Baltenschule Misdroy

Baltenschule Misdroy

Die Baltenschule Misdroy wurde nach dem Ersten Weltkrieg von aus dem Baltikum vertriebenen Intellektuellen im westpommerschen Misdroy gegründet. Deren Kinder fanden Aufnahme im dort ebenfalls gegründeten Ostseeinternat Dünenschloß. Gründer der Schule war Carl Hunnius. Das Internat war konservativ ausgerichtet, man legte Wert auf Manieren und das äußere Erscheinungsbild. Daneben spielte aber auch Sport eine große Rolle im Internatsleben.

Inhaltsverzeichnis

Die Baltenschule

Am 10. Februar 1919 gründete der langjährige Direktor der Landesschule in Mitau, Lic. Dr. Carl Hunnius (1873 - 1964), die Baltenschule und später das Ostsee-Internat Dünenschloß in Misdroy auf der pommerschen Insel Wolin.

Sein Plan war, den vielen Kindern, die mit ihren Eltern aus dem Baltikum, vor allem aus Kurland, mit den zurückflutenden Truppen nach Deutschland gekommen waren, eine Schulmöglichkeit zu bieten. Das Ostseebad Misdroy mit seinen im Winter leerstehenden Ferienhäusern, war von vielen Balten, zumindest vorübergehend, als billige Bleibe gewählt worden. Nach Prüfung anderer Orte entschied sich Hunnius für Misdroy, zumal die Gemeinde an einem Gymnasium interessiert war, großes Entgegenkommen zeigte, die Gehälter von 4 Lehrern übernahm und 2 Freiplätze für begabte Volksschüler stiftete.

Der Schulbetrieb begann am 10. Februar 1919 mit 42 baltischen Schülern im Jugendheim Misdroy. Im Jahre 1920 waren es im bereits 204 Schüler, davon 166 Balten. 1923 stieg die Zahl auf 253, darunter auch einige Mädchen, deren Zahl bis zur Schließung der Schule auf ein Viertel anstieg. Aus einem Hotel wurden Stühle und Gartentische geliehen, ein Rundschreiben des für Schulfragen in Pommern zuständigen Geheimrats Bohnstedt an alle Schulen erbrachte mehrere gebrauchte Wandkarten. Am 28. Februar 1920 konnte vom Baltenverband das ehemalige Hotel „Deutsches Haus“ als Schulgebäude erworben werden, allerdings mussten zur Kostendeckung mehrere Räume an ein Kino, ein Restaurant und zwei weitere Zimmer als Laden vermietet werden.

Mit der Abitursprüfung 1928 in der Baltenschule endete die Zeit der externen Prüfungen.

Ostsee-Internat Dünenschloß zu Misdroy

Von Beginn an war auch ein die Baltenschule ergänzendes Internat geplant. Als Pastor Glass seine Schülerpension im Haus Königshöhe aufgab, gelang es, dessen Räume anzumieten. Schließlich konnte am 3. Juli 1923 vom Baltischen Roten Kreuz das „Dünenschloß“ als Internatsgebäude erworben werden. Das Schulkollegium bestand aus 18 Lehrern, meist Balten, die zumeist mit Hunnius aus Mitau gekommen waren und acht Misdroyern Volksschullehrern. Die Baltenschule, die auch von einheimischen Kindern besucht wurde, erwarb sich rasch einen guten Ruf, der dann zum Eintritt zahlreicher, überwiegend ostelbischer Söhne führte.

Schulträger war der Baltische Vertrauensrat, ab 1922 das Baltische Rote Kreuz, dessen wechselnde Generalbevollmächtigte sich mühten die finanziellen Probleme zu beheben. Das Schulgeld konnte nur gering angesetzt und auch dann nicht von allen Eltern aufgebracht werden. 1932 wurde im Baltischen Roten Kreuz erwogen, die Anstalt zu schließen, doch gelang die finanzielle Sanierung. Für zusätzliche Einnahmen wurde das Internat in den langen Sommerferien an Gäste vermietet.

Internatsleiter im Dünenschloß waren vom 24. November 1923 - 30. September 1924 Reinhold Tantzscher, vom 1. Oktober 1924 - Frühjahr 1934 Dr. Helmut Gurland. Vom Frühjahr 1934 - 31. Oktober 1934 leitete Dr. Waldemar Wünsche, vom 1. November 1934 - 31. August 1939 Pastor Hans Lohmann das Internat. Am 25. August 1939 wird Lohmann zum Wehrdienst einberufen, sein Stellvertreter wird bis Dezember 1944 Otto von Rennenkampf. Zur Schließung wurde Dr. Gert Kroeger zum Internatsleiter

Entwicklung 1933 bis zum Ende

Nachdem es der Internatsleitung lange Zeit gelungen war, Helmut Gurland als damals sogenannten „Halbjuden“ vor den Angriffen der örtlichen Parteifunktionäre zu schützen, wurde sie 1934 vor die Wahl gestellt, entweder Schule und Internat zu schließen, oder sich von ihm zu trennen. Gurland trat freiwillig von seinem Posten zurück und wanderte mit seiner Frau nach Afrika aus. 1949 starb er in einem englischen Internierungslager in Rhodesien.

