Stetig behebbare Definitionslücke

Stetig behebbare Definitionslücke

Die stetig behebbare oder hebbare Definitionslücke tritt unter anderem bei Funktionen der Mathematik auf, die aus der Division einer Funktion durch eine zweite entstehen.

Formal geschrieben sei

 f(x) = \frac{u(x)}{v(x)} .

Prinzipiell können sowohl u(x) als auch v(x) den Wert Null annehmen. Man hat dann folgende drei Situationen:

Eine Definitionslücke kann, je nach dem Verhalten der Zähler- und Nennerfunktion, eine Polstelle oder aber eine stetig ergänzbare Lücke sein (Polstellen können hingegen nicht stetig ergänzt werden).

Anmerkung: Die Ausdrücke stetig behebbar, stetig ergänzbar und stetig fortsetzbar werden gleichbedeutend verwendet. Auch der Ausdruck hebbare Definitionslücke ist geläufig. In der Funktionentheorie spricht man von einer hebbaren Singularität.

Zu beachten ist, dass für f an den Stellen, bei denen der Nenner gleich 0 ist, zunächst eine Lücke im Definitionsbereich angenommen werden muss. Zur Untersuchung der stetigen Fortsetzbarkeit ist daher eine genauere Betrachtung der Umgebung notwendig! So ist z. B. die Funktion f(x) = 1 / x in ihrem gesamten Definitionsbereich D= \mathbb{R}\setminus \{0\} stetig, hat aber an der Stelle 0 eine Definitionslücke, die sich bei genauerer Betrachtung als eine Polstelle herausstellt.

Inhaltsverzeichnis

Definition der stetigen Fortsetzung und der stetigen Fortsetzbarkeit einer Funktion

Gegeben sei eine auf einem Definitionsbereich D definierte reellwertige Funktion  f\colon D \to \mathbb{R} und es sei x0 ein nicht in D liegender Häufungspunkt von D.

Die Funktion \tilde{f}\colon D\cup\{x_0\}\to\R heißt stetige Fortsetzung von f (auf  D \cup\{x_0\} ), falls \tilde{f} auf D mit f übereinstimmt und \tilde{f} in x0 stetig ist.

Existiert eine solche stetige Fortsetzung, so heißt f in x0 stetig fortsetzbar.

Anmerkung: Diese Definitionen lassen sich analog zum Beispiel für komplexwertige Funktionen formulieren.

Eigenschaften

Für eine stetige Fortsetzung muss \tilde{f}(x_0) = \lim_{x\to x_0\atop x\in D}f(x) gelten, es kann also höchstens eine stetige Fortsetzung geben.

Umgekehrt gilt: Falls der Grenzwert \lim_{x\to x_0}f(x) existiert (uneigentliche Grenzwerte, also +\infty oder -\infty, liegen nicht in \R und sind hier auszuschließen), so ist die (abschnittsweise definierte) Funktion

 
 \tilde{f}\colon D \cup \{x_0\} \to \mathbb{R},\,
 x \mapsto 
\begin{cases} f(x)\, & , x \isin D \\ \lim_{x \to x_0} f(x) &, x=x_0 \end{cases}

eine bzw. die stetige Fortsetzung von f (auf  D \cup\{x_0\} ).

Es ergibt sich also als Kriterium: f ist genau dann in x0 stetig fortsetzbar, wenn der Grenzwert \lim_{x\to x_0}f(x) existiert.

Beispiel

Gegeben sei

 f\colon \mathbb{R}_{\geq 0} \setminus \{1\} \to \mathbb{R},\, x \mapsto \frac{\sqrt{x}-1} {x-1}.

Die Funktion f ist in x0 = 1 stetig fortsetzbar:

 \lim_{x \to 1} \frac{\sqrt{x}-1} {x-1} = \lim_{x \to 1} \frac{\sqrt x-1}{(\sqrt{x}+1)(\sqrt x-1)} = \lim_{x \to 1} \frac {1}{\sqrt{x}+1}=\frac 12
 \tilde{f}:\mathbb{R}_{\geq 0} \to \mathbb{R},\, x \mapsto 
\begin{cases} \frac {\sqrt{x}-1}{x-1} & ,x \neq 1 \\ \frac12 &, x=1 \end{cases}.

