Siyawasch

Siyawasch

Siyâwasch (persisch ‏سياوش‎) oder Siyawusch oder Siavukhsch ist eine Figur aus dem Epos Schāhnāme des Dichters Firdausi. Siyâwasch, Sohn des Kai Kawous dem Schah des Irans, war ein legendärer persischer Prinz aus dem Geschlecht der Kayaniden. Siyâwasch ging wegen der falschen Anschuldigungen seiner Stiefmutter Sudabeh, sie vergewaltigt zu haben, nach Turan ins Exil, wurde dort aber auf Befehl des turanischen Königs Afrasiab getötet. Der Tod Siyâwasch wurde durch dessen Sohn Kai Khosrow gerächt. Nach langen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Iran und Turan wird Afrasiab am Ende durch Kai Khosrow getötet.

Siyâwasch gilt in der persischen Literatur als ein Symbol für die Unschuld. Sein Name bedeutet wörtlich übersetzt Der eine mit dem schwarzen Pferd. Firdausi bezeichnet sein Pferd als Schabrang Behzād (persisch ‏شبرنگ بهزاد‎, ‚Nacht farbendes reinrassiges Pferd‘)

Inhaltsverzeichnis

Siyâwasch in Schāhnāme - Sage XV

Siyâwasch und Rostam

Siyâwasch wird von Sudabeh verführt.

Als Siyâwasch geboren wurde, nahm ihn Rostam mit nach Zabulistan. Als er zwölf Jahre alt war, lehrte ihn Rostam das Reiten, Bogenschießen und den Gebrauch des Lassos. Andere Lehrer lehrten ihn das Hofleben, das Bankett und das Herrschen über das Königreich. Als Siyâwasch jung war, wollte er unbedingt seinen Vater Kai Kawous besuchen und Rostam begleitete seinen Schüler an den königlichen Hof.

Siyâwasch erfüllte Kai Kawous' Erwartungen und wurde herzlich empfangen. In Kai Kawous' Haus speiste Siyâwasch gut. Als sein Vater sah, dass sein Sohn in allem, was er tat, Erfolg hatte, ernannte er ihn zum Herrscher über Kawarschan, das auch unter dem Namen Mawarannahr bekannt ist.

Siyâwasch und Sudabeh

Sudabeh, Tochter des Herrschers von Hamavaran, eine der Ehefrauen seines Vaters Kai Kawous und damit Stiefmutter von Siyâwasch, verliebte sich in Siyâwasch. Sudabeh ging zum König, lobte den Charakter seines Sohnes und schlug vor, dass er eine königliche Jungfrau aus ihrer Obhut heiraten solle. Sie bat darum, dass Siyâwasch in den Harem gehen solle, um dort alle Damen zu sehen und eine von ihnen auszusuchen. Der König gestattet dies und unterrichtete Siyâwasch davon, aber Siyâwasch bescheiden und schüchtern vermutete in diesem Angebot eine List Sudabehs und zögerte. Auf Befehl des Königs betrat Siyâwasch schlussendlich den Harem. Bei seinem ersten Besuch schenkte Siyâwasch Sudabeh keine Beachtung und ging direkt zu den anderen Jungfrauen, die ihn auf einem goldenen Stuhl setzten und einige Zeit mit ihm redeten.

Feuerprobe des Prinzen Siyawasch: Illustration von Riza-yi Musavvir, MS St. Petersburg, Dorn 333, f. 265v, von 1651

Kai Kawous wiederholte seinen Wunsch, dass er sich eine Frau aus dem Harem aussuchen solle, woraufhin Siyâwasch von Sudabeh zu einem zweiten Besuch in den Harem eingeladen wird. Da sich Siyâwasch für keine der ihm angebotenen Schönen entschied, bat Sudabeh ihn, im Falle des Ablebens Kai Kawous zu ehelichen. Sie gestand ihm ihre Liebe und "küsste ihn mit Macht"[1] Siyâwasch entzog sich dem Werben seiner Stiefmutter, doch sie überredete Kai Kawous Siyâwasch noch einmal zu ihr zu schicken, da er ihre Tochter zur Ehefrau auserkoren habe. Bei diesem dritten Besuch im Harem bedrohte Sudabeh Siyâwasch:

