- Soziale Differenzierung
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Der Begriff Differenzierung (auch Soziale Differenzierung oder Gesellschaftliche Differenzierung) bezeichnet langfristige Veränderungen einer Gesellschaft, die mit der Neuentstehung oder Aufgliederung von Sozialen Positionen, Lebenslagen und/oder Lebensstilen verbunden sind, sowie das Ergebnis solcher Prozesse, nämlich Soziale Differenziertheit. Er wurde 1890 von Georg Simmel in die Soziologie eingeführt (Über sociale Differenzierung).
Inhaltsverzeichnis
Arten und Formen der Sozialen Differenzierung
Horizontale Differenzierung
Horizontale Differenzierung ist die Vervielfältigung bzw. Spezialisierung von Aufgaben und Tätigkeiten, insbesondere von Berufen (Arbeitsteilung), sowie von Lebensstilen.
Empirische Belege für eine horizontale Differenzierung gibt es bereits für die Jungsteinzeit, als die erhöhte Produktivität durch die Einführung der Landwirtschaft es ermöglicht, nicht-landwirtschaftlich tätige Personen zu ernähren. Verstärkt ist sie bei der Entstehung der städtischen Hochkulturen ab dem 4. Jahrtausend v. Chr. zu beobachten, beispielsweise in Mesopotamien oder im China der frühen Dynastien. Weitere "Schübe" horizontaler Differenzierung sind in der Periode des Hellenismus, bei der Herausbildung der italienischen Stadtstaaten im späten Mittelalter und der Entstehung von Manufakturen in der Neuzeit festzustellen. Mit der beginnenden Industrialisierung, die sich von der ersten Industriellen Revolution über das Entstehen von Elektro- und Chemischer bis hin zur Elektronikindustrie fortgesetzt hat, wird horizontale Differenzierung zum Gegenstand der sich herausbildenden Soziologie. In neuerer Zeit gerät vor allem die Differenzierung von Lebensstilen in den Fokus soziologischer Analysen.
Vertikale Differenzierung
Wenn Soziale Positionen mit einer hierarchischen Bewertung verbunden werden, spricht man von vertikaler Differenzierung. Der wichtigste Spezialfall vertikaler Differenzierung ist die Entstehung oder Aufgliederung von Macht- und Herrschaftsstrukturen.
Räumliche Differenzierung
Die Entstehung von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Unterschieden zwischen Stadt und Land, zwischen Großstadt und Suburbanem Raum sowie die sozialräumliche Aufgliederung von (z.B. städtischen) Teilgebieten wird als räumliche Differenzierung bezeichnet und ebenfalls dem Oberbegriff soziale Differenzierung untergeordnet.
Funktionale Differenzierung
Wird die Herausbildung und Aufgliederung sozialer Positionen, aber auch die Herausbildung von Institutionen, unter den Gesichtspunkten einer funktionalistischen, strukturell-funktionalen oder systemtheoretischen Analyse beschrieben, so werden sie auch als funktionale Differenzierung bezeichnet.
Segmentäre Differenzierung
Segmentäre Differenzierung beruht auf dem Modell von einfachen, kleinen, räumlich voneinander getrennten, gleichen Gesellschaften mit face-to-face-Kommunikation (Stämme, Dörfer etc.); alle Mitglieder haben im Wesentlichen die gleichen sozialen Rollen inne.
Theorien sozialer Differenzierung
Während im Zuge des Fortschrittsoptimismus Soziale Differenzierung oft als unrücknehmbar vorausgesetzt wurde, wird inzwischen verstärkt die Möglichkeit diskutiert, dass Soziale Differenzierung umkehrbar sei. Entdifferenzierung als ebenso alltäglicher wie gesellschaftsweit bis hin zur Barbarei vorkommender Sachverhalt ist jedoch umstritten.
Ursachen, Folgen und Funktionen sozialer Differenzierung
Siehe auch
Literatur
- Jeffrey C. Alexander: Soziale Differenzierung und kultureller Wandel. Essays zur neofunktionalistischen Gesellschaftstheorie. Campus Verlag 2001, ISBN 3-593-34743-1
- Jürgen Brockmann: Die Differenzierung der sowjetischen Sozialstruktur. ISBN 3-447-01941-7
- Emile Durkheim: Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften. 4. Aufl. Suhrkamp 2004, ISBN 3-518-28605-6
- Ingrid Gogolin und Bernhard Nauck: Migration, gesellschaftliche Differenzierung und Bildung. Leske + Budrich 2000, ISBN 3-8100-2257-8
- Paraskevi Grekopoulou: Die Mittelschichten Griechenlands - Entwicklung und soziale Differenzierung seit 1950. ISBN 3-631-46999-3
- Gerd Held: Territorium und Großstadt. Die räumliche Differenzierung der Moderne, VS-Verlag 2005, ISBN 3-531-14423-5
- Karl Otto Hondrich: Soziale Differenzierung. Langzeitanalysen zum Wandel von Politik, Arbeit und Familie. Campus Verlag 1982, ISBN 3-593-33142-X
- Klaus Holz: Staatsbürgerschaft, Soziale Differenzierung und politische Inklusion, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2002, ISBN 3-531-14000-0
- Dirk Jurich: Staatssozialismus und gesellschaftliche Differenzierung. Lit Verlag 2006, ISBN 3-8258-9893-8
- Niklas Luhmann (Hrsg.): Soziale Differenzierung. Zur Geschichte einer Idee. VS Verlag für Sozialwissenschaften 1997, ISBN 3-531-11708-4
- Renate Mayntz u. a.: Differenzierung und Verselbständigung. Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme. Campus Verlag 1988, ISBN 3-593-34030-5
- Uwe Schimank: Theorien gesellschaftlicher Differenzierung. 2. Aufl., UTB 1996, ISBN 3-8252-1886-4
- Uwe Schimank: Differenzierung und Integration der modernen Gesellschaft. Beiträge zur akteurzentrierten Differenzierungstheorie 1. Vs Verlag 2005, ISBN 3-531-14683-1
- Thomas Schwinn: Differenzierung ohne Gesellschaft. Umstellung eines soziologischen Konzepts. Velbrück 2001, ISBN 3-934730-36-1
- Thomas Schwinn (Hrsg.): Differenzierung und soziale Ungleichheit. Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung. Verlag Humanities 2004, ISBN 3-934157-15-7
- Georg Simmel: Über sociale Differenzierung [1890]. In: Gesamtausgabe, Aufsätze 1887-1890, 2.Aufl. Suhrkamp Verlag 1999, ISBN 3-518-57952-5
- Annette Spellerberg: Soziale Differenzierung durch Lebensstile. Edition Sigma 1996, ISBN 3-89404-155-2
- Herbert Spencer: Structure, Function and Evolution. London: M. Joseph 1971, ISBN 0-7181-0748-9
- Veronika Tacke: Organisation und gesellschaftliche Differenzierung. VS Verlag für Sozialwissenschaften 2001, ISBN 3-531-13442-6
- Rainer Unger: Soziale Differenzierung der aktiven Lebenserwartung im internationalen Vergleich. Deutscher Universitätsverlag 2003, ISBN 3-8244-4533-6
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