- Thorstein Veblen
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Thorstein Bunde Veblen (* 30. Juli 1857 in Cato, Wisconsin; † 3. August 1929 in Menlo Park, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Ökonom und Soziologe norwegischer Abstammung.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Thorstein Bunde Veblen ist das sechste Kind von zwölf Kindern der Eltern Thomas Anderson Veblen, gelernter Zimmermann, und Kari Veblen, geb. Bunde. Sie waren bereits 1848 von Norwegen in die USA ausgewandert und sind dort auf ihrer Farm als Landwirte tätig. Von 1874 bis 1880 besucht Thorstein Veblen das evangelische Carlton College. 1881 beginnt er sein Studium der Philosophie und Ökonomie an der Johns-Hopkins-Universität, doch bereits 1882 wechselt er zur Yale-Universität, an der er 1884 seinen Doctor of Philosophy erhält. Trotz hervorragender Zeugnisse und Empfehlungen bleibt er zwischen 1884 und 1891 arbeitslos. In diese Zeit fallen seine erste Heirat 1888 und lange Aufenthalte auf den Farmen seiner Eltern und Schwiegereltern. Gelegentlich arbeitet er als Tutor. Er setzt 1891 sein Studium an der Cornell University fort und kann schließlich durch Vermittlung von J. Laurence Laughlin politische Ökonomie an der University of Chicago unterrichten (1892-1906). Von 1895 bis 1905 ist er geschäftsführender Herausgeber des neu gegründeten Journal of Political Economy. 1898 erscheint sein programmatischer Artikel Why Is Economics Not An Evolutionary Science? und 1899 sein bekanntestes Werk The Theory of the Leisure Class (Die Theorie der feinen Leute).
Unstet wie sein Privatleben sind auch seine weiteren, immer neuen wissenschaftlichen Anstellungen. Wegen unklarer außerehelicher Beziehungen muss er 1906 auf Druck seiner Ehefrau Chicago verlassen. Darunter litt sein Ruf nachhaltig, galt er seitdem doch (fälschlich) als unwiderstehlicher Frauenheld. Von Ende 1906 bis 1909 unterrichtet er Ökonomie an der Stanford University