Tante Emma

Tante Emma
Lebensmittelhandel in den 1950er Jahren

Tante-Emma-Laden ist eine in Deutschland gebräuchliche umgangssprachliche Bezeichnung für ein kleines Einzelhandelsgeschäft, welches Lebensmittel und weitere Artikel des täglichen Bedarfs anbietet, oft so klein, dass nur eine Person – die „Tante Emma“, also häufig die Ladenbesitzerin persönlich – im Laden arbeitet. In Österreich spricht man vom Greißler.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsherkunft

Im Brockhaus Wahrig steht unter "Tante-Emma-Laden" folgendes: „Kleines Einzelhandelsgeschäft; die Zahl der ›Tante-Emma-Läden‹ ist weiter zurückgegangen [nach dem früher häufigen Namen Emma; ›Tante Emma‹, die einfache Durchschnittsfrau, zu der man als Nachbar noch ein persönliches Verhältnis hat, als Kontrast zu den unpersönlichen Selbstbedienungsläden und Supermärkten]“. [1]

Früher war Emma – wie Minna – eine geläufige Bezeichnung für Dienstmädchen. Heinz Küpper verzeichnet ebenfalls den „Tante-Anna-Laden“.[2] Das Wort „Tante“ wird ja mehrfach übertragen gebraucht, etwa für ›(ältere) weibliche Person‹, und es ist jugend- und kindersprachlich üblich. Küpper datiert seine Belege für Tante-Anna- bzw. Tante-Emma-Laden mit 1950 ff. und 1955 ff.; auch „Tante Emma“ mit der Bedeutung ›Inhaberin eines kleinen Einzelhandelsgeschäfts‹ stammt nach seinen Belegen aus jener Zeit, also der Nachkriegszeit.

Tante-Emma-Laden in Bamberg

In diese Zeit fällt der Niedergang des Lebensmitteleinzelhandels mit Bedienung. Die zuerst unrentabel werdenden Kleinbetriebe wurden in der Regel nicht sofort aufgegeben, sondern von einem Familienmitglied, meistens der Frau des Inhabers, als Nebenerwerbsbetrieb weitergeführt. Die verbleibenden Vollbetriebe mit oft mehreren Angestellten und dementsprechenden Kosten empfanden diese Nebenerwerbskaufleute als "unfaire" Konkurrenz, und belegten sie mit dem damals abschätzig gemeinten Namen "Tante-Emma-Laden". Mit dieser Bezeichnung sollte insbesondere deren mangelnde Professionalität betont werden.

Küpper nennt daneben die parallelen Bildungen „Tante-Emma-Anschluss“ (›privater Telefonanschluss‹), „Tante-Emma-Betrieb“ (›Kleinbetrieb mit einfachen Herstellungsverfahren‹) und „Tante-Emma-Pension“ (›Gästehaus alten Stils‹), und in unserer Sprachdokumentation finden sich Belege für „Tante-Emma-Glas“ (›bauchiges Deckelglas zum Aufbewahren von Bonbons, wie es früher in jenen Läden stand‹) und „Tante-Emma-Gegend“ (›kleinbäuerliche, ländliche Gegend, die von der Industrie verschont geblieben ist‹).

Gestern und heute

Kolonialwarenladen um 1925

Überwiegend als Anbieter von Lebensmitteln bzw. Kolonialwaren, aber auch anderen Produkten für den täglichen Bedarf (Haushaltswaren, Textilien, Mercerie, Schreibwaren usw.) sorgten früher hauptsächlich für die lokale Warenversorgung der Bevölkerung.

Heute gilt der nostalgische Begriff Tante-Emma-Laden als Synonym für eine (noch) intakte persönliche Beziehung und Dienstleistungsbereitschaft zwischen dem lokalen Händler und seinen Kunden, ganz im Gegensatz zu anonymen Discountern, Kaufhäusern mit Selbstbedienung, Supermärkten, Einkaufszentren, Boutiquen in Einkaufspassagen oder Warenhäusern.

