Subalternität

Subalternität

Subalternität (lat. subalternus „untergeordnet“, „von niedrigerem Rang“) ist ein in der gehobenen Umgangssprache ungebräuchlich werdendes Wort, das abwertend Unterwürfigkeit und Untertänigkeit oder mit weniger abwertender Konnotation eine Untergeordnetheit und Unselbstständigkeit bedeutet.

Subalternität bei Gramsci

Im von den herkömmlichen Bedeutungen abweichenden sozial- und kulturwissenschaftlichen Sinn ist Subalternität als Übersetzung aus dem Italienischen ein Begriff, den Antonio Gramsci zur Beschreibung gesellschaftlicher Gruppen geprägt hat, denen der Zugang zu hegemonialen Teilen der Gesellschaft verschlossen ist. Subalterne Gesellschaftsschichten sind nach Gramsci durch hegemoniale Strukturen und die Herrschaftsausübung anderer Gesellschaftsteile stark eingeschränkt in ihren Möglichkeiten, sich ihrer politischen Interessen und ihrer potentiellen politischen Stärke bewusst zu werden und sich politisch und öffentlich zu artikulieren. Beispiele Gramscis für subalterne Teile von Gesellschaften sind die Sklaven im antiken Rom und Kleinbauern und Arbeiter in kapitalistischen Gesellschaften zu Lebzeiten Gramscis. Die Subalternität gründet sich entsprechend gramscianischem Verständnis nicht nur auf direkte Gewaltausübung, sondern vor allem auf die ökonomisch begründete zivilgesellschaftliche Hegemonie, die sich der zivilgesellschaftlichen Kommunikation und ihrer (zumeist versteckten) Kontrolle durch die Herrschenden bedient.

Der Begriff wurde von der Subaltern Studies Group, einer Gruppe südasiatischer Historiker, in den 1980er Jahren aufgegriffen. In einer Kritik von Gayatri Chakravorty Spivak an dieser Gruppe in ihrem Essay Can the Subaltern Speak? grenzte sie den Begriff gegenüber naturalisierenden Vorstellungen ab und stellte fest, dass Subalternität ein Ergebnis von hegemonialen Diskursen ist und durch die Praxis der sozialen Ausgrenzung (Exklusion) gesellschaftlich hergestellt wird. Mit dieser Definition von Subalternität als sozialem Konstrukt wird der Begriff häufig in den Forschungen zum Postkolonialismus verwendet.

Literatur

  • Partha Chatterjee: A Brief History of Subaltern Studies. In: Budde, Gunilla / Conrad, Sebastian / Janz, Oliver (Hrsg.): Transnationale Geschichte: Themen, Tendenzen und Theorien. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 978-3-525-36736-0 (Rezension [1]).
  • Nikita Dhawan: Can the Subaltern Speak German? And Other Risky Questions. Migrant Hybridism versus Subalternity - http://translate.eipcp.net/strands/03/dhawan-strands01en
  • Antonio Gramsci, Gefängnishefte, 10 Bde., hrsg. von Klaus Bochmann/Wolfgang Fritz Haug, Argument Verlag, Hamburg/Berlin
  • Ileana Rodríguez: The Latin American subaltern studies reader. Duke Univ. Press, North Carolina 2001, ISBN 0-8223-2712-0.
  • Gayatri Chakravorty Spivak: Can the Subaltern speak?, Wien 2007, Turia & Kant
  • Hito Steyerl; Encarnación Gutiérrez Rodriguez (Hrsg.): Spricht die Subalterne deutsch? - Migration und postkoloniale Kritik. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-425-6.

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