Absturz (Unfall)

Absturz (Unfall)
DIN 4844-2 W015 Warnung vor Absturzgefahr
Vorstiegsturz beim Klettern

Ein Absturz ist ein Unfall, der im Gegensatz zum Sturz/Stolpern und Ausgleiten/-rutschen durch einen Fall aus einer erhöhten Position zustande kommt.

Inhaltsverzeichnis

Auftreten

Absturzunfälle treten beispielsweise auf

Bei einem absichtlich herbeigeführten Absturz der eigenen Person in selbstmörderischer Absicht handelt es sich nicht um einen Unfall im engeren Sinn.

Folgen

Bereits ein Sturz aus geringen Höhen, z. B. von einer Leiter kann zu schwersten Verletzungen führen. Stürze aus geringen Höhen erlauben meist kein Abfangen mit den Gliedmaßen, so dass es hier oft zu schweren Verletzungen kommt.

Die Folgen sind von sehr vielen Faktoren abhängig, beispielsweise

  • der Absturzhöhe
  • auftreffende Körperteile
  • der Auftrefffläche (ein Auftreffen auf Steinen wird schwerere Verletzungen zur Folge haben, als Sturz in Pulverschnee)
  • Hindernissen im Verlauf der Flugbahn; der Sturz auf ein herausstehendes Objekt, wie z. B. ein Armierungseisen kann auch auf ebener Erde tödlich ausgehen
  • dem Verhalten des Abstürzenden; die Verletzungsschwere ist bei Bewusstlosigkeit oder „Akzeptieren des Unvermeidlichen“ wegen des geringen Muskeltonus oft geringer
  • die Körperstatur (Kleinstkinder überleben oft Stürze auch aus größeren Höhen, Katzen sind in der Lage, sich in der Luft zu drehen und mit den Gliedmaßen aufzufangen)
  • Alter (bes. die mit dem Alter spröder werdende Knochenstruktur)
  • die Bergungsmöglichkeiten (Folgeschäden sind beim Bergsteigen z. B. durch Kälte oder Hängen im Seil zu befürchten)

Abschätzung

Physikalisch lassen sich die Folgen eines Sturzes abschätzen, wenn man die Größe der Erdbeschleunigung (g = 9,81 m/s2), und der Abbremsung kennt (negative Beschleunigung a). Übersteigt die Abbremsung etwa die 10-fache Erdbeschleunigung g, wirken so starke Kräfte auf den Körper ein, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schweren inneren Verletzungen kommt.

Aus den Fallgesetzen (s: Weg, t: Zeit):

s = \tfrac a 2 \cdot t^2
v = a \cdot t

lassen sich Geschwindigkeit, Bremszeit, Bremsweg und Verzögerung bestimmen.

Die Fallgeschwindigkeit wird vom Luftwiderstand beeinflusst und steigt nicht über einen Maximalwert von etwa 200 km/h (≈55 m/s), der ab 145 Metern Fallhöhe erreicht wird.[1] Um die maximale Verzögerung von 10 g nicht zu überschreiten, ist bei geringeren Geschwindigkeiten mindestens ein Bremsweg von s = h/10 und entsprechende Bremszeit erforderlich.

Werte bei Maximalverzögerung
Höhe [m] Geschwindigkeit [km/h] Bremsweg [m] Bremszeit [s] Beispiel
1 15,8 0,1 0,05
2 22,7 0,2 0,06
3 27,7 0,3 0,08
4 32,4 0,4 0,09
5 35,6 0,5 0,1
6 39,2 0,6 0,11
10 50,4 1,0 0,14 Sprung vom 10m-Turm
20 71,3 2 0,2
200 226 20 0,64
1000 250 25 0,7

Die Bremswirkung kann erreicht werden durch:

  • Abfedern
    • durch ein elastisches Kletterseil. Ein Sturz wäre tödlich, wenn man nach wenigen Metern schlagartig vom Halteseil abgebremst würde. Um einen Normsturz aus ca. 4 m Höhe zu überleben, bedarf es einer Verzögerungsstrecke von mindestens 40 cm, wenn die Verzögerung 10 g nicht übersteigen soll. Moderne Kletterseile besitzen deshalb eine Dehnfähigkeit unter hoher Last von mindestens 9 %.
    • mit den Beinen und Abrollen. Mit Übung ist ein Sprung aus 2 m Höhe gefahrlos zu meistern. Abfedern mit Füßen und Beinen und ein Abrollen ermöglichen eine Bremsstrecke von mehr als 50 cm. Ein Stuntman übersteht durch entsprechendes Training auch größere Höhen.
    • in einer Knautschzone. Einen Frontalzusammenstoß mit dem PKW bei 50 km/h, entsprechend einem Sprung aus 10 m Höhe, kann man überleben, wenn sich die Knautschzone um mehr als 1 m zusammenschiebt.
  • Reibung
    • Bodenreibung. Beim Sturz mit dem Fahrrad entstehen Schürfverletzungen durch Rutschen auf dem Asphalt. Wenn die Strecke bis zum nächsten Laternenpfahl genügend lang ist, können schlimmere Verletzungen vermieden werden.
    • Wasserwiderstand. Ein Sprung aus 10 m Höhe in ein Schwimmbecken erfordert eine Wassertiefe von mindestens 1 m. Berichte, dass auch 70 cm ausreichen würden, beruhen möglicherweise darauf, dass der Beckenboden zusätzlich um mindestens 30 cm abfedert.
    • Luftwiderstand. Ein Fallschirm vergrößert diesen, ein Regenschirm kaum.

