- Säulenordnung
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Die fünf klassischen Säulenordnungen sind das wichtigste Gliederungssystem der antiken und der neuzeitlichen Architektur von der Renaissance bis zum frühen zwanzigsten Jahrhundert.
Das gemeinsame Thema der fünf Säulenordnungen ist das Verhältnis von Säule zu Gebälk, Vermittlung und logischer Bezug zwischen den Baugliedern und ihre Einbindung in den Gesamtentwurf eines Gebäudes. Die aus dieser Aufgabe entwickelten unterschiedlichen Details wurden bereits in der Antike auch auf Pfeiler- und Bogen-Systeme übertragen, eine Entwicklung, die fruchtbar in der Neuzeit weiterwirkte.
Nach dem Verständnis der Renaissance bauen die fünf Säulenordnungen aufeinander auf und stellen in ihrer Gesamtheit ein Abbild der hierarchisch geordneten Welt dar. Ansätze zu dieser Hierarchisierung – ohne weltinterpretatorische Sicht – sind aber bereits der klassischen Antike geläufig.
Inhaltsverzeichnis
Verbreitung des Systems der Säulenordnungen
Die Architektur der Griechen, in der Folge auch der Römer, richtete sich nach gewissen Regeln, die sich mehr und mehr zu speziellen Vorschriften verdichteten, ohne je verbindlich fixiert worden zu sein. Grundlage hierfür war die zunächst an die griechischen Stämme und die von ihnen besiedelten Gebiete gebundenen landschaftlichen Stile, die sich im Laufe des 7. und 6. Jahrhunderts v. Chr. mit der dorischen und der ionischen Ordnung ausbildeten. Die dorische Ordnung war hauptsächlich auf dem griechischen Festland und in Großgriechenland verbreitet, war aber auch im restlichen dorischen Siedlungsgebiet, insbesondere Rhodos anzutreffen. Die Bezeichnung Dorische Ordnung geht auf die Dorer, einen der griechischen Volksstämme, zurück, in deren Siedlungsgebiet – großen Teilen der Peloponnes, auf Rhodos, Kreta und Teilen Kleinasiens – der Baustil hauptsächlich entwickelt wurde. Demgegenüber war die ionische Ordnung vor allem im kleinasiatischen Ionien, auf den ionisch besiedelten Inseln der Ägäis und in Attika verbreitet. Die Bezeichnung Ionische Ordnung ist abgeleitet von den Ioniern, dem älteren und von den Dorern aus dem ursprünglichen Siedlungsgebiet vertriebenen griechischen Volksstamm. Im Laufe der Entwicklung verlor sich diese strenge landschaftliche Bindung und beide Säulenordnungen wurden im ganzen griechischen Architektur- und Kulturkreis eingesetzt.
Die Korinthische Ordnung ist der jüngste der drei Baustile der antiken griechischen Architektur. Ihre Entwicklung begann in 'historischer' Zeit gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. mit der 'Erfindung' des korinthischen Kapitells. Ihr kanonischer Formenapparat, der aus der ursprünglich reinen Säulenordnung eine in sich geschlossene Bauordnung machte, lag verbindlich aber erst in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. vor.
Seit Marcus Vitruvius Pollio (Vitruv) werden diese drei Hauptordnungen und einige Nebenordnungen, die aus ihnen hervorgingen, unterschieden, wobei noch für Vitruv die korinthische Ordnung sich allein auf die Säulen- und Kapitellbildung beschränkte, ein kanonischer Gebälkaufbau aber nicht mit ihr verbunden war. Für die Geschichte der europäischen Architektur sind die klassischen Säulenordnungen prägend. In der Architekturgeschichte sind die Renaissance und der Klassizismus des 19. Jahrhunderts als wichtigste Phasen zu nennen, in denen die Architektur durch eine Rückkehr zum antiken Kanon erneuert wurde.