An diesem Beispiel kann man noch bemerken, dass \tilde{f} auch ohne Fallunterscheidung geschrieben werden kann, es gilt nämlich \tilde{f}(x) = \frac {1}{\sqrt{x}+1} für alle x\ge 0. In anderen Fällen kann es sein, dass die Fallunterscheidung unumgänglich ist. So hat etwa

g\colon \mathbb{R}\setminus\{0\}\to \mathbb{R},\, x\mapsto x\cdot\sin(\tfrac 1x)

die stetige Fortsetzung

 \tilde{g}:\mathbb{R} \to \mathbb{R},\, x \mapsto 
\begin{cases} x\cdot\sin(\tfrac 1x) & ,x \neq 0 \\ 0 &, x=0 \end{cases}.

Spezialfall rationaler Funktionen

Gebrochen rationale Funktionen, deren Nenner und Zähler an derselben Stelle Null werden, können nach dem folgenden Verfahren stetig ergänzt werden.

Solche Funktionen haben die Form

 f(x) = \frac{u(x)}{v(x)} ,

wobei u(x) und v(x) Polynomfunktionen sind.

Da u(x) und v(x) Polynome sind, ist ihr Verhalten an ihren Nullstellen bekannt: Die Nullstellen der Zähler- und Nennerfunktionen lassen sich ausfaktorisieren. Wenn also u(x) und v(x) an der Stelle x0 eine Nullstelle haben, so ist immer

 u(x) = ( x - x_0 )^{N_u} \; s(x)

und

 v(x) = ( x - x_0 )^{N_v} \; t(x)

wobei

 s(x_0) \ne 0  \and  t(x_0) \ne 0 .

Die Terme Nu und Nv bezeichnet man auch als die Ordnung der jeweiligen Nullstelle.

Offensichtlich kann man die gemeinsamen Faktoren der Nullstellen (zumindest für x \ne x_0) kürzen. Das Ergebnis der Kürzung ist der einzige Kandidat für eine stetige Fortsetzung nach x0.

  • Wenn Nu > Nv > 0, dann liegt eine stetig behebbare Definitionslücke vor, wobei der Grenzwert durch 0 gegeben ist.
  • Wenn Nu = Nv > 0, dann liegt eine stetig behebbare Definitionslücke vor, wobei der Grenzwert durch s(x0) / t(x0) gegeben ist.
  • Wenn Nu < Nv, dann liegt eine Polstelle vor.

Beispiel

Die Funktion

 f(x) = \frac{x^3+4x^2+5x+2}{x^3+x^2-x-1} = \frac{(x+1)^2(x+2)}{(x+1)^2(x-1)}

hat für x = − 1 eine Lücke, die sich durch Kürzen mit dem Wert (x + 1)2 beheben lässt, wodurch sich die Funktion

\tilde f (x) = \frac{x+2}{x-1}

als auch bei x = − 1 stetige Fortsetzung ergibt. Es ist wohlgemerkt \tilde f ebenso wie f für x = + 1 undefiniert, dort liegt eine Polstelle vor.

Differenzierbare Funktionen (Regel von L’Hôpital)

Wenn sowohl die Zähler- als auch die Nennerfunktion an der gemeinsamen Nullstelle differenzierbar sind, gilt die folgende Regel von L’Hospital:

 \lim_{x\to x_0} \frac{u(x)}{v(x)} = \left. \frac{u'(x)}{v'(x)} \right|_{x=x_0}

Beispiel

Die Funktion

 f(x) = \frac{\sin(x)}{x}

ist für x = 0 nicht definiert. Anwendung der l'Hospital-Formel (Differenzierung des Sinus ergibt den Kosinus) ergibt

 \lim_{x \to 0} f(x) = \lim_{x \to 0} \frac{\sin(x)}{x}
= \lim_{x \to 0} \frac{\cos(x)}{1} = \lim_{x \to 0} \cos(x) = \cos(0) = 1 .

Die Lücke kann also durch den Wert 1 behoben werden.

Allgemeine Funktionen

Aussagen zu allgemeinen Funktionen sind nicht möglich. Unstetige Funktionen können ein beliebiges Verhalten zeigen und sind individuell zu untersuchen.

Funktion mit Sprungstelle x0

Es kann beispielsweise vorkommen, dass eine Definitionslücke zwei unterschiedliche Grenzwerte (einen linksseitigen und einen rechtsseitigen) besitzt. In diesem Fall hat die Funktion eine Sprungstelle (siehe Bild rechts) und die Definitionslücke ist nicht stetig behebbar, obwohl keine Polstelle vorliegt. Weitere Sorten von nicht-behebbaren Definitionslücken finden sich im Artikel Unstetigkeitsstelle.


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