Sturz im Alter

Sturz im Alter

Der Sturz im Alter wird in der Geriatrie als gesondertes medizinisches Problem betont, weil ungefähr ein Drittel der Menschen über 65 Jahre mindestens einmal pro Jahr stürzt (Alterssyndrom). Etwa 20 % der Folgen dieser Stürze bedürfen medizinischer Betreuung. Der Sturz selbst ist zunächst ein Symptom für ein mögliches Defizit aus unterschiedlichen Ursachen. Diese müssen nicht offensichtlich oder bekannt sein.

Knochenbrüche (Frakturen) treten in weniger als 10 % der Fälle auf, können dann jedoch zu Morbidität über einen sehr langen Zeitraum führen. Stürze sollten Anlass zur Prüfung der Präventionsmöglichkeiten (Sekundärprävention) gegen weitere Stürze sein, die schließlich in Pflegebedürftigkeit münden könnten. Bei wiederholten Stürzen empfiehlt sich ein Geriatrisches Assessment.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Die unterschiedlichen Ursachen für Stürze im Alter können im körperlichen, geistigen Bereich, in der Umgebung oder einer Mischung liegen. Differentialdiagnostisch kommen u. a. in Frage:

Im Wohnbereich tritt der Sturz aus dem Bett nicht so stark in Erscheinung wie im Krankenhaus oder Pflegeheim. Angenommen werden kann eine niedrigere Betthöhe (10-20 cm niedriger als im Spital). Diesen Risikofaktoren will eine ISO-Norm seniorengerechtes Bauen z. B. mit mehr Steckdosen und besserer Beleuchtung in einem Raum vorbeugen.
  • Seh - und Hörbeeinträchtigung

Risikofaktoren

Im Wohnbereich sind als häufige Ursachen für Sturzverletzungen vorzufinden:

  • Glatte und/oder nasse Bodenoberflächen (Fußböden, Fliesen, Treppen etc.),
  • Stürze von Leiter etc.
  • Schlechte Beleuchtung
  • ebenerdige Stolperfallen
    • selbst verlegte Behelfskabel (Stromzufuhr)
    • lose liegende Teppiche
    • abgelegte Gegenstände (Taschen, Müllbeutel usw. z. B. auf einer Treppe), an die nicht mehr gedacht wird.
    • Kein festes Schuhwerk
    • Keine angemessene kleidung(Hosenbein zulang)

Auch Blutdruckabfall kann zu Stürzen führen:

Vor allem aber stürzen viele Menschen auf Treppen. So starben 2005 in Deutschland über tausend Menschen bei Stürzen auf oder an Treppen [1]. Davon betroffen waren 588 Männer und 483 Frauen. Mit 781 Unfällen fand der Großteil davon zu Hause statt. Auch bei den statistisch bekannt gewordenen Unfallursachen von weiteren Verletzungen sind Treppenstürze Spitzenreiter.

Besonders betroffen sind wegen der altersbedingten Einschränkungen ältere Menschen. Über 80 Prozent aller Unfallopfer an Treppen stammen aus den Altersgruppen über 60 Jahre. Bei ihnen ist durch die Osteoporose die Verletzungsgefahr besonders hoch. Wenn ein älterer Mensch stürzt, kommt nach der evtl. Oberschenkelhalsfraktur als weitere Folge die Angst vor Stürzen hinzu, die zum (weiteren) Rückzug aus dem öffentlichen Leben und zu Bewegungsmangel führen kann. Etwa die Hälfte der älteren Sturzpatienten erlangt die alte Beweglichkeit nicht wieder. Andere Folgen können zunächst unerkannt bleibende Hirnblutungen (subdurales Hämatom), Infekte nach Auskühlen oder Rippenserienfrakturen sein.

Häufige bekannte Sturzauslöser sind Gangunsicherheit, Gleichgewichtsstörung (evtl. in Folge einer plötzlichen Blutdruckschwankung), Stolperfallen wie Bodenbeläge oder Untertritte, fehlende Handläufe/Geländer, Fehltritt als Folge einer nicht erkannten Stufengrenze.

Sturz im Krankenhaus

In Krankenhäusern (0,5-3,7 %) und Pflegeeinrichtungen (0,2-3,6 %) kommt der Sturz aus dem Bett am häufigsten vor [2]. Immer häufiger werden hier präventive Maßnahmen ergriffen, um den Sturz aus dem Bett zu vermeiden bzw. um die Folgen zu mindern. Im Verbund mit KK sind hier bei einer gesamtheitlichen Betrachtung sogar ergiebige Sparpotentiale im Gesundheitswesen möglich.

Vereinzelt werden Maßnahmen zur Milderung der Sturzfolgen ergriffen. Besonders wirksam ist hier die Verwendung von speziellen Betten. Dadurch können sich die Patienten sicherer fühlen wenn sie im Spitalbett liegen und ebenfalls das Ein- und Aussteigen sicherer wird. Dies wird z. B. erreicht mit verschiedenen neuartigen Teilabgrenzungen statt Vollgitter. Hinzu kommen sogenannte Niederflureigenschaften. Diese Betten können z. T. bis auf 20–25 cm abgesenkt werden ohne die Pflegehöhe von bis zu 90 cm zu verlieren, um die Sturzgefahren zu minimieren. Normale Spital- oder Pflegebetten liegen hier mit 55 bis 95 cm meist sogar über der Standardhöhe für die Untergrenze (die aus ergonomischen Gründen zur Erleichterung von Pflegemaßnahmen sinnvoll ist, aber nicht der Sturzgefahr von gefährdeten Patienten gerecht wird), wodurch besonders die „Problempatienten“ die Bodenhaftung verlieren, was sehr oft die Ursache für kritische Betten-Stürze ist. Moderne Spital- und Pflegebetten berücksichtigen die Anforderungen der Patienten (Sicherheit, Komfort einschließlich Unterflureigenschaften), der Pflegenden (ergonomische Pflege) und des Reinigungsteams (Bodenfreiheit).

In beiden Fällen (Spital/Pflegeeinrichtung und Wohnbereich) werden zur Sturzprävention immer häufiger auch sogenannte Hüftprotektoren (Kleidungsstücke mit Schutzpolstern) eingesetzt, die bei konsequenter Anwendung hohe Vermeidungswirkungen mitbringen. Da sie dauernd getragen werden sollten, bringen sie bei einigen Patientengruppen, wie z.B. bei inkontinenten oder dementen Menschen aber auch Probleme mit sich.

Oberschenkelhalsbruch

Bei den durch Stürze im Alter entstehenden Verletzungen spielt die Schenkelhalsfraktur („Oberschenkelhalsbruch“) eine große Rolle. Die Anzahl dieser Verletzungen steigt mit dem Alter der Personen an. Mögliche Morbiditätsfolgen (Krankheitshäufigkeiten) sind Operationen, Hüftkopfnekrosen, Thrombosen, Embolien, Infektionen, Einschränkung der Mobilität und eine eingeschränkte Kognition. Häufig benötigen die Patienten hinterher Pflege, 50 % zeitlich begrenzt, 20-30 % ständig und 19 % sind auf ein Pflegeheim angewiesen. Die Mortalität (Todesrate) solcher Fälle mit Schenkelhalsfrakturen liegt im ersten Jahr bei 12-24 % [2]

Folgekosten durch Oberschenkelhalsbruch

  • Behandlung (Die Kosten nur für die Operation und den Spitalaufenthalt)

- 1997 Schweiz, ca. 21.000 SFr bzw. 17.000 DM oder 8.500 €.[3] - 1996 Deutschland, ca. 20.000 € pro Fall, gesamt 2,6 Mio €.[4] - 2006 Deutschland, ca. 33.000 € (geschätzt)

  • Reha-Maßnahmen

- 2005, geschätzte Mindest-Kosten: 30Tg x 210 € = zirka 6.300 €

  • Betreuung, Pflege,
  • Einbuße von Lebensqualität

- Mobilität, Angst vor weiteren Stürzen, kürzere Lebenserwartung (sind zwar gravierend, aber finanziell nicht direkt belegbar).

Diese Kosten lassen sich durch Präventionsmaßnahmen wirksam eindämmen.

Prophylaxe, pflegerische Prävention

Zunächst geht es um eine Bestandsaufnahme von Sturzereignissen, auch von nur „Fast-Stürzen“. Dies soll eine Abschätzung des Gewichts der einzelnen Risikofaktoren ermöglichen.

Teilweise können diese altersbedingten Schwächen durch Behandlungen wie Muskel- und Bewegungstraining sowie Gleichgewichtsübungen rückgängig gemacht werden. Sehr hilfreich ist auch das Training im Umgang und Gehen mit dem Rollator zum Muskelerhalt bzw. -aufbau. Schmerzen in den Gelenken oder dem Rücken machen den kurzen Weg vom Sitzen zum Stehen für viele Menschen zur Tortur. Dies und die Sorge vor einem Sturz führen zum häufigeren Sitzenbleiben. Damit wird das nächste Aufstehen aber noch beschwerlicher und es besteht die Gefahr, immer unbeweglicher zu werden. Denn der menschliche Bewegungsapparat (Nerven, Muskeln, Knochen und Gelenke) braucht ein bestimmtes Maß an Bewegung, um sich zu regenerieren. Zur Erleichterung des Aufstehens und um den Prozess sicherer zu machen gibt es Aufstehhilfen wie zum Beispiel den Katapultsitz oder den LYFTY.

Wichtig ist außerdem die Suche nach so genannten Sturzfallen im häuslichen Umfeld. Diese sind zu beseitigen, die Wege gut auszuleuchten sowie ausreichende Haltemöglichkeiten dabei anzubieten. An Treppen sollen auf beiden Seiten griffige Handläufe angebracht werden.

Nur in Ausnahmefällen können „Bettgitter“ und in extremen Fällen unzureichender Einsicht des alten Menschen ein Fixieren im Bett bis zur Erreichung anderer Präventionsmöglichkeiten sein, um schwerwiegende Verletzungen zu verhindern. Diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist medizinisch ausdrücklich zu begründen und zu dokumentieren und kann nur einmalig bei Gefahr im Verzug zunächst ohne Absprache mit dem amtlichen Betreuer bzw. den Angehörigen erfolgen. Wiederholte Anwendung erfordert als freiheitseinschränkende Maßnahme eine richterliche Genehmigung. Bei zustimmungsfähigen Personen ist darauf zu dringen, dass die Maßnahmen und diese Zustimmung dazu regelmäßig überprüft wird.

Metaanalysen deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit von Hüftprotektoren zur Vermeidung von Oberschenkelhalsfrakturen, die durch Sturz auf die Hüfte verursacht werden, nicht so stark ist wie ursprünglich erwartet[5]. Zudem wird durch sie auch die Ursache des Stürzens nicht behandelt.

Siehe auch

Literatur

  • Clemens Becker, Ulrich Rißmann, Ulrich Lindemann: Sturzprophylaxe. Sturzgefährdung und Sturzverhütung in Heimen. 99 Seiten. Verlag Vincentz, Hannover. 2. A. - 2006. ISBN 3-87870-131-4
  • Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege, einschl. Kommentierung und Literaturanalyse, ISBN 3-00-015082-X, 107 Seiten, 2005.
  • Hugo Fischer, Barbara Weißgerber: Treppen - funktionell, nutzerfreundlich, sicher. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund, 2006. ISBN 3-88261-522-2, [1]
  • Walburga Köppl, Inge Eberl: Sicherheit mit System. Pflegerisches Risikomanagement. In: Die Schwester - Der Pfleger, 45, Ausgabe 5/2005 (Zur Anwendung des vorgenannten Expertenstandards)
  • Gabriele Meyer, Gabriele Schlömer, Andrea Warnke: Sturz- und Frakturprävention in der Altenhilfe. Evidenz-basierte pflegerische Versorgung im Pflegealltag. 105 Seiten. Verlag Kohlhammer, Stuttgart; 2004. ISBN 3-17-017878-4
  • Rein Tideiksaar: Stürze und Sturzprävention. 208 Seiten. Verlag Huber, Bern. 1999. ISBN 3-456-83269-9
  • Adriano Pierobon, Manfred Funk: Sturzprävention bei älteren Menschen, Georg Thieme Verlag, 2007, 120 Seiten und DVD, ISBN 978-3-13-143761-7

Einzelnachweise

  1. laut dem statistischen Bundesamt
  2. a b Stürze im Alter – Häufigkeit, Folgen, Ursachen, und Prävention.
  3. BFU Schweiz, Das Unfallgeschehen bei Senioren ab 65 Jahren
  4. IZG Uni Erlangen
  5. Hoffmann Falk. Sturzprävention: Hüftprotektoren. Dtsch Arztebl 2005; 102(42)
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