- Choresmien
-
Choresmien oder Choresm (persisch/arabisch خوارزم; DMG Ḫvārazm bzw. Ḫwārizm; usbekisch Xorazm) ist eine (historische) Landschaft im westlichen Zentralasien. Es handelt sich um eine heute teilweise zu Usbekistan, teilweise zu Turkmenistan gehörende Großoase am Unterlauf und der Mündung des Amudarjas (des antiken Oxus’), welche einerseits (im Norden) durch den Aralsee, andererseits von den Wüsten Karakum und Kysylkum sowie dem Ustjurt-Plateau begrenzt wird. Nachbarprovinzen waren in islamischer Zeit Chorasan und Transoxanien.
Hauptstadt war (nach Kath und vor Chiwa) lange Zeit Gurgandsch, das heutige Köneürgenç („Alt-Urganch“) im äußersten Norden Turkmenistans. Die Stadt ist nicht mit der erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen Stadt Urganch im heutigen Usbekistan zu verwechseln.
Bis zur (vollständigen) ethnischen und linguistischen Türkisierung Choresms, welche im Spätmittelalter abgeschlossen war, bildeten die iranischen Choresmier die Hauptbevölkerungsgruppe der Region.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Urgeschichte
Funde aus der Jungsteinzeit, der Bronzezeit und der frühen Eisenzeit belegen Aktivitäten in diesem Gebiet.
Altertum
Die äußerst fruchtbare und mit Hilfe von Bewässerungskanälen intensiv bewirtschaftete Großoase Choresm gehörte schon früh zu den Zentren menschlicher Hochkultur und bildete spätestens ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. den Nukleus eines unabhängigen choresmischen Königreiches, dessen Herrscher den Titel eines Choresm-Schahs führten. Das entlegene Land, welches ebenso als frühes Zentrum der zoroastrischen Religion gilt (Erwähnung im Avesta; Zoroaster soll 588 v. Chr. den choresmischen König Vischtaspa missioniert haben), wurde wahrscheinlich schon von Kyros II. dem Achämenidenreich einverleibt und bildete dann (so Herodot) unter Dareios I. zusammen mit Parthien, Sogdien und Aria die XVI. Satrapie. Die Herrschaft der Perser währte jedoch nicht lang: Choresm gewann schon bald seine Unabhängigkeit zurück und konnte sie auch gegenüber Alexander dem Großen behaupten, welchem (laut Arrian) der choresmische König Pharasmanes (Farasman) im Jahre 328 v. Chr. sogar selbstsicher ein Bündnis anbot. Seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert wird dann auch die choresmische Sprache mit einer eigenen, dem Aramäischen verwandten Schrift geschrieben.
Im zweiten Jahrhundert v. Chr. hatte das Land wohl mit einfallenden Nomaden zu kämpfen, konnte sich aber um Christi Geburt wieder erholen, was unter anderem am Beginn einer eigenen Münzprägung zu erkennen ist, die zunächst noch stark von parthischen und bakrischen Vorbildern geprägt ist und verderbte griechischen Legenden zeigt. Wenig später erscheinen aber auch Inschriften in choresmische Sprache, aus denen die Namen einiger Herrscher bekannt sind. Im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert scheint Choresm zum Reich der Kuschan gehört zu haben, was allerdings umstritten ist. Es wird vermutet, dass König Vasamar aus der (laut al-Biruni) seit 305 regierenden Afrighiden-Dynastie das Land endgültig von der Kuschanherrschaft befreite. So beginnt im dritten Jahrhundert die Blütezeit des vorislamischen Choresms, welches dann offenbar weder von den Sassaniden, noch von den Hephthaliten oder Gök-Türken unterworfen werden konnte. Ausgrabungen sowjetischer Archäologen (wie S. P. Tolstow) haben den Nachweis einer hochentwickelten choresmischen Kultur erbracht, wobei besonders die darstellende Kunst (Monumentalbauten, Malerei) von handwerklichem Können und Originalität zeugt. Grundlage für den Wohlstand der Choresmier war die Bewässerungslandwirtschaft. Angebaut wurden vor allem Gemüse, Obst, Getreide, Wein und Baumwolle.
Mittelalter
712 fiel Choresm an die Araber, woraufhin es als Randprovinz des Kalifenreiches allmählich islamisiert wurde. Ab dem 10. Jahrhundert wurde das Land dann nacheinander von den Samaniden, Mamuniden (unabhängige Choresm-Schahs), Ghaznaviden, Altuntaschiden (unabhängige Choresm-Schahs), Oghusen und Großseldschuken beherrscht, bis es während des 12. Jahrhunderts erneut seine Unabhängigkeit erlangte und unter den Choresm-Schahs aus der Dynastie der Anuschteginiden sogar zum prosperierenden Zentrum eines mächtigen, unter Schah Ala ad-Din Muhammad (1200–1220) ganz Iran, Transoxanien sowie das heutige Afghanistan umfassenden Großreiches wurde. Gleichzeitig erlebte die persische Kultur einen neuen Höhepunkt, der jedoch nur kurze Zeit währte, da 1220 die Mongolen unter Dschingis Khan Choresm samt seiner blühenden Hauptstadt verwüsteten und ihrem Reich einverleibten.
