Sisseton

Sisseton
Ehemaliges Stammesgebiet der Sisseton und benachbarter Stämme und heutige Reservate

Die Sisseton oder Sisíthuŋwaŋ (‘Dwellers in the Swamps’, ‘Fish Ground Dwellers’, ‘Marsh Dwellers’)[1] sind einer der Unterstämme der Dialekt- und Stammesgruppe der östlichen Dakota aus der Sioux-Sprachfamilie. Man vermutet, dass die Mdewakanton den Originalstamm bildeten, von dem sich die anderen drei Dakota-Stämme, die Sisseton, die Waȟpéthuŋwaŋ oder Wahpeton und die Waȟpékhute oder Wahpekute, irgendwann getrennt haben.

Sprachlich unterteilten sich die östlichen Dakota in zwei Gruppen:

  • Santee (von Isáŋyáthi - ‘Knife Makers’)
    • Mdewakanton (sprich: M'DAY-wah-kahn-tahn, auch Mdewakantowan oder Bdewákaŋthuŋwaŋ - ‘Dwellers of the Spirit Lake’)[2]
    • Wahpekute (von Waȟpékhute - ‘Shooters Among the Trees’)
  • Sisseton
    • Sisseton oder Sisíthuŋwaŋ
    • Wahpeton (von Waȟpéthuŋwaŋ - ‘Dwellers Among the Leaves’)


Unter der Bezeichnung Santee [3]verstand man ursprünglich nur die Mdewakanton und später die eng verwandten und verbündeten Wahpekute (nomadisierende Gruppe, daher fehlt der Namenszusatz thuŋwaŋ oder towan - ‘Dorf’, ‘Siedler’)[4], übertrug diese Bezeichnung bald aber auf alle Stämme der östlichen Dakota, so dass man heute unter Santee meistens die ganze Stammesgruppe versteht. Dies verdeutlicht nochmals die große Bedeutung innerhalb der Dakota, die die Mdewakanton besaßen.

Ursprünglich bildeten sieben Stämme der Sioux eine Allianz, die sie Oceti Sakowin oder Očhéthi Šakówiŋ (‘Das Feuer der sieben Stämme’, ‘Die sieben Ratsfeuer’)[5] nannten. Zu den Očhéthi Šakówiŋ gehörten neben den oben genannten vier Dakota-Stämmen die zur Nakota-Stammesgruppe[6] [7]gehörenden Yankton (Iháŋkthuŋwaŋ)[8] und Yanktonai (Iháŋkthuŋwaŋna)[9] sowie als größte Gruppe die Lakota (oft auch als Teton bezeichnet, abgeleitet von Thítȟuŋwaŋ - ‘Dwellers of the Plains’).

Die Mdewakanton waren bis zum Aufstand der Östlichen Dakota 1862 in Minnesota der führende Stamm der Očhéthi Šakówiŋ, mussten aber als Folge der Niederlage, bei der sie große Verluste an Menschen und Kampfkraft erlitten, ihre Stellung innerhalb der Allianz an die größte Gruppe der Teton, den Oglala, abtreten.

Die Sisseton wurden in ihrer Kultur von den benachbarten Algonkinstämmen beeinflusst und bildeten die Trennungslinie zwischen der Waldland- und Präriekultur.

Inhaltsverzeichnis

Stämme der Sisseton[10]

  • Wita waziyata otina (‘Dwellers of the Northern Island’)
  • Ohdihe
  • Basdece sni (‘Those who do not split the backbone of the buffalo’)
  • Itokah tina (‘Dwellers at the South’)
  • Okahmi otonwe (‘Village at the Bend’)
    • True Okahmi otonwe
    • Canska otina
  • Cankute (‘Shooters at tree’)
    • Ti Zaptan (‘Five Lodges’)
    • Okopeya (‘In danger’)
  • Manin tina (‘Those who pitched their tents away from the main camp’)
  • Keze (‘Barbed as a fishhook’, spöttische Bezeichnung durch benachbarte Gruppen)
  • Kapoza (‘Those who travel with light burdens’)
  • Abdowapuskiyapi (‘Dry on their shoulders’)
    • Maka ideya (‘Prairie Fire’)
    • Wanmdiupi duta (‘Red Eagle Feather’)
    • Wanmdi nahoton (‘Sounding Eagle’)