Dieser erzwungene Abgang führte zu einer Revolte der Internatler, die auf eigene Faust bis zu Hermann Göring der mit einer Baltin verheiratet war, vorgestoßen waren, um das Verbleiben des beliebten Internatsleiters zu erreichen - vergeblich. Erst als der junge, fünfundzwanzigjährige Pastor Hans Lohmann für die nächsten 5 Jahre bis zur Einberufung das Internat leitete beruhigte sich die Situation, wobei jedoch ein Riss innerhalb der Ehemaligen fast bis auf den heutigen Tag bestehen blieb.

Vor den Weihnachtsferien 1944 musste Direktor Carl Hunnius auf Befehl der vorgesetzten Schulbehörde zurücktreten, da die Anstalt verstaatlicht werden sollte. Das Internat schloss gleichzeitig seine Pforten; zwei Monate danach auch die Schule. Eine Verstaatlichung unterblieb wegen des Kriegsendes.

Bedeutung

Die Baltenschule wäre eine Schule unter vielen geblieben, hätte es nicht auch das Ostsee-Internat Dünenschloß gegeben, der Schule angegliedert, das den Begriff „Misdroy“ schuf. Geprägt wurde es durch seinen charismatischen, langjährigen Leiter Dr. Helmut Gurland, der eine ideale Ergänzung zum Direktor war. Ihn gefunden zu haben, bezeichnete Hunnius als eine seiner größten Glücksfälle im Leben. Wie stark Gurlands Einfluss war, spiegelt sich in vielen, von Misdroyern verfassten Erinnerungen wider. In einem Brief des Jahres 1976 formuliert es ein Internatler: „Gurland ist es zu verdanken, daß aus Pension Glass und Königshöhe ein Dünenschloß geworden ist. Ohne ihn hätte auch trotz der überragenden Gestalt von Dr. Hunnius Misdroy niemals das Internat das dargestellt, als was es in unserer Erinnerung weiterlebt. Er erzog uns zu Herren im besten Sinne des Wortes.“ Helmut Gurland war der Sohn von Rudolf Hermann Gurland, einem Juden, der als Rabbiner konvertierte, evangelischer Pastor wurde. Obendrein heiratete er in zweiter Ehe eine kurländische Aristokratin. Dieses bemerkenswerte Leben ist in seinem Buch „In zwei Welten“ nachzulesen.

Misdroy, Schule wie Internat, war durch Schüler, Erzieher, Lehrer und sonstige Mitarbeiter anfangs baltisch dominiert, späterhin noch stark geprägt. Mit der Zeit verschob sich dieses Verhältnis durch die zahlreichen reichsdeutschen Internatler.

Der langjährige Internatsleiter, Pastor Lohmann formulierte es 1977 folgendermaßen: „Es war die Geborgenheit dieses Hauses mit gemeinsamen Neigungen und gemeinsamem Lebensgefühl, aber auch mit gemeinsamen Abneigungen gegen die Zeitströmung. Preußische Schlichtheit traf sich mit baltischer Erziehungsweise, die aus der Vergangenheit lebt, für die Gegenwart offen ist und damit der Zukunft gewachsen ist.

Das Carl-Hunnius-Internat in Wyk 1946–1959

Das Wyker Internat, für kurze Zeit verbunden mit einer privaten Oberschule, wurde unter großen Schwierigkeiten gegründet. Es setzte nicht nur in dieser Hinsicht die Tradition von „Misdroy“ fort.

Bewusst wurde schon im Namen an den Misdroyer Direktor angeknüpft, der 1964 in Wyk starb. Herr von Roth als Gründer und Träger des Wyker Internates, sowie Pastor Lohmann als Leiter, setzten die Verbindung zur Baltenschule fort, die als Erinnerung stets erhalten blieb, wenn diese naturgemäß, wie auch die baltische Prägung des Wyker Internates, mit der Zeit verblasste.

Bekannte Schüler

Einer der bekanntesten Schüler des Internats war von 1938 bis 1942 Prinz Claus von Amsberg, der spätere Gemahl der niederländischen Königin Beatrix, der seine Verbundenheit mit Misdroy, wohin er als Junge aus Ostafrika kam, dadurch zeigte, dass er Pastor Lohmann, und Schwester Edith (von Roth), 1966 als Ehrengäste zu seiner Hochzeit einlud. Weitere Schüler der Baltenschule waren Bernd Freytag von Loringhoven, Generalleutnant der Bundeswehr, und auch der spätere DDR-Journalist Bernt von Kügelgen, beide Abkömmlinge aus baltischen Adelsfamilien.

Literatur

  • Carl Hunnius: Meine Erinnerungen.
  • Bernt von Kügelgen: Die Nacht der Entscheidung
  • Bericht der Balten-Schule zu Misdroy, Misdroy: Balten-Schule.
  • Eberhard von Lancken (Hrsg.): Den Gefallenen der Balten-Schule Misdroy.
  • Baltenschule Misdroy, in: Das baltische Rote Kreuz.
  • Aufruf im Adelsmarschall.
  • Gert Kroeger: Vom Geist der baltischen Schule.
  • Gerhard Brugmann (Hrsg.): Misdroy - Wyk - Hemmelmark. Drei christlich-konservative Internate. Chronos Verlag, 2001

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