Besonders im ländlichen Raum dienen die Tante-Emma-Läden immer noch der Nahversorgung mit Lebensmitteln. Aufgrund der Altersstruktur der Laden-Betreiber ist aber wohl ein weiterer Rückgang der klassischen Tante-Emma-Läden absehbar. Initiativen von (meist mittelständischen) Lebensmittelgroßhandlungen führen in einigen Regionen teilweise zur Renaissance von Tante-Emma-Geschäften. Bis 2005 führte die österreichische Rewe-Tochter Billa kleinere Lebensmittelläden unter dem Namen „Emma“.

Seit den 1980er Jahren werden die klassischen Tante-Emma-Läden in Deutschland abgelöst von Lebensmittelläden, die von Immigranten betrieben werden. Vor allem in den letzten Jahren haben diese Gewerbetreibenden eine bedeutende Rolle in der Nahversorgung der Bevölkerung in manchen Stadtteilen übernommen.[3]

Nachbildungen von Tante-Emma-Läden sind heute noch als Kinderspielzeug beliebt und werden „Kaufladen“ genannt.

Literatur

  • Schrader, Mila: Tante-Emma-Laden: Kindertraum und Alltagsleben, Edition :anderweit, Suderburg 2006, ISBN 978-3-931824-40-2
  • Schwedt, Georg: Vom Tante-Emma-Laden zum Supermarkt. Eine Kulturgeschichte des Einkaufens, Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 978-3-527-50218-9

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach: Gerhard Wahrig et al., Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden, Band 6, Brockhaus/DVA, Wiesbaden/Stuttgart 1984, S. 174
  2. Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden, Band 8, Klett, Stuttgart 1984, S. 2821
  3. Deutsches Institut für Urbanistik: Von Tante Emma zu Onkel Ali? Ethnische Ökonomie: Integrationsfaktor und Integrationsmaßstab. Kurzfassung online unter difu.de

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Tante-Emma-Laden — ist eine in Deutschland und der Schweiz gebräuchliche umgangssprachliche Bezeichnung für ein kleines Einzelhandelsgeschäft, welches Lebensmittel und weitere Artikel des täglichen Bedarfs anbietet. Bezeichnend ist, dass der Laden oft so klein ist …   Deutsch Wikipedia

  • Tante-Emma-Laden — Tante Emma Ladenm kleinesEinzelhandelsgeschäft,indemmitveraltetenMethodengearbeitetwird.⇨Tante14.1955ff …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

  • Tante-Emma-Pension — Tante Emma Pensionf GästehausaltenStils.1970ff …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

  • Tante-Emma-Laden — Tante Emma Laden …   Deutsch Wörterbuch

  • Tante-Emma-Laden — Tan|te Ẹm|ma La|den 〈m. 4u; umg.〉 kleines Einzelhandelsgeschäft * * * Tan|te Ẹm|ma La|den, der; s, Tante Emma Läden: kleines Einzelhandelsgeschäft alten Stils. * * * Tan|te Ẹm|ma La|den, der; s, Tante Emma Läden: kleines Einzelhandelsgeschäft… …   Universal-Lexikon

  • Tante-Emma-Laden — Tạn·te Ẹm·ma La·den der; ein kleines Lebensmittelgeschäft ↔ Supermarkt …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Tante-Emma-Laden — kleines Einzelhandelsgeschäft …   Berlinerische Deutsch Wörterbuch

  • Tante-Emma-Laden — ⇡ Nachbarschaftsgeschäft …   Lexikon der Economics

  • Tante-Emma-Laden — Tạn|te Ẹm|ma La|den …   Die deutsche Rechtschreibung

  • EMMA — ist: Emma (Vorname), ein weiblicher Vorname Emma (Zeitschrift), eine feministische deutsche Zeitschrift Emma (Roman), ein Roman von Jane Austen Emma (1972), eine britische Fernsehserie von 1972 nach dem Roman von Jane Austen Emma (1996), ein… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”