Kultur und Lebensweise

Die Sitten bei Brautwerbung und Hochzeit waren bei allen Sioux-Stämmen ähnlich. Nach alten Überlieferungen musste sich ein junger Mann seinen Namen verdient haben, bevor er auf Brautwerbung gehen konnte. Um die Aufmerksamkeit einer jungen Frau zu erlangen, spielte er eine Melodie auf einem Musikinstrument, das Cotanka genannt wurde und aus dem Flügel eines Vogels oder aus Holz gefertigt wurde. Dann besuchte er sie im Tipi ihrer Familie oder er traf sie beim Wasserholen. Er brachte den Brauteltern auch erlegtes Wild als Geschenk, um zu zeigen, dass er eine Familie ernähren konnte. Das Mädchen wiederum musste ihre Fähigkeiten als Hausfrau nachweisen. Wenn beide Seiten einverstanden waren, wurde die Hochzeit mit einem öffentlichen Fest gefeiert. Zuvor war eine neues Tipi gemeinsam von den Frauen des Dorfes angefertigt worden, das je nach Größe aus 12 bis 16 Büffelhäuten und einem Grundgerüst aus drei Pfosten bestand. Am Ende des Festes wurde das Brautpaar von der Hochzeitsgesellschaft in sein neues Tipi eskortiert. Wenn die junge Frau ihr erstes Baby bekam, verließ der Ehemann das Dorf und ging gemeinsam mit seinem Vater auf die Jagd, bis das Kind geboren war. Die schwangere Frau blieb in der Obhut ihrer Familie, speziell einer älteren Frau. Das Neugeborene wurde gewaschen, in Windeln gewickelt und auf ein sorgfältig verziertes Wiegenbrett gebunden. Die Kinder bekamen bestimmte Namen, die von der Reihenfolge der Geburt abhingen. Kinder unter vier Jahren schliefen bei ihren Eltern oder Großeltern, dann bekamen sie ein eigenes Lager. Ein Kind sah jeden Bruder seines Vaters ebenfalls als Vater an und die Schwestern der Mutter jeweils als Mutter.

Der Vater einer Familie war der Jäger und Beschützer. Die Mutter war für den Anbau von Mais, Bohnen und Squash zuständig und sammelte Wildgemüse und Wildreis. Die Frauen waren auch für Ab- und Aufbau des Tipis zuständig, sowie für die Herstellung und Reparatur der Unterkunft.

Die Männer stellten ihre Jagd- und Kriegswaffen her, die von den Frauen nicht berührt werden durften. Einige Arbeiten wurden auch gemeinsam erledigt, wie zum Beispiel die Herstellung von Wiegenbrettern, Paddeln, Kanus, Schalen und Löffeln. Die Frauen sammelten Binsen und Holz, kochten, gerbten Leder, reparierten und stellten Mokassins und Kleidung her, webten Matten, trockneten Fleisch und gruben nach essbaren Wurzeln. Es gab Polygamie bei den Sisseton; es wurde zum Beispiel erwartet, dass ein verheirateter Bruder die Witwe seines im Kriege getöteten Bruders ebenfalls heiratete und die Kinder adoptierte. Es kam kaum vor, dass Kinder als Vollwaisen aufwuchsen.

In den Familien gab es selten Streit. Frauen und Kinder wurden im Allgemeinen gut behandelt. Unfruchtbarkeit der Frau war kein Grund zur Scheidung. Der Frau gehörte das Tipi und es kam manchmal vor, dass eine Frau ihren untreuen Ehemann hinauswarf. Ältere Menschen wurden mit großem Respekt behandelt. Wenn ein älteres Stammesmitglied den nahen Tod spürte, verließ es das Lager, um allein zu sterben. Wenn ein Lager verlegt wurde, ließ man die Sterbenden zurück.

Politische Organisation

Bei den Familien-Clans war die Blutsverwandtschaft ebenso wichtig wie die persönliche Eignung. Der Stammesrat war die wichtigste Instanz bei der Führung des Stammes und jeder Clan hatte einen Wakincun genannten Repräsentanten als Ratsmitglied. Alle Mitglieder des Stammesrats hatten das gleiche Stimmrecht. In jedem Dorf gab es einen Ausrufer, der wichtige Entscheidungen des Stammesrats zu verkünden hatte.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts änderte sich der Erwerb der Häuptlingswürde. Individuelle Eignung und Macht wurde durch ein heriditäres System ersetzt, um Häuptling zu werden. Diese Stammesführer hatten nur begrenzte Macht. Der Stammesrat wählte die Akitcita, die eine Art Polizei darstellten. Alle Akitcita zusammen wurden Tiyotipi oder Soldiers lodge (Soldatenloge) genannt. Alle Krieger waren verpflichtet, als Akitcita zu dienen. Ein junger Mann wurde zum Krieger, wenn er einen Coup angebracht, einen Feind getötet oder skalpiert oder einen Freund gerettet hatte. Für jede diese Taten gab es besondere Ehrenzeichen. Wenn ein Sisseton-Krieger zum Beispiel in ein feindliches Lager eingedrungen war, bekam er ein Warbonnet, das war ein am Kopf zu tragender Federschmuck.