Während diese Stile ursprünglich nur auf eingeschossige Architekturen angewandt wurden oder bei zweigeschossigen Anlagen, etwa den übereinander gestellten Säulen mancher Tempelinnenräume, beide Säulenstellungen der gleichen Ordnung folgten, ist seit dem Hellenismus zu beobachten, dass die Anordnung verschiedener Säulenordnungen über mehrere Stockwerke eines Gebäudes oder einer Fassade bestimmten Regeln und einer Ordnungshierarchie folgt. Da eine Beschreibung der zugrunde liegenden Regeln erstmals bei Vitruv zu finden ist, spricht man auch von Vitruvscher Säulenordnung. Gleichwohl ist der dahinter wirkende Gedanke wesentlich älter und lässt sich mindestens bis ins 5. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen. Denn dem hellenistischen „unten – oben“ der Hierarchie ging bereits an klassischen Bauten ein „innen-außen“ voraus. So ist die korinthische Säule zunächst nur in Innenräumen insbesondere der Tempel zu finden. Später tritt sie dann an den dem Heiligtum zugewandten Seiten der Torbauten auf, also im Innern des Heiligen Bezirkes. Die Verschränkung beider Aspekte begegnet schließlich an der Stoa, die Attalos II. nach Athen stiftete. Dort ist die untere äußere Säulenstellung dorischer Ordnung, während die Innensäulen der Halle ionisch sind. Zugleich ist aber die äußere Halbsäulen-Pfeiler-Galerie des zweiten Geschosses ebenfalls ionischer Ordnung.
Das System der Säulenordnungen wurde in der Neuzeit durch Traktate verbreitet, die sich auf Vitruv bezogen. Der Begriff „Säulenordnung“ selbst ist aus dem italienischen ordine entlehnt und wurde in der Antike für die Baustile nicht benutzt. Vitruv spricht denn meist nur vom genus (Vitruv III, 6, 15), also der Art, oder von proportiones eines Stils (Vitruv IV, 6, 3), den Verhältnissen der Bauglieder zueinander, die innerhalb einer Ordnung eingehalten werden müssen.
Die wichtigsten Traktate der Neuzeit über die klassischen Ordnungen stammen von Leon Battista Alberti, Sebastiano Serlio, Giacomo Barozzi da Vignola, Vincenzo Scamozzi und Andrea Palladio.
Neuzeitliche Autoren über die Säulenordnungen in Deutschland waren Wendel Dietterlin und Leonhard Christoph Sturm.
Die fünf klassischen Säulenordnungen
Die fünf Ordnungen werden aus denselben Bauteiltypen zusammengesetzt, nämlich Postament, Säule (mit und ohne Basis, Säulenschaft und Kapitell) und einem Gebälk. Wenn in einem Aufriss Säulen unterschiedlicher Ordnungen verwendet werden, werden sie nach einer gemeinsamen Maßeinheit proportioniert, dem unteren Säulenschaftdurchmesser, in den Traktaten Modul genannt. Entsprechend der hierarchischen Gliederung müssen die Säulen in der folgenden Reihenfolge übereinander gestellt werden (von unten nach oben):
- toskanische oder Rustika-Ordnung, etruskische Ordnung
- dorische Ordnung – mit einer römischen Abwandlung als Unterform
- ionische Ordnung – wird in eine attische, eine kleinasiatische und eine römische Variante unterteilt
- korinthische Ordnung
- komposite Ordnung – eine Verbindung von ionischer und korinthischer Ordnung
Die geschossweise Übereinanderstellung nennt man Superposition.
Während die dorische, ionische und korinthische Ordnung schon in der klassischen Architektur Griechenlands entstanden, sind die toskanische und die komposite Ordnung eine Erfindung der klassisch-römischen Architektur.
Eine barocke Variante der ionischen Ordnung wird auch Deutsche Säulenordnung genannt.
Weitere Säulenordnungen
- Während die klassische griechische und römische Architektur auch bei mehrgeschossigen Bauten nur Ordnungen kennt, die sich an die Stockwerke halten, beginnen ab der Renaissance Säulen wie auch Halbsäulen größere Abschnitte zu übergreifen. Diese Methode wird als Kolossalordnung bezeichnet.
- Gianlorenzo Bernini erfand im Jahr 1624 für den Baldachin über dem Petrusgrab im Petersdom noch eine weitere, die salomonische Ordnung, die sich durch spiralförmig gedrehte Säulenschäfte auszeichnet.
Siehe auch
Weblinks
- Leone Battista Alberti: De re aedificatoria. Venedig 1485. In: Archimedes-Projekt der Max-Planck-Gesellschaft. (Volltext der Erstausgabe)
- Sebastiano Serlio: Tutte l'opere d'architettura …. Venedig 1585. In: UB Heidelberg. (digitales Facsimile)
- Andrea Palladio: I Qvattro Libri Dell'Architettvra. Venedig, 1581. In: UB Heidelberg. (digitales Facsimile)
- Ulrich Fürst: Architektur der Renaissance und des Barock. Institut für Kunstgeschichte München, 2003
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