„Ins siebte Jahr das Verlangen mein
Macht träufeln Blut von den Wangen mein.
Mach einmal froh im Stillen mich,
Erbarm meiner jungen Tage dich!
Noch mehr, als dir der Schah gab schon,
Will ich dir schmücken Kron' und Thron.
Und willst du dich sträuben meinem Gebot,
Und willst du nicht heilen meine Not,
So richt' ich dir die Herrschaft zu Grund,
Und finster wird dir Sonn' und Mond.[2]

Immer wieder abgewiesen, klagte sie Siyâwasch wegen Vergewaltigung vor ihrem Ehemann an. Als der König dies hörte, dachte er, dass der Tod allein dieses Verbrechen sühnen könne. Der König glaubte zunächst, durch Beriechen der Kleider der beiden die Unschuld seines Sohnes feststellen zu können. Er roch an den Händen Siyâwaschs, die nach Rosenwasser dufteten; und dann am Gewand der Sudabeh, welches stark nach Wein duftete. Nach dieser Erkenntnis beschloss der König den Tod Sudabehs.

Schließlich beschloss er, die Unschuld Siyâwaschs durch ein Gottesurteil festzustellen. Siyâwasch bereitete sich darauf vor, sich diesem schrecklichen Test zu unterziehen, und sagte seinem Vater, dass er sich nicht sorgen müsse. Hundert Karawanen schafften das Holz für zwei gewaltige Scheiterhaufen herbei, die mit einem schmalen Durchlass nebeneinander errichtet und von zehn Männern angezündet wurden. Siyâwasch, mit goldenem Helm gerüstet, weiß gekleidet und wie für ein Begräbnis mit Kampfer gesalbt, bestieg sein schwarzes Ross Schabrang und vermochte nach einem Gebet an den göttlichen Richter unversehrt zwischen den beiden Feuern hindurchzureiten. Sudebah wurde daraufhin auf Verlangen des Volkes zum Tod durch Erhängen verurteilt, aber auf Bitten Siyawasch begnadigt, der trotzdem die Gunst seines Vaters nicht wieder dauerhaft erringen konnte.[3]

Siyâwasch und Afrasiab

Siyâwasch im Kampf

Afrasiab bedrohte den Iran wieder mit einer Invasion. Schnelle Kunde wurde vernommen, dass Afrasiab eine Armee versammle, um in den Iran einzufallen; und Kai Kawous sah, dass dieser Tatar weder einen Schwur noch einen Eid einhielt. Kai Kawous wollte ihm diesmal selbst zuvorkommen und bis Balch marschieren und an den Einwohnern ein Exempel statuieren. Siyâwasch bat mitzumachen, und sagte, dass er mit der Hilfe Rostams erfolgreich sein werde. Der König fragte Rostam, der offen sagte, dass der König persönlich nicht am Feldzug teilnehmen müsste. Nach dieser Zusicherung öffnete der König seine Schatzkammer und brachte alle Ressourcen des Reiches für die Ausrüstung der Armee auf. Nach einem Monat marschierte die Armee Richtung Balch, dem Ort des Angriffes.

Auf der anderen Seite tat sich der Herrscher von Balghar Garsiwaz mit den tatarischen Legionen unter dem Kommando von Barman bei Balch zusammen. Beide brachen auf, den persischen Gegner zu bekämpfen, aber nach drei Tagen Kampf ergaben sie sich und wurden gezwungen, ihre Festung zu übergeben. Als Afrasiab von diesem Unglück erfuhr, erinnerte er sich an einen vorherigen Traum. Er träumte von einem Wald umgeben von Schlangen und von einem Himmel, der von Adlern verdunkelt war. Er fragte seine Astrologen, aber diese zögerten, diesen Traum zu deuten. Schließlich sagte ein Deuter namens Saqim, dass Afrasiab innerhalb von drei Tagen verlieren würde. So ließ Afrasiab Garsiwaz mit Geschenken, die aus Pferden, Rüstungen und Schwertern bestanden, zum Hauptquartier des Siyâwaschs schicken und um Frieden bitten.

Siyâwasch war in der Zwischenzeit darauf aus, den Feind über den Amudarja zu jagen. Als Garsiwaz bei ihm erschien, wurde er ehrenhaft empfangen und seine Frage nach Frieden vernommen. Ein geheimes Konzil sollte darüber entscheiden. Es wurden dann später Folgendes von Afrasiab verlangt: Hundert seiner besten Kämpfer als Geiseln und die Rückgabe aller Provinzen, die die Turanier erobert hatten.

