St. Petrikirche (Chemnitz)

St. Petrikirche (Chemnitz)
Petrikirche Chemnitz
Detailaufnahme der Rückseite

Die Petrikirche ist ein evangelischer Kirchenbau in Chemnitz, der von 1885 bis 1888 nach einem Entwurf des Leipziger Architekten Hans Enger als neugotische Hallenkirche errichtet wurde. Die Kirche grenzt an den Theaterplatz und befindet sich in unmittelbarer Nähe des Opernhauses und der Kunstsammlungen Chemnitz.

Die 1200 Sitzplätze zählende Kirche besteht aus Sand- und Backstein, ist 59 m lang und 36 m breit. Ihre eiserne Dachstuhl-Konstruktion wurde von der Königin-Marien-Hütte gefertigt, die heutigen Turmglocken stammen aus der im Krieg zerstörten Lukaskirche.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zeitgleich mit der St.-Pauli-Gemeinde wurde 1875 die Parochie St. Petri von der Muttergemeinde St. Johannis abgetrennt. Ein eigenes Gotteshaus erhielt die nun eigenständige Gemeinde jedoch erst ein Jahrzehnt später.

Der Rat der Stadt Chemnitz schenkte der Gemeinde am 16. April 1883 ein 1200 m² großes Grundstück auf dem Schillerplatz. Zwei Jahre später, am 23. Juli 1885, erfolgte die Grundsteinlegung, nachdem in einem Wettbewerb aus 58 eingegangenen Entwürfen der des Leipziger Architekten Hans Enger siegreich hervorgegangen war. Am 18. August 1887 wurde das goldene Turmkreuz in 82 m Höhe aufgesetzt und am 1. Dezember desselben Jahres fand die Glockenweihe statt.

Beschreibung

„Das herrliche Portal mit dem großen Relief am Wimperg darüber, das den Spruch: ‚Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid‘ bildlich darstellt und das, wie der übrige Skulpturenschmuck der Kirche, nach den Gipsmodellen des Bildhauers Werner Stein (Leipzig) gefertigt ist, die dem Hauptturm flankierenden Treppentürme, die geschlossenen Querschiffe, die an den Altarraum sich anlehnenden Polygonanbauten für Sakristei und Taufkapelle, die großen, mit flachen Spitzbogen überdeckten Rosettenfenster zur Beleuchtung des Mittelschiffes, das alles vereint sich zu einem harmonischen Gesamtbild und verleiht der St. Petrikirche ein ganz besonders eigenartiges Gepräge.“[1]

Der Innenraum

„Dem entspricht dann auch das prächtige Innere des 1200 Sitzplätze fassenden Gotteshauses. Bis zu 22 Meter erhebt sich in der Vierung das breite Haupt- und Mittelschiff; durch die großen Mosaikfenster strömt das gedämpfte Licht des Tages in den geweihten Raum. In den hochemporstrebenden Spitzbogenfenstern der Apsis leuchten herrliche Glasmalereien, die die Geburt, Kreuzigung und Auferstehung des Herrn darstellen und, wie die Figurenfenster der Taufkapelle, aus dem Atelier der Hofglasmaler Hertel & Lersch in Düsseldorf hervorgegangen sind. Von der farbigen Ausstattung des Altarraumes und seiner Überwölbung heben sich Altar, Kanzel, Taufstein und Lesepult, die in feinem, weisem französischen Kalkstein und in Zöblitzer Serpentinstein gehalten sind, wirkungsvoll ab. Den Altar zieren zwei schöne Reliefs, die Opferung Isaaks und Christus in Gethsemane darstellend; Statuetten der vier Evangelisten schmücken die Kanzel, zwei andere, Luther und Melanchthon, die Orgelempore, alle nach den Entwürfen des Leipziger Bildhauers Werner Stein aus der Meisterhand des Bildhauers Peter Horst (Leipzig) hervorgegangen, während der schöne Taufstein dem Architekten Theodor Roschig (Chemnitz) entstammt.“[1]

Die Orgel

Petrikirche Blick auf Orgel 2008

Die Orgel mit ihren drei Manualen, 57 Registern und 3902 Pfeifen wurde im Jahr 1888 von der Orgelbaufirma Friedrich Ladegast aus Weißenfels gebaut und zusammen mit der Kirche am 18. Oktober 1888 geweiht. Das Instrument wurde im vergangenen Jahrhundert zweimal durch die Dresdner Firma Gebrüder Jehmlich umgebaut.

Während die schöne Orgel den Innenraum mit ihren Klängen erfüllt, war das ehemalige B-Dur-Geläut auch noch in weiter Entfernung zu hören. Die Glocken mit einem Gewicht von 5570 Kilogramm wurden von der Firma G. A. Jauck aus Leipzig gegossen. Der Bau der Kirche kostete insgesamt 700.000 Mark.

