Sándor Jószi

Sándor Jószi

Dajos Béla (* 19. Dezember 1897 in Kiew, Russisches Reich (heute Ukraine); † 5. Dezember 1978 in La Falda, Argentinien; eigentlich Leo(n) Golzmann, als Künstlername auch Sándor Jószi), war ein russischer Geiger und Tanzkapellenleiter.

Aufnahme mit Dajos Béla bei Odeon

Leon Golzmann wurde als Sohn eines Russen und einer Ungarin geboren. Er erlernte, gleichwohl er Anwalt werden wollte, das Violinspiel und trat bereits mit 9 Jahren bei einem Konzert in Kiew auf. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg 1914–18; danach studierte er in Moskau bei Prof. Michajl Press und in Berlin bei Prof. Issay Barmas Violine. Zum Broterwerb spielte er in kleinen Lokalen im Norden Berlins; nach Orel Mikes bekam er dort seinen Künstlernamen „Dajos Béla“ von einem Musikerkollegen, der an Rauschgift gestorben war, „vererbt“. Es ist aber wahrscheinlicher, dass Dajos der Geburtsname von Bélas Mutter war, die starb, als er noch ein Kind war. Die Firma Carl Lindström AG, bei der er ab 1920 Schallplatten aufnahm (Marken: Odeon, Parlophon und Beka), verlangte einen ungarischen Künstlernamen: viele Schallplattenkünstler der Zeit trugen ungarische und rumänische Namen bzw. Pseudonyme (vgl. Take Banescu, Arpád Városz und Jenő Fesca bei Homocord, Giorgi Vintilescu, Nicu Vladescu und Joan Florescu bei Grammophon). Auf den ODEON-Etiketten der akustischen Ära stand zusätzlich zum Prädikat „Künstler-Kapelle“ noch „Dajos Béla, Geigen-Primas“ notiert, um das ungarische Flair zu unterstreichen; außerdem vermarktete ihn der Lindström-Konzern auf dem gleichen ODEON-Label auch noch als Sándor Jószi. Noch war dem Publikum aus der Kaiserzeit der Doppelmonarchie der rumänische oder ungarische Zigány-Primás im Gedächtnis als Unterhaltungsmusiker haften geblieben; erst Mitte der 20er Jahre sollte sich mit der veränderten wirtschaftlichen und politischen Lage auch das Bild vom Unterhaltungskünstler wandeln.

In den frühen 1920er Jahren gründete er in Berlin sein Salonorchester, mit dem er bald für den Lindström-Konzern verpflichtet wurde. Sein Repertoire umfasste neben Tanzmusik auch eine große Anzahl leichter klassischer Musik von Komponisten wie Johann Strauß oder Erik Meyer-Helmund. Man hörte ihn aber auch oft als Solisten anspruchsvoller klassischer Werke. Bélas Orchester gehörte neben denen von Paul Godwin und Marek Weber zu den erfolgreichsten deutschen Kapellen. Seine Platten wurden millionenfach in die ganze Welt exportiert. Mitte der 20er Jahre, in der ersten Blütezeit der Jazzmusik, gab sich Béla, wie viele seiner Kollegen große Mühe talentierte Musiker zu finden und hatte bereits 1927 ein international besetztes Ensemble mit Musikern wie dem Pianisten und Sänger Rex Allen und dem Banjo-Spieler Mike Danzi. Das Ensemble nahm in wechselnder Besetzung auch unter den Namen The Odeon Five, Mac’s Jazz Orchestra und Clive Williams Jazzband Schallplatten auf.

Mit dem Aufkommen des Tonfilms nahm auch Béla die Gelegenheit wahr, mit seiner Kapelle in Filmen aufzutreten. So sah man ihn unter anderem 1931 in „Jeder fragt nach Erika“ und in den folgenden Jahren unter anderem in „Ein Lied, ein Kuss, ein Mädel“ und „Gitta entdeckt ihr Herz“. Seine Kapelle wurde parallel dazu beliebter Schallplattenbegleiter bekannter Filmschauspieler wie Marta Eggerth oder Max Hansen. Bereits in den 20er Jahren war Bélas Kapelle auch für den Rundfunk tätig und gern gehört, in den großen Berliner Nobelhotels.

Béla war Jude. Als im Frühjahr 1933 die Nazis an die Macht gelangten, ging er auf Tournee, zunächst nach Holland, danach nach Paris ans renommierte „Monseigneur“ und nach London ans „Palladium“. In Wien wirkte er 1935 im Tonfilm „Tanzmusik“ mit. 1935 bekam er ein Engagement von Radio Splendid in Buenos Aires, um dort mit seinem Orchester aufzutreten. Am 2. März verließ er von Boulogne-sur-Mer aus mit mehreren Mitgliedern seines Orchesters Europa und kehrte bis Anfang der 70er Jahre nicht mehr nach Berlin zurück. Dajos Béla machte schnell wieder Schallplattenaufnahmen und war für Rundfunk und Film aktiv. Nach Ende seines Engagements mit Radio Splendid wechselte er zu Radio El Mundo über, wo er jahrelang ein tägliches Radio-Programm führte. Außerdem spielte er in mehreren Tanzcafés, unter anderem im Richmond und im El Galeon. Dank seiner Erfolge konnte er mehreren gefährdeten jüdischen Musikern aus Europa die Ausreise ermöglichen, indem er ihnen Verträge zusandte, um mit ihm und seinem Orchester aufzutreten. Vielen hat er so das Leben gerettet. Der ungarische Sänger Tino Dani war einer von ihnen. Obwohl Bélas große Liebe der klassischen Musik galt (er beherrschte z.B. das Violinkonzert von Tschaikowski auswendig), kam er nie dazu, sich ihr beruflich zu widmen.

Béla lebte in Olivos in der Provinz Buenos Aires. Er setzte seine Karriere auch nach 1945 in Argentinien fort, aber fand es, wie viele andere Musiker, immer schwieriger Engagements zu bekommen. So wie in anderen Ländern auch verschwand die Live-Musik aus den Kaffeehäusern in Buenos Aires. Béla konnte sich noch einige Jahre mit Engagements auf Hochzeiten und auf Kreuzfahrtschiffen über Wasser halten, aber auch dies hörte irgendwann auf. Auf Einladung des Berliner Senates kam er noch einmal nach Deutschland zu Besuch und empfing Ehrungen. Dajos Béla starb im Alter von 80 Jahren, 14 Tage vor seinem 81. Geburtstag, in La Falda, einem Bergort in Argentinien, wo er zur Erholung weilte. Er ist auf dem jüdischen Friedhof La Tablada in Buenos Aires begraben.

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