Garsiwaz wurde rasch zu Afrasiab geschickt, um ihn zu informieren, und ohne Verspätung wurden die Forderungen umgesetzt. Hundert Kämpfer wurden losgeschickt und Buchara, Samarkand und Haj und der Punjab wurde Siyâwasch übergeben. Afrasiab selber zog sich nach Gungduz zurück.

Die Verhandlungen waren abgeschlossen und Siyâwasch sandte mit Rostam einen Brief an seinen Vater. Kai Kawous war mit den Bedingungen unzufrieden und setzte seinen Sohn Siyâwasch ab. Kai Kawous ernannte Tus zum Führer der persischen Armee und befahl ihm, gegen Afrasiab zu marschieren. Siyâwasch sollte mit den Geiseln zu seinem Vater zurück kehren. Siyâwasch war von diesem Befehl gekränkt und wandte sich für einen Rat an Bahram und Zengueh. Diese sagten ihm, dass er einen Brief an Kai Kawous schreiben solle, indem er seine Bereitschaft für die Erneuerung des Krieges und die Tötung der Geiseln ausdrücken sollte. Aber Siyâwasch dachte daran, dass er sein Versprechen halten müsse, und entschied sich nicht in den Iran zurück zukehren und im Land Turan des Afrasiabs zu bleiben.

Schāhnāme: Prinz Siyâwasch begrüßt Piran.

Siyâwasch in Turan

In Turan empfing ihn Afrasiab herzlich. Der alte turanische Wesir Piran Visah gab ihm seine Tochter Jurairah zu Frau. Später heiratete Siyâwasch noch Farangis, die Tochter des Afrasiabs. Afrasiab übergab der Braut und ihren Ehemann die Herrschaft über Hotan. In Hotan erbaute Siyâwasch die Stadt Siyâwaschgird und die Burg Gang. Piran Visah und Garsiwaz besuchten beide Siyâwaschs Stadt. Garsiwaz begann Afrasiab vor ihm herab zuwürdigen.

Die Neuigkeiten über Afrasiabs Kriegsvorbereitungen bestätigten Siyâwasch Vermutungen, dass Garsiwaz Recht hatte. Siyâwasch und seine Gefährten kämpften nicht gegen die große gegnerische Armee. Seine Männer wurden alle getötet und geköpft. Frauen wurden als Sklaven nach Kiman gebracht.

Afrasiab selber stellte Siyâwasch und wollte ihn mit einem Pfeil erschießen, aber dann hielt er davon ab. Stattdessen wurde Siyâwasch von Gurni enthauptet:

„Sijawusch, geschnürt die Hände fest,
Den Nacken in ein Joch gepreßt,
Trieb vor sich her zu Fuß Guru
Gehüllt in Staub in Thränen dazu.
Den weidlichen Leib auf den heißen Sand
Warfen sie nieder mit schamloser Hand.
Hin vor ihm setzt' ein Becken Guru
Und bog ihn wie ein Schlachtschaf dazu,
Schnitt ihm vom Rumpf das gekrönte Haupt,
Da lag er wie die Zipress' entlaubt.
...
Ein roher Hirt in der Wüste Kalu
Schneidet nicht so die Kehl ab der Kuh,
Wie er abschnitt des Schahes Haupt;
Niemand hat solches gesehn noch geglaubt.[4]

An Tod von Siyâwasch wird von einigen Persern besonders in Schiraz am Tag des Siyâwaschun gedacht.

Literatur

Weblink

Einzelnachweise

  1. Friedrich Rückert: Firdosi's Königsbuch (Schahname) Sage XV-XIX. 1894. Aus dem Nachlaß herausgegeben von E. A. Bayer. Nachdruck: epubli, Berlin 2010. S. 18.
  2. Friedrich Rückert: Firdosi's Königsbuch (Schahname) Sage XV-XIX. 1894. Aus dem Nachlaß herausgegeben von E. A. Bayer. Nachdruck: epubli, Berlin 2010. S. 21.
  3. Arthur George Warner, Edmond Warner: The Shahnama of Firdausi. Kegan Paul, Trench, Truebner and Co, London 1909, Bd. II, S. 200–225. (online), zu Parallelen des Stoffes vgl. Stephen Beler: The Diffusion of the Book of Sindbad. In: Fabula. 28, 1–2 (1987), S. 34-58, bes. S. 41ff.
  4. Friedrich Rückert: Firdosi's Königsbuch (Schahname) Sage XV-XIX. Aus dem Nachlaß herausgegeben von E. A. Bayer. Nachdruck: epubli, Berlin 2010, ISBN 978-3-86931-407-5, S. 145f.

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