Tauziehen

Tauziehen
Tauziehen beim Militär: Freshmen der U.S. Naval Academy in Annapolis, Maryland

Tauziehen oder auch Seilziehen ist eine alte Mannschaftssportart, die dem Kräftemessen zweier Mannschaften dient. Je eine Mannschaft zieht an einem Ende des Taus. Sieger ist, wer die gegnerische Mannschaft über die Mittellinie zieht.

Inhaltsverzeichnis

Wettkampf

Bei vielen Bergturnfesten im deutschsprachigen Raum Tradition: Tauziehen beim Jahn-Bergturnfest auf dem Bückeberg in Niedersachsen

Kraft, Ausdauer, Technik und mentale Stärke machen aus einem Hobbysport einen echten Hochleistungssport, welcher auf nationaler und internationaler Ebene von austrainierten Athleten betrieben wird. Jedes Jahr finden internationale Wettkämpfe statt, an ungeraden Jahren Europameisterschaften, an geraden Jahren Weltmeisterschaften. Führende Nationen sind die Schweiz, die Niederlande, Irland, Spanien, Schweden und Deutschland.

Bei Wettkämpfen stehen sich jeweils acht Athleten gegenüber. Einteilung der Gewichtsklassen (international): Frauen (bis 480 kg, bis 520 kg, bis 560 kg); Männer (bis 520 kg, bis 560 kg, bis 600 kg, bis 640 kg, bis 680 kg, bis 720 kg, über 720 kg).

Ein Wettkampf besteht aus einer Vorrunde und einer Finalrunde. In der Vorrunde treten alle Mannschaften (einer Gruppe) gegeneinander an. Pro Begegnung werden zwei Züge ausgetragen. Für jeden gewonnenen Zug erhält die Gewinnermannschaft einen Punkt. Aufgrund der Punktewertung aus der Vorrunde werden die ersten 4 platzierten Mannschaften für die Finalrunde ermittelt. In der Finalrunde wird zunächst mit einem Semi-Finale ermittelt, welche beiden Mannschaften zur Finalbegegnung kommen. Danach werden Entscheidungszüge durchgeführt für Platz 5 und höher. Dann wird der Kampf um Platz 3 von den Verlieren des Semi-Finale ausgetragen, und zum Schluss des Wettkampfs findet das Finale statt. Während der Finalrunde (Semi-Finale, Entscheidungszüge, Finale) muss aus jeder Begegnung ein Sieger hervorgehen. Bei einem Unentschieden nach 2 Zügen muss daher ein weiterer Entscheidungszug durchgeführt werden.

Die Schuhe der Athleten dürfen keine Metallspitzen aufwiesen, doch eine Metallplatte von drei Millimetern darf an den Schuhen angebracht sein. Den Athleten ist es nicht gestattet, Handschuhe zu tragen. Sie dürfen jedoch Harz auf ihre Hände auftragen, um den Griff zu erleichtern.

Geschichte

Tauziehen beim Militär: Angehörige der U. S. Armee im Irak

Der Seilziehwettkampf ist aus antiken Zeremonien und Kulthandlungen entstanden. Hinweise auf rituelle Ursprünge wurden in Burma, Indien, Borneo, Korea, Hawaii, Kongo, Neuseeland und Neuguinea gefunden. Das Seilziehen diente damals als Symbol für den Kampf zwischen Gut und Böse.

Tauziehen entwickelte sich später zu einem sportlichen Wettkampf. Eine Wandzeichnung im Grabmal des Merera-ku in Sakkara (Ägypten) weist darauf hin. Im antiken Griechenland (ab ca. 500 v. Chr.) wurde das Seilziehen vor allem als Training für andere Sportarten ausgeübt. Im 12. Jahrhundert wurden Tauziehwettkämpfe am Hof des chinesischen Kaisers veranstaltet, im 13. und 14. Jahrhundert auch in der Mongolei und in der Türkei.

Im westlichen Europa ist das Tauziehen erst ab etwa 1000 nachweisbar; in skandinavischen und germanischen Heldensagen, die von „kräftigen Spielen“ berichten. Im 15. und 16. Jahrhundert erschien das Tauziehen in Frankreich und Großbritannien. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Sport organisiert betrieben. Zuerst bildeten sich einzelne Vereine, später dann Verbände. Tauziehen wurde zunächst als Leichtathletik-Disziplin betrachtet.

Tauziehen war von 1900 bis 1920 olympische Sportart. Die Sportart wurde danach aus dem Programm gestrichen, weil das IOC eine Reduktion der Teilnehmerzahl erreichen wollte. Da die Leichtathletikverbände sich nicht mehr um das Tauziehen kümmerten, bildeten sich unabhängige Vereine und Landesverbände. 1964 wurde der Weltverband TWIF (Tug of War International Federation) gegründet. Die ersten Europameisterschaften wurden 1964 durchgeführt, die ersten Weltmeisterschaften 1975. Seit 1981 nimmt der Tauziehweltverband am Programm der World Games teil.

Organisation in Deutschland

Der Nationale Dachverband in Deutschland ist der DRTV (Deutscher Rasenkraftsport- und Tauzieh-Verband). Des Weiteren gibt es Landesverbände. Turniere werden auf nationaler oder Landesebene ausgetragen. Es werden deutsche Meisterschaften in folgenden Gewichtsklassen ausgetragen: 720 kg, 640 kg (Bundesliga), 600 kg, Jugend (450kg). Auf Landesebene gibt es jeweils Landesligen in unterschiedlichen Gewichtsklassen.

Unfallrisiken

1995 kam es bei einem Tauziehen mit 650 jugendlichen Pfadfindern im rheinland-pfälzischen Westernohe zu einem tragischen Unfall, als bereits nach 30 Sekunden das völlig ungeeignete Seil riss. Zwei Kinder kamen zu Tode, 102 Teilnehmer erlitten – zum Teil schwere – Verletzungen. Im öffentlich vielbeachteten Gerichtsverfahren gegen die verantwortlichen Veranstalter stellte das Gericht fest, dass diese ihre Sorgfaltspflicht verletzt hatten, weil sie sich nicht über die Reißfestigkeit des viel zu dünnen und aus Kunststoff gefertigten Seils informiert hatten und auch keine Vorkehrungen für einen gegebenenfalls notwendigen sofortigen Abbruch der Veranstaltung getroffen hatten. Da die Todesfälle allerdings so nicht vorhersehbar gewesen waren, wurden die Verantwortlichen lediglich wegen fahrlässiger Körperverletzung und nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.[1]

Auch am 12. Mai 1984 gab es beim Versuch, ins Guinness-Buch der Rekorde zu gelangen im Schweizer Lenzburg einen tödlichen Unfall, als das Seil riss.[2]

Die Seile werden beim Seilziehen einer großen Belastung ausgesetzt. Wenn auf beiden Seiten beispielsweise 10 Personen je 80 kg Körpergewicht einsetzen, ergibt das, multipliziert mit dem Ruck-Faktor von 2,5, eine Zugkraft von etwa 20 kN. Die Reißfestigkeit des Seiles muss bei einem zweifachen Sicherheitsfaktor in diesem Falle 40 kN betragen.

Geeignet sind Hanf- oder Hanf-Kunststoff-Seile, welche eine geringe Dehnung aufweisen und selbst bei einem Riss nicht zurückschnellen. Ein DIN-geprüftes Seil aus Langhanf mit einem Durchmesser von 32 mm hat eine Reißfestigkeit von 70 kN und die für das Seilziehen erforderliche Griffstärke. Wenn die Teilnehmer das Seil nicht einfach loslassen, lässt sich das Risiko von Sturzverletzungen reduzieren.

Seilziehen ist, wenn es normal betrieben wird, ein überaus fairer und unfallfreier Sport, da kein Körperkontakt zum Gegner besteht. Somit gibt es weder Fouls noch sonstige Möglichkeiten, dem Gegner Verletzungen oder Wunden beizubringen.

Siehe auch

Quellen

  1. Urteil im Tauziehfall. Abgerufen am 21. März 2011.
  2. Tödlicher Unfall beim Seilziehen. Abgerufen am 21. März 2011.

Weblinks

 Commons: Tauziehen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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