Subharchord

Subharchord

Das Subharchord ist ein elektronisches Musikinstrument, welches insbesondere Untertöne (Subharmonische) in die Klangerzeugung einbezieht.

Subharchord II (1968)
Subharchord.jpg

Der damals neuartige elektronische Klang- und Geräuscherzeuger wurde auf Initiative von Gerhard Steinke, vormals Direktor im (ehemaligen) Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamt (RFZ) Berlin-Adlershof, von einem Team um Ernst Schreiber in den Jahren 1959 bis 1968 speziell für den Einsatz in Studios für experimentelle bzw. elektroakustische Musik sowie für den Einsatz in Rundfunk-, Film- und Fernsehstudios entwickelt.

Gegenwärtig existieren von den etwa sieben hergestellten Instrumenten noch der 2005 restaurierte und spielfähige Prototyp in der Akademie der Künste zu Berlin, ferner das 2007 wiederhergestellte Seriengerät Nr. 2/68 im Hörspiel-Produktionskomplex 2, Funkhaus Berlin-Nalepastraße sowie das 2008 wieder funktionsfähig gemachte Seriengerät des Slowakischen Rundfunks in Bratislava. Letzteres bereicherte die Ausstellung „Zauberhafte Klangmaschinen“ vom Institut für Medienarchäologie (IMA) in Hainburg bei Wien; es steht nun im Technischen Museum Wien in einem Ausstellungsteil zu Synthesizern. Ein weiteres Seriengerät befindet sich im Ringve-Museum in Trondheim. Die Wiederentdeckung des in den 1970er-, -80er und -90er Jahren weitgehend vergessenen Instrumentes ist den Aktivitäten des Berliner Künstlers und Musikers Manfred Miersch zu verdanken.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsmerkmale

Das Subharchord verbindet Grundideen des Trautoniums von Friedrich Trautwein und Oskar Sala mit neuartigen elektronischen Klangbausteinen. Das Subharchord ist eine konsequente und moderne Weiterentwicklung dieser Ideen. Neben einer Melodiestimme, die mittels subtraktiver Klangformung aus obertonreichen Kippschwingungen in sägezahn- oder rechteckförmiger Wellenform über Filter unterschiedlicher Charakteristiken vielfältig variierbar ist, können bis zu vier subharmonische Untertöne in den Teilungsverhältnissen ½ bis 1/29 erzeugt und zu einer mehrstimmigen Mixtur beliebig für neuartige Klangstrukturen kombiniert werden. Sie inspirierten zum Namen „Subharchord“. Die subharmonische Frequenzreihe ist das intervallgetreue Spiegelbild der bei natürlichen, konventionellen Klängen vorzufindenden Obertonreihe. Sie wurde bereits in den 1930er Jahren von Friedrich Trautwein gefunden und im bekannten Mixtur-Trautonium von Oskar Sala 1952 erstmals realisiert.

Neuartig waren seinerzeit auch die Lösungen für druckabhängige Lautstärkeregelung zur freien Gestaltung des Toneinsatzes sowie die Verdichtung der Klänge durch einen speziellen Chormodulator sowie andere Bearbeitungsstufen. Ein besonderes Merkmal des Subharchords ist das erstmals in einem elektronischen Instrument realisierte Klangfarbenspiel, das auf einem separaten Manual mittels spezifischer Filter nach der Mel-Tonhöhenskala in vom Komponisten Josef Anton Riedl (seinerzeit im Siemens-Studio München) erprobten 14 Frequenzbandbreiten möglich ist.

Das Subharchord war im Hinblick auf einfachste Spielbarkeit und Bedienung zunächst mit einem Tastenmanual (Klaviatur) im Umfang über drei Oktaven ausgestattet worden. Durch geeignete Frequenzteilung und Wahl der Einstellungen steht ein Tonumfang von über zehn Oktaven zur Verfügung. Mit einer Abklingeinrichtung können Dauertöne in Zupf- bzw. Schlagklänge verwandelt werden. Die Dauer des Abklingvorganges und die Steilheit der Abklingkurve sind regelbar. Die Klänge können ferner mittels einer Rhythmisierungseinrichtung in staccato-ähnliche Kurztöne verändert werden. Weitere interessante Klang- und Geräuschstrukturen können mittels Ringmodulator durch Modulation von Sinustönen oder Rauschen über die Klaviatur oder Glissandoregelung erzielt werden. Nach der geplanten Erweiterung um ein zweites Tastenmanual für zusätzliche additive Klangsynthese (Oberton-Mixtur) und ein Bandmanual für eine nicht-temperierte gleitende Tonskala sowie mittels geeigneter Steuerungsmöglichkeiten sollte es auch als Konzertinstrument im Zusammenspiel mit konventionellen Musikinstrumenten und Orchestern eingesetzt werden. Diese Vorhaben waren aber nicht mehr realisierbar.

Entwicklung und Fertigung mussten 1969 aufgrund der seinerzeitigen „musikpolitischen Bedingungen“ in der DDR eingestellt werden. Das Labor für Akustisch-Musikalische Grenzgebiete, das von Gerhard Steinke bereits 1956 eingerichtet worden war, widmete sich jedoch weiterhin den Problemen der Tonstudiotechnologie im Rahmen der Neustruktur im RFZ und auch nach dessen späterer Übernahme durch die Deutsche Telekom. Der Markenname Subharchord ist für Gerhard Steinke rechtlich geschützt.

Verwendung

Eingesetzt wurde das Subharchord im eigenen Experimentalstudio des RFZ zur Aufnahme experimenteller Musik, u. a. mit Sinfonieorchester, für Rundfunk und Fernsehen sowie für Hörspiele. Die Komponisten Addy Kurth und Karl-Ernst Sasse nutzten das Subharchord im (ehemaligen) Trickfilmstudio Dresden für eigene Kompositionen zur Vertonung von Animationen. Zu den Komponisten, die für das Subharchord komponierten, gehörten u. a. Siegfried Matthus, Hans-Hendrik Wehding, Bernd Wefelmeyer, Tilo Medek, Wolfgang Hohensee, Paul-Heinz Dittrich, Frederic Rzewski. Mit zahlreichen Studios für elektronische Musik in aller Welt und den dort tätigen Komponisten (u. a. Luigi Nono, Bruno Maderna, Henk Badings, Herbert Eimert, Elliot Crater, Franco Evangelisti, Lejaren Hiller u. v. a.) hatte das Adlershofer Studio regen Kontakt und Bandaustausch. Die Akademie der Künste in Berlin, insbesondere die Komponisten Kurt Schwaen und Paul Dessau, später auch Georg Katzer, unterstützen die Arbeiten des Studios und organisierten öffentliche Veranstaltungen.

Beispiele

  • Subharmonische Mixturen mit dem Subharchord (Vinyl-EP, Krautopia-Records, 2003/4)
  • Der Krautopia Sampler (CD mit historischen und neuen Klangbeispielen, Krautopia-Records, 2003)
  • Siegfried Matthus: Galilei, Bernd Wefelmeyer: Protest, Paul-Heinz Dittrich: Kammermusik 2 (Schallplatte, Nova; 1966)
  • Addy Kurth: Der faule Zauberer (Kinderhörspiel)
  • VEB Deutsche Schallplatten: Experimentelle Musik (Schallplatte mit Kompositionen und Klangbeispielen, Eterna 720205; 1963/64)
  • Südöstlich des Mondes (Kinderhörspiel mit Musik von H. Höpfner; 1963)
  • Collegium Musicum (Slowakische Gruppe mit Marian Varga am Subharchord, verschiedene LPs, auch CDs; 1970er-Jahre)
  • Filmmusik zu Signale – Ein Weltraumabenteuer (Komponist: Karl-Ernst Sasse, 1923–2006; 1970)

Literatur

  • Manfred Miersch: Subharchord. Die Geschichte des Klangerzeugers „SUBHARCHORD“. (4 Teile, veröffentlicht im Magazin Keyboards in den Ausgaben 8/03 – 11/03)
  • Manfred Miersch: Der Kampf um die Klänge. Die Wiederentdeckung des einzigartigen elektronischen Instrumentes Subharchord (bebildert) In: Forum Musikbibliothek, 26. Jahrgang, 2005/2.
  • Gerhard Steinke: Das Studio für künstliche Klang- und Geräuscherzeugung Berlin-Adlershof. In: DecimE-Mitteilungen 10/1993, Deutsche Sektion d. Internat. Ges. f. Elektroakustische Musik.
  • Gerhard Steinke: Nach 40 Jahren: Wiedergeburt des Klangerzeugers „Subharchord“. In: VDT-Magazin (Verband Deutscher Tonmeister), 2005, Heft 4, S.32–35.
  • Gerhard Steinke: Nach 40 Jahren; Die wundersame Wiedergeburt des Klangerzeugers Subharchord. In: Keyboards, Heft 1/2008, S. 90–91.

Weblinks

  • www.subharchord.com – nichtkommerzielle Subharchord-Website von Manfred Miersch (mit Geschichte, Bildern und Klangbeispielen)
  • www.tmw.at – Technisches Museum in Wien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Subharchord — The Subharchord is a German electronic musical instrument.HistoryIn 1950s Germany, in the wake of musique concrète, the first fully electronic compositions were written. During this period many countries established electronic music studios to… …   Wikipedia

  • Gerätebau Hempel - HELI — Signet HELIRADIO, entstanden 1960 Gerätebau Hempel „HELIRADIO“ war ein Hersteller von Radiogeräten in der DDR. Firmensitz von HELI war Limbach Oberfrohna, was auch im Firmennamen reflektiert wird: HEmpel LImbach RADIO. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • Gerätebau Hempel „HELIRADIO“ — Signet HELIRADIO, entstanden 1960 Gerätebau Hempel „HELIRADIO“ war ein Hersteller von Radiogeräten in der DDR. Firmensitz von HELI war Limbach Oberfrohna, was auch im Firmennamen reflektiert wird: HEmpel LImbach RADIO. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • HELIRADIO - Gerätebau Hempel KG Limbach-Oberfrohna — Signet HELIRADIO, entstanden 1960 Gerätebau Hempel „HELIRADIO“ war ein Hersteller von Radiogeräten in der DDR. Firmensitz von HELI war Limbach Oberfrohna, was auch im Firmennamen reflektiert wird: HEmpel LImbach RADIO. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • Heli Gerätebau Hempel — Signet HELIRADIO, entstanden 1960 Gerätebau Hempel „HELIRADIO“ war ein Hersteller von Radiogeräten in der DDR. Firmensitz von HELI war Limbach Oberfrohna, was auch im Firmennamen reflektiert wird: HEmpel LImbach RADIO. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • HELIRADIO — Gerätebau Hempel KG Rechtsform KG Gründung 1. April 1950 Auflösung 30. Juli 1993 …   Deutsch Wikipedia

  • Dumpfheit — Die Artikel Teilton und Oberton überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen Baustein erst nach… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Musikinstrumente — Siehe auch: Portal:Musik, Instrumentenkunde, Liste der mechanischen Musikinstrumente, Hornbostel Sachs Systematik, Liste traditioneller chinesischer Musikinstrumente, Liste der Musikinstrumentenkürzel A Adiaphon Aelodicon Aeoline Aeolsharfe… …   Deutsch Wikipedia

  • Mixtur-Trautonium — Mixturtrautonium im Deutschen Museum Bonn Das Trautonium, benannt nach seinem Erbauer Friedrich Trautwein (* 1888, † 1956), ist als elektronisches Musikinstrument ein Vorläufer der heutigen Synthesizer. Das Trautonium wurde auf dem Berliner Fest… …   Deutsch Wikipedia

  • Mixturtrautonium — im Deutschen Museum Bonn Das Trautonium, benannt nach seinem Erbauer Friedrich Trautwein (* 1888, † 1956), ist als elektronisches Musikinstrument ein Vorläufer der heutigen Synthesizer. Das Trautonium wurde auf dem Berliner Fest Neue Musik 1930… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”