Vor einer Büffeljagd wurden vier Krieger vom Stammesrat ausgesucht, die als Jagdführer fungierten und während der gesamten Jagd sogar den Häuptling überstimmen konnten.[11]

Geschichte

Ursprünglich lebten sie gemeinsam mit den übrigen Sioux-Stämmen im Gebiet westlich der Großen Seen, wurden aber später von den Anishinabe nach Süden und Westen verdrängt. Auf der Wanderung in ihre neuen Jagdgründe teilten sie sich im Laufe der Zeit in drei große Gruppen, nämlich die Dakota, Nakota und Lakota, die sich im Dialekt und teilweise auch in ihrer Lebensweise und Kultur unterschieden. Die Sprecher der einzelnen Dialekte hatten keine Schwierigkeiten, einander zu verstehen. Während Dakota und Lakota heute noch von vielen Sioux gesprochen wird, ist der Nakota-Dialekt nahezu ausgestorben.

In mehreren Verträgen zwischen 1830 und 1858 wurde das Stammesgebiet der Sisseton immer weiter verkleinert, bis das Gebiet den Indianern nicht mehr genügend Raum bot, um sich selbst zu ernähren. Sie waren nun von den jährlichen Lieferungen der Regierung abhängig, die zum Teil von korrupten Händlern verschoben wurden. 1854 war der Übergabepunkt der Jahreslieferung für die Sisseton und Wahpeton am Yellow Medicine River. In der Folgezeit wurden sie nach und nach in einem Reservat gesammelt. Ab 1861 verschlechterte sich die Lage der Sisseton noch weiter. Eine Missernte zwang sie, Nahrungsmittel auf Kredit bei den Händlern zu kaufen und sich zu verschulden. 1862 verzögerten sich außerdem die jährlichen Zahlungen der US-Regierung aufgrund des Sezessionskrieges. Die folgende Hungersnot im Reservat führte zum Sioux-Aufstand von 1862 in Minnesota. Am 23. September kam es am Wood Lake zur entscheidenden Schlacht, die mit einer Niederlage der Dakota endete. Der größte Teil der Indianer gab den Kampf auf und ließ seine Gefangenen frei. Der Aufstand war damit praktisch beendet und ein Teil der überlebenden Sisseton wurden in das Lake-Traverse-Reservat umgesiedelt.

Demografie

Lewis und Clark schätzten die Sisseton 1804 auf etwa 800 Stammesmitglieder. 1853 betrug die Bevölkerung 2.500 Angehörige und 1886 wurden in dem Lake-Traverse-Reservat 1.496 Sisseton und Wahpeton gezählt. 1909 gab es 1.936 Sisseton und Wahpeton in dem Reservat und weitere 980 in North Dakota, die infolge des Sioux-Aufstands 1862 dorthin geflohen waren. Die Volkszählung aus dem Jahr 2000 ergab 5.115 Sisseton-Wahpeton im Reservat und 672 Sisseton in North Dakota.

Einzelnachweise

  1. Sisseton
  2. Mdewakanton divisions
  3. nicht zu verwechseln mit einem kleinem östlichen Sioux-Stamm, den Santee in South Carolina
  4. Jessica Dawn Palmer: The Dakota Peoples: A History of the Dakota, Lakota and Nakota Through 1863,Kap. 4
  5. History of the Council Fires
  6. es ist heute umstritten, ob die Yankton und Yanktonai tatsächlich zu den Nakota zu zählen sind, neuerdings werden sie als Westliche Dakota bezeichnet
  7. Jan Ullrich: New Lakota Dictionary (Incorporating the Dakota Dialects of Yankton-Yanktonai and Santee-Sisseton), S. 2, Lakota Language Consortium 2008, ISBN 0-9761082-9-1
  8. Yankton
  9. Yanktonai
  10. Sisseton-Wahpeton Sioux Tribe
  11. History & Culture of the Sisseton-Wahpeton Sioux Tribe

Siehe auch

Liste nordamerikanischer Indianerstämme

Literatur

Weblinks


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