Ende des 14. Jahrhunderts begann Timur Lenk seine Eroberungen mit einem Krieg gegen Choresm. Fünf Feldzüge waren notwendig, bis er das Land 1388 endgültig erobern konnte. Die mittlerweile wiederaufgebaute Hauptstadt Gurgandsch wurde dabei abermals völlig zerstört, wovon sie sich (zu Gunsten Chiwas) nie wieder ganz erholen sollte.
Neuzeit
1511 entstand das Khanat Chiwa. Sein Zentrum war die seit dem 6. Jahrhundert bestehende Stadt Chiwa, seit Anfang des 17. Jahrhunderts Hauptstadt des Landes. Alt-Urgench musste um diese Zeit aufgegeben werden, da der Amudarja seinen Lauf geändert hatte.
Die Bevölkerung setzte sich aus Usbeken, Turkmenen, Karakalpaken und anderen Völkern zusammen und lebte vor allem von Viehzucht, Ackerbau und Gewerbe. Seit Ende des 16. Jahrhunderts entwickelten sich aus dem alten Stammesadel, der ausgedehnte Ländereien besaß, große Feudalherren.
Durch Feudalfehden im Inneren und Überfälle der Turkmenen, Kasachen und Kalmücken geschwächt, verfiel der Staat allmählich. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte das Chanat Chiwa besonders unter Khan Muhammad Rehim (1804-1826) einen Aufschwung und unterwarf einige Nachbarvölker.
Nachdem russische Truppen die Stadt Chiwa 1873 eingenommen hatten, unterstellte sich das Khanat Chiwa im Frieden von Gendemian am 24. August 1873 russischer Hoheit.
1918 wurde der letzte Khan Asfendiar durch eine Palastrevolte seines Generals Dschunaid Khan gestützt, der Sowjetrussland den Krieg erklärte. Dschunaid wiederum 1920 mit Hilfe der Bolschewiki gestürzt und am 2. Februar 1920 in Chiwa die Volksrepublik Choresmien ausgerufen. Am 27. Oktober 1924 wurden die Choresmische Volksrepublik ebenso wie die benachbarte Volksrepublik Buchara und die Turkestanische ASSR aufgelöst und auf die neu gegründeten Republiken Turkmenische SSR und Usbekische SSR aufgeteilt, welche 1925 Mitgliedstaaten der Sowjetunion wurden. Heute gehört der Norden und Osten der Großoase Choresm zu den usbekischen Provinzen Xorazm und Karakalpakistan, während der Südwesten (mit Köneürgenç) Teil der turkmenischen Provinz Daşoguz ist.
Berühmte Persönlichkeiten aus Choresm (abgesehen von Herrschern)
- Muhammad b. Musa al-Chwarizmi (Mathematiker, Astronom und Geograph)
- Abu Bakr Muhammad b. al-Abbas al-Chwarizmi (Poet)
- Abu Raihan al-Biruni (Universalgelehrter)
- Abu Abd Allah Muhammad b. Ahmad al-Chwarizmi (Schriftsteller und Beamter)
- Abu l-Kasim Mahmud b. Umar as-Samachschari (Philologe und Theologe)
- Nadschm ad-Din Kubra (Sufi-Scheich)
Wichtige Städte in Choresm
- Xiva (Chiwa)
- Urganch
- Köneürgenç (das alte Gurgandsch)
- Beruniy (das alte Kath)
- Hazorasp
- Nukus
- Daşoguz
- Toʻrtkoʻl
Quellen und Literatur
- Clifford Edmund Bosworth: Artikel „KHwĀRAZM“ und „KHwĀRAZM-SHĀHS“ in: Encyclopaedia of Islam, New Edition (ed. by P. J. Bearman u.a.), Leiden 1960-2004
- Yuri Aleksandrovich Rapoport: Artikel „CHORASMIA i. Archeology and pre-Islamic history“ (15. Dezember 1991) in: Encyclopaedia Iranica, Online Edition
- Clifford Edmund Bosworth: Artikel „CHORASMIA ii. In Islamic times“ (15. Dezember 1991) in: Encyclopaedia Iranica, Online Edition
- Wilhelm Barthold: Turkestan down to the Mongol invasion (E. J. W. Gibb Memorial Series), London 1928
- Sergei Pawlowitsch Tolstow: Auf den Spuren der altchoresmischen Kultur, Berlin 1953
Siehe auch
Kategorien:- Choresmien
- Historischer Staat (Asien)
- Region in Asien
- Geographie (Usbekistan)
- Geographie (Turkmenistan)
Wikimedia Foundation.