Societas publicanorum

Societas publicanorum

Publicani, Publikanen: Allgemein diejenigen im alten Rom, die Staatsaufträge übernahmen. Im engeren Sinne zeichnet sich das Publikanen-Geschäft dadurch aus, dass der Interessent einen Auftrag ersteigert, also zur Durchführung des Auftrages in Vorleistung geht. Zumeist schließen sich dafür mehrere Publikanen zu einer Gesellschaft, einer "societas publicanorum", zusammen.

Im Deutschen unüblich ist die Bezeichnung der "Publicani" als "Publikaner"; der Begriff "Publikaner" ist ein Begriff zur Bezeichnung der Katharer bzw. ihnen nahestehender Gruppen des 12. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Das System der privatwirtschaftlichen Tätigkeit im Auftrag des Staates, dessen Blütezeit vom zweiten vorchristlichen bis zum ersten nachchristlichen Jahrhundert anzusetzen ist, gab dem römischen Staat die Möglichkeit, weit ausgreifend zu handeln, ohne die stadtstaatlichen Verwaltungsstrukturen entsprechend anpassen zu müssen: Risiko und organisatorischer Aufwand lagen ganz bei Privatleuten. Als Verfahren mittelbarer staatlicher Herrschaft bettet sich das Publikanensystem daher in die gerade für die Anfangszeit des römischen Großstaates typische Verfahrensweise der indirect rule im Verhältnis zu den unterworfenen Gebieten ein.

Beziehen sich frühe Beispiele publikanischer Tätigkeit z.B. auf römische Bauprojekte, so sind die Publikanen nicht zuletzt deshalb in die Geschichte eingegangen, weil sie in manchen römischen Herrschaftsgebieten das Recht der Steuereintreibung in Händen hielten (sogenannte Steuerpacht). Unter günstigen Bedingungen bot diese Pacht hervorragende Renditen, d.h., das eingesetzte Kapital konnte bisweilen um ein Vielfaches wieder hereingeholt werden. Während der römische Staat also kurzfristig und relativ risikolos in den Genuss von Geldmitteln kam, konnten die Publikanen mittelfristig große Gewinne einstreichen. Da die Senatoren in der späten Republik keine Handels- und Schiffsgeschäfte mehr ausüben durften (bes. nach der Lex Claudia de nave senatorum von 218 v. Chr.), begünstigte die römische Praxis der Staatspacht den wirtschaftlichen Aufstieg des Standes der equites (Ritter), deren publikanisch tätige Mitglieder auch bisweilen geradezu als eigener Stand bezeichnet wurden (ordo publicanorum). Das System der Publikanen im Bereich der Steuer- bzw. Abgabenerhebung brachte aber auch große Nachteile mit sich, die letztendlich auch dazu führten, dass dieses System überwunden bzw. verändert werden musste:

  • Überbietung: Der Wettbewerb zwischen verschiedenen Bietern kann leicht zu einer Übersteigerung führen, d.h. zu Aufwendungen, die nachfolgend nicht mehr gedeckt werden können
  • Fehlende Nachhaltigkeit: Da das Steuereintreibungsrecht immer nur für eine gewisse Zeitspanne (lustrum) in einem bestimmten Raum galt, bestand bei den Nutznießern kein besonderes Interesse, die örtlichen Ressourcen über den Zeitraum hinaus zu schonen
  • Fehlende Flexibilität: Da der Publikan mit großen Geldmitteln auf eigenes Risiko in Vorleistung gegangen ist, besteht für ihn die Notwendigkeit, die Steuern bzw. Abgaben unabhängig davon einzutreiben, ob die örtlichen Bedingungen diese Abgabenlast überhaupt erlauben (z.B. Problem der Missernte)
  • Fehlende staatliche Kontrolle: Da das Publikanen-System ja gerade anstelle staatlicher Strukturen funktioniert, ergibt sich schnell das Problem der fehlenden Missbrauchskontrolle durch den Staat
  • Eigendynamik des Systems: Das Verhalten der Publikanen als allmächtige "Herrscher" vor Ort führte zu zahlreichen Konflikten mit den einheimischen Bevölkerungen, für deren Kosten letztendlich doch wieder der römische Staat aufkommen musste

Ein ähnliches System mit vergleichbaren Vor- und Nachteilen findet man in der Neuzeit bei den Steuerpächtern in Frankreich.

Siehe auch

Literatur

Allgemein

  • ALFÖLDY Geza: Römische Sozialgeschichte. Wiesbaden (3) 1984.
  • Ders.: Die römische Gesellschaft - Struktur und Eigenart. In: Ders. (Hg.), Die römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge. Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien 1. Stuttgart 1986
  • BLEICKEN Jochen: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches I. 1995.
  • BRUNT P.A.: Social Conflicts in the Roman Republic. London 1971.
  • CHRIST K.: Grundfragen der römischen Sozialgeschichte. In: Studien zur Sozialgeschichte. Festschr. F. Vittinghoff. Eck, W., Galsterer, H., Wolff, H. (Hg.), Kölner Historische Abhandlungen 28, Köln/Wien 1980, S. 197-228.
  • DAHLHEIM Werner: Gestalt und Herrschaft. Das provinziale Herrschaftssystem der römischen Republik. Berlin 1977
  • De MARTINO: Wirtschaftsgeschichte des Alten Rom. München (2) 1991.
  • EDER W. (Hg.): Staat und Staatlichkeit in der römischen Republik. Stuttgart 1990
  • HÖRBERG Walter: Die römische Provinzialverwaltung auf Sizilien und deren Prinzipien bis zum Ende der Republik. Erlangen/Nürnberg 1966.
  • HOPKINS Keith: Sociological Studies in Roman History. Bd. 1/2, Cambridge 1981/1983.
  • SCHNEIDER Helmuth: Wirtschaft und Politik. Untersuchungen zur Geschichte der späten römischen Republik. Erlangen 1974
  • Ders. (Hg.): Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit. Darmstadt 1981
  • Ders. (Hg.): Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten Römischen Republik. Darmstadt 1976

Speziell zu den Publicani

  • BADIAN Ernst: Zöllner und Sünder. Unternehmer im Dienst der römischen Republik. Darmstadt, 1997.
  • CIMMA Maria Rosa: Ricerche sulle società di publicani. Mailand 1981.
  • DIETRICH Konrad: Die rechtlichen Grundlagen der Genossenschaften der römischen Staatspächter. 2Bde. Meissen 1898/99. (auch als: Die rechtliche Natur des societates publicanorum)
  • MALMENDIER Ulrike: Societas publicanorum. Staatliche Wirtschaftsaktivitäten in den Händen privater Unternehmer. Köln 2002.

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