Ab Oktober 2007 begann die Restaurierung der Orgel, welche wegen der baulichen Beschaffenheit seit 20 Jahren schwieg. Die Restaurierung wurde mit der Spendenaktion „Eine Königin für Chemnitz“ unterstützt.[2] Am 19. Oktober 2008 zum 120-jährigen Kirchweihjubiläum erklang die Orgel im Rahmen eines Festgottesdienstes erstmals wieder.[3]

I Hauptwerk C–a3

1. Principal 16′
2. Bordun 16′
3. Principal 8′
4. Gemshorn 8′
5. Gamba 8′
6. Flöte 8′
7. Bordun 8′
8. Octave 4′
9. Rohrflöte 4′
10. Gemshorn 4′
11. Doublette II 2′
12. Cornett III-IV 4′
13. Mixtur IV 2′
14. Scharf V 2′
15. Trombone 16′
16. Trompete 8′
II Schwellwerk C–a3
17. Quintatön 16′
18. Principal 8′
19. Rohrflöte 8′
20. Viola d'amour 8′
21. Concertflöte 8′
22. Fugara 8′
23. Octave 4′
24. Gedackt 4′
25. Flauto dolce 4′
26. Quinte 22/3
27. Waldflöte 2′
28. Progressio III-IV 11/3
29. Oboe 8′
III Schwellwerk C–a3
30. Liebl. Gedackt 16′
31. Geigenprincipal 8′
32. Doppelflöte 8′
33. Salcional 8′
34. Aeoline 8′
35. Liebl. Gedackt 8′
36. Vox coelestis 8′
37. Zartflöte 8′
38. Viola 4′
39. Traversflöte 4′
40. Piccolo 2′
41. Terz 13/5
42. Harm. aetherea III 22/3
43. Clarinette 8′
44. Vox humana 8′
Pedal C–f1
45. Majorbass 32′
46. Contrabass 16′
47. Subbass 16′
48. Violonbass 16′
49. Gedacktbass 16′
50. Quintbass 102/3
51. Octavbass 8′
52. Cellobass 8′
53. Flötenbass 8′
54. Octavbass 4′
55. Flötenbass 4′
56. Posaune 16′
57. Trompetenbass 8′
58. Clarine 4′

Die Glocken

Erstes Geläut: b–d′–f′

Glocke II des ehemaligen Bronzegeläutes von G. A. Jauck (Leipzig). Nominal: d'

Das erste Geläut erhielt die St. Petrikirche 1887. Gegosen wurden drei Glocken in der Disposition eines B-Dur-Akkordes: b–d′–f′. Damit verfügte die Kirche über eines der schwersten und klangvoluminösesten Geläute in der Stadt Chemnitz während des Überganges vom 19. zum 20. Jahrhundert. Wie es für G. A. Jaucks Glocken relativ typisch war, besaßen die Bronzeglocken verzierte Vier-Henkel-Kronen und waren mit einer Mittelbohrung für die Aufhängung am Joch ausgestattet. Bisweilen sind keine Photodokumente veröffentlicht, aus denen hervorginge, ob diese Bronzeglocken an geraden oder an gekröpften Jochen geläutet haben. Für die Sicherung der Metallreserve waren während des Zweiten Weltkrieges auch zwei Bronzeglocken von St. Petri abzuliefern. Entgegen dem Regelfall, dass lediglich die kleinste Glocke im Turm hängen bleiben durfte, konnte erreicht werden, dass neben der b-Glocke nun die kleine f′-Glocke statt der mittelgroßen d′-Glocke der Vernichtung entgegen gingen. Somit blieb immerhin eine für die Kirchen- und Turmgröße angemessene tontiefe Glocke zurück:

Glocke II des ehemaligen Bronzegeläutes:

  • Gießer: G. A. Jauck in Leipzig
  • Gussjahr: 1887
  • Nominal: d′
  • Masse: ≈ 1.700 kg
  • Durchmesser: 139 cm
  • Inschrift nach Westen (Frakturbuchstaben) (senkrechter Strich kennzeichnet Zeilenumbruch): „Jeſus Chriſtus, geſtern und heute | und derſelbe auch in Ewigkeit. Hebr. 13.8.“ (Hebr 13,8 LUT)
  • Inschrift nach Osten (Frakturbuchstaben): Gegoſſen | von G. A. Jauck in Leipȝig | im Jahre 1887.
  • Reliëf oberhalb der Inschrift nach Westen: Symbol des Lammes Gottes (Agnus Dei) mit der Siegesfahne
  • Friese:
    • An der Schulter befindet sich ein umlaufender zinnenartiger Fries, worunter sich vier schmale Stege anschließen. Der unterste Steg berührt die Oberseite des darunterliegenden neogotischen Frieses aus kleinen Spitzbögen, welche Maßwerknasen zeigen. Jedes zweite Bogenfeld wird durch ein lateinisches Kreuz mit sich verbreiternden Zuspitzungen an den Balkenenden ausgefüllt. Eine weiteres Band größerer Spitzbögen, die kreuzblumenartig in die jeweils darüber befindlichen kleineren Spitzbögen der nicht mit dem Kreuz ausgefüllten Bogenfelder hineinreichen, befinden sich darunter. Maßwerkformen füllen ebenso die großen Spitzbögen, deren Bogenlager konsolenartig in Blattform auslaufen.
    • Um den Wolm verläuft ebenfalls ein Fries, bestehend aus sich wiederholenden und miteinander verbundenen Ornamentteilen. Diese zeigen jeweils mittig ein Gilgenkreuz, aus dessen nimbusartigem Zentrum nach beiden Seiten Voluten entspringen, die stilisiert Weinlaub und -trauben zeigen. Unterhalb dieses Frieses ziehen sich drei Stege um den Wolm.
  • Heute bildet diese d′-Glocke die Grundlage des vierstimmigen Geläutes der Chemnitzer Schloßkirche, welches in der Disposition d′–f′–g′–b′ ertönt – einem Griesbacher'schen Idealquartett. Als Ruferglocke findet sie zum Beispiel sonntags als Zeichenläuten für den Gottesdienst solistisch Verwendung. Ihre gekröpfte Aufhängung sowie der Gegengewichtsklöppel mindern ihr Klangpotential erheblich: Die Klöppelanschläge sind hart und erzeugen keine optimale Teiltonerregung, wodurch die Glocke »kurzatmig« klingt, das heißt, ihre Abklingdauer ist stark verkürzt. Um das Instrument seinen vollen Klang entfalten zu lassen, muss es an ein gerades (Holz-)joch umgehängt und mit einem fliegenden Klöppel ausgestattet werden. Auch um die Glockenkrone vor Schäden zu bewahren, sollte schnellstmöglich eine Sanierung der Glockenanlage in der Schloßkirche erfolgen.

Zweites Geläut: h–d′–f′

Das Ausmaß der Zerstörung der Lukaskirche (Josephinenplatz) und die politischen Umstände zur Nachkriegszeit ließen einen Wiederaufbau der Kirchenruine nicht zu. Neben verschiedenen erhaltenen Gegenständen übernahm die Petrigemeinde auch das dreistimmige Geläut der Lukaskirche.[4] In diesem Zuge wurde die verbliebene Bronzeglocke von G. A. Jauck der Schloßkirche übergeben. Seitdem läuten in einem Stahlglockenstuhl an geraden Jochen gleichen Materials die drei Stahlglocken, gegossen in Lauchhammer, in der Disposition eines Verminderten Dreiklanges auf h: h–d′–f′. Nach dem Ausbrennen des ehemaligen Lukaskirchturms blieben die Glocken dort, monatelang der Witterung ausgesetzt, hängen. Mit Sicherheit wirkten sich einerseits die Hitze während des Brandes, andererseits die Umwelteinflüsse so negativ auf die Stahlglocken aus, dass ihre Klangqualität im Vergleich zu den heutigen Chemnitzer Kreuzkirchglocken gleichen Gießers erheblich gemindert ist. Ein Austausch der schweren und geschädigten Stahlglocken gegen Bronzeglocken sowie des Stahlglockenstuhles gegen einen aus Holz wird in nicht allzuweiter Ferne notwendig sein.

Literatur

  • Tilo Richter: Der Theaterplatz. Geschichte und Gegenwart in der Mitte von Chemnitz. Herausgegeben vom Verein Sakralbau Petri e.V. und vom Evangelischen Forum Chemnitz, Leipzig 2001, ISBN 3-932900-57-X.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Wilhelm Zöllner: Chemnitz am Ende des XIX. Jahrhunderts. Körner & Lauterbach, Chemnitz 1900. – als Nachdruck: Verlag Heimatland Sachsen, Chemnitz 1999, ISBN 3-910186-30-0, S. 79.
  2. Eine Königin für Chemnitz
  3. Nähere Informationen zur Restaurierung und Disposition der [http(:)//www(.)vleugels(.)de/deutsch/home.htm Jehmlich-Orgel]
  4. Evangelisch-lutherischer Kirchenbezirk Chemnitz (Hrsg.): "Chemnitz. Kirchen – Kapellen – Synagoge". Chemnitzer Verlag, 2009, S. 40.

Weblinks

 Commons: Petrikirche Chemnitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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