bedeutung das, was in normalergewöhnlicherRede ihr Sinn ist. Die ungerade Bedeutung eines Wortes ist also sein gewöhnlicher Sinn (S. 28). Der Satz als Ganzes bedeutet auch nicht seinen Wahrheitswert, sondern stattdessen den durch ihn ausgedrückten Gedanken. Es gilt also, dass die Bedeutung des Satzes nicht immer sein Wahrheitswert ist und dass ‚Morgensternnicht immer den Planeten Venus bedeutet, nämlich dann nicht, wenn dies Wort seine ungerade Bedeutung hat (S. 38). Der Sinn eines Wortes bzw. Satzes in ungerader Rede ist nach Frege der Sinn seines gewöhnlichen Sinns (S. 37).

Bei ungerader Rede drückt ein Nebensatz also keinen Gedanken aus (sondern den Gedanken eines Gedankens). Frege behandelt noch einen anderen Fall, in dem der Nebensatz keinen Gedanken ausdrückt. Sein Beispiel ist

wenn eine Zahl kleiner als 1 und größer als 0 ist, so ist auch ihr Quadrat kleiner als 1 und größer als 0 (S. 43)

Hier spielt der Ausdruckeine Zahldie Rolle einer Variablen, Frege nennt diesen Ausdruck daher einen unbestimmt andeutenden Bestandteil des Satzes (S. 46). Aufgrund dieses Bestandteils sind die Teile des Satzes unvollständig und haben daher als Sinn keinen vollständigen Gedanken.

Siehe auch

Literatur

  • Gottlob Frege: Über Sinn und Bedeutung. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, NF 100. 1892, S. 2550. Auch in: Gottlob Frege: Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien. Herausgegeben und eingeleitet von Günther Patzig. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1962. S. 3863.
  • John Lyons: Semantik. Band I. Beck, München 1980. Zu Sinn s. bes. S. 210ff. ISBN 3-406-05272-X

Weblinks


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