Ein ungebremster Fall aus 2 m Höhe auf den Kopf ist tödlich. Der erforderliche Bremsweg von 20 cm entspricht mehr als dem halben Kopfdurchmesser. Um einen Fall aus großer Höhe zu überleben, muss eine gleichmäßige Abbremsung über mindestens 25 m möglich sein. → siehe auch Kuriosa.

Verletzungen

Die Verletzungen können sich je nach Absturzhöhe auf nahezu alle Organe beziehen. Tödliche Unfälle passieren am häufigsten bei Höhen von weniger als 10 Metern oder mehr als 25 Metern, da diese Stürze meist mit einem Fall auf dem Kopf enden. Da man instinktiv versucht, mit den Füßen zuerst aufzukommen, erfolgen meist Frakturen von Sprunggelenk, Knie, Beinen, Wirbelsäule und Becken. Etwa 75 Prozent der Opfer sterben in den ersten Sekunden nach dem Aufprall.[1] Besonders kritisch sind:

Daneben kommt es i.d.R. zu weiteren Verletzungen, wie

Eine Analyse von 100 Suizidfällen an der Golden Gate Bridge in San Francisco (75 Meter, Aufprallgeschwindigkeit 120 km/h) ergab zahlreiche Todesursachen: Lungenquetschungen, kollabierte Lungen, explodierte Herzen und eine von Rippen durchbohrte Hauptschlagader oder Hohlvene.[1]

Schutz vor Absturz

Absturzgefahr

Der beste Schutz gegen Absturz ist, sich nicht auf hochgelegene Flächen zu begeben, von denen man abstürzen könnte. Ist dies nicht möglich, wird die Absturzkante mit einem geeigneten Geländer geschützt. Wenn man sich zwangsläufig in absturzgefährdeten Bereichen bewegen muss, nutzt man in der Regel Kletter- oder Auffanggurte in Verbindung mit dynamischen Seilen und gegebenenfalls Falldämpfern.

Wenn mit einem Absturz in ein Seil zu rechnen ist, muss außerdem eine rasche Bergung möglich sein, da es bei längerem Hängen im Seil zu Kreislaufzusammenbruch und gegebenenfalls Tod kommen kann.

Es werden Rettungsgeschirre genutzt, wenn sich Personen aus eigener Kraft nicht mehr retten können (z. B. Arbeiten in Behältern).

Die Folgen von Abstürzen aus geringen Höhen für besonders kritische Körperteile lassen sich durch Protektoren (Wirbelsäule, Knie und Ellenbogen) und Helme zumindest reduzieren.

Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz

Es stehen zwei Schutzausrüstungen zur Auswahl:

  • das Haltesystem, bestehend aus Haltegurt, Verbindungsmittel und Anschlagpunkt und
  • das Auffangsystem, bestehend aus Auffanggurt, Verbindungsmittel, Falldämpfer und Anschlagpunkt.

Wenn andere technische Maßnahmen gegen Absturz nicht möglich sind, muss Sicherheitsgeschirr eingesetzt werden. Dazu zählen:

  • Auffanggurte (bestehend aus mehreren Gurten vom Oberschenkel zur Schulter mit rückseitiger oder vorderseitiger Fangöse)
  • Haltegurte (straffe Halteseile, nicht als Auffangsystem geeignet, Beschäftigte sollen von einer Absturzkante fern gehalten werden)
  • Feuerwehr-Sicherheitsgurte
  • Verbindungsmittel (Sicherheitsseile, Fangleinen, Halteriemen)
  • Sonstige Geräte, wie z. B. Falldämpfer, Steigschutz oder Abseilgeräte

Kuriosa

Den Rekord für die größte überlebte Absturzhöhe hält Vesna Vulović. Sie überlebte am 26. Januar 1972 angeblich einen Sturz aus 10.160 Metern Höhe.

Am 7. Dezember 2007 sind in New York zwei Fensterputzer, Alcides und Edgar Moreno, vom 47. Stock in etwa 144 Meter Höhe mit dem Gerüst abgestürzt. Während Edgar Moreno augenblicklich starb, überlebte sein Bruder mit schweren Verletzungen.[2]

Siehe auch

Normen

Berufsgenossenschaftliche Vorschriften

  • Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften“ BGV A 1 (bisherige VBG 1) § 33 Abs. 3
  • Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“ BGV C 22 (bisherige VBG 37) § 12 Abs. 3
  • Regeln für den Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz BGR 198 (bisherige ZH 1/709)
  • Regeln für den Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen zum Halten und Retten BGR 199 (bisherige ZH 1/710)

Quellen

  1. a b c Zeit Wissen, Oktober/November 2008, S. 87
  2. New York: Fensterputzer überlebt Sturz aus 47. Stock. In: diepresse.com. 10.Dezember 2007, abgerufen am 30. Januar 2010.

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