Spinwelle

Spinwelle
Illustration eines ferromagnetischen Magnons.

Als Magnon bzw. Magnon-Quasiteilchen bezeichnet man den elementaren Anregungszustand einer magnetischen Spinwelle in Festkörpern. Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein einer magnetischen Ordnung, also einer Kopplung zwischen den magnetischen Momenten der Gitteratome, welche zu bevorzugten Ausrichtungen der Momente zueinander führt, z. B. parallel bei Ferro- oder antiparallel bei Antiferromagneten. Die Energie für wellenartige Anregungen der geordneten Momente ist wie bei den elastischen Gitterschwingungen, den Phononen, gequantelt. Deshalb wählt man für die kleinstmögliche Anregung die analoge Bezeichnung Magnon. Dieses Magnon besteht grob gesprochen aus einem umgedrehten Spin in einer Kette ausgerichteter Spins, der aber über eine größere Wellenlänge „verschmiert“ ist (siehe Abbildung), da die Energie so geringer ist. Der Spin des Magnons ist, falls es sich wie im Fall des Ferromagneten um die halbzahligen Spins der Elektronen handelt, deshalb gleich 1 und die Magnonen sind Bosonenanregungen (ganzzahliger Spin).

Bei Ferromagneten ergibt sich im einfachen Modell einer über eine Austauschwechselwirkung J wechselwirkende Spins (Betrag S, Gitterkonstante a) eine Dispersionsrelation (Beziehung zwischen Frequenz und Wellenlänge) für große Wellenlängen (kleine k):

\hbar \omega = 2 J S a^2 k^2 = D k^2\,.

Die Abhängigkeit von der Wellenzahl k ist also (in der Näherung kleiner k) quadratisch. Im allgemeinen ist die Dispersionsrelation richtungsabhängig (anisotrop).

Das lässt sich gut durch inelastische Neutronenstreuung (die Neutronen wechselwirken mit den Spins der Elektronen und Kerne und messen so die Verteilung der magnetischen Momente der Elektronen) beobachten. Zuerst gelang so Brockhouse 1957 der Nachweis von Magnonen[1]. Für D ergibt sich z. B. nach Shirane u. a. ein Wert von 281 meVÅ2 bei Eisen[2]. Auch in Spinwellenresonanz-Experimenten in dünnen Schichten lassen sich Magnon-Anregungen durch hochfrequente magnetische Wechselfelder beobachten[3].

Magnonen wurden zuerst durch Felix Bloch als theoretisches Konzept eingeführt[4]. Er leitete eine Temperaturabhängigkeit der relativen Magnetisierung mit einem Exponenten 3/2 ab, was ebenfalls experimentell bestätigt wurde. Durch die wärmebedingte Erzeugung von Magnonen wird die Magnetisierung abgebaut.

Weitergehende theoretische Behandlung erfuhren Spinwellen in Ferromagneten durch Theodore Holstein und Henry Primakoff[5] sowie Freeman Dyson[6] in den 1940er und 1950er Jahren, die nach ihnen benannte Bosonen-Transformationen einführten.

Im Antiferromagneten, bei dem Magnetisierungen mit entgegengesetzter Ausrichtung auf zwei Untergittern existieren, haben die Magnon-Anregungen eine ganz andere Dispersionsrelation, bei der die Energie wie bei Phononen linear von der Wellenzahl k abhängt.

Da man es bei Ferromagneten mit einer spontan gebrochenen Symmetrie zu tun hat (die Drehsymmetrie ist gebrochen, da eine bestimmte Magnetisierungsrichtung ausgezeichnet ist), kann man Magnonen als die zum Spinzustand zugeordneten Goldstone(quasi)teilchen identifizieren, das heißt Anregungen mit geringer Energie bzw. (nach der Dispersionsrelation) sehr großer Wellenlänge.

1999 wurde erstmals Bose-Einstein-Kondensation in einem Festkörper an Magnonen beobachtet.[7]

Literatur

  • Charles Kittel Einführung in die Festkörperphysik, Oldenbourg Verlag
  • J. Van Kranendonk, J. H. Van Vleck Reviews of Modern Physics Bd. 30, 1958, S. 1
  • F.Keffer in Handbuch der Physik Bd.18–2, 1966

Weblinks

Quelle

  1. B. N. Brockhouse „Scattering of neutrons by spin waves in magnetite“, Physical Review Bd. 106, 1957, S.859 doi:10.1103/PhysRev.106.859
  2. Kittel Einführung in die Festkörperphysik, 5. Auflage 1980, S.553
  3. Kittel, Physical Review Bd.110, 1958
  4. Bloch Zeitschrift für Physik Bd.61, 1930, S.206
  5. T. Holstein, H. Primakoff: Field dependence of the intrinsic domain magnetization of a ferromagnet, Physical Review Bd. 58, 1940, S. 1098, doi:10.1103/PhysRev.58.1098
  6. F. J. Dyson: General theory of spin wave interactions, Physical Review Bd.102, 1956, S.1217, doi:10.1103/PhysRev.102.1217
  7. T. Nikuni, M. Oshikawa, A. Oosawa, and H. Tanaka „Bose Einstein condensation of dilute magnons in Tl Cu Cl3“, Phys. Rev. Lett. 84, 5868 (1999). Radu, Wilhelm, Yushankai, Kovrizhin, Coldea, Tylczynski, Lühmann, Steglich „BEC of Magnons in Cs2 Cu Cl4“, Physical Review Letters Bd.95, 2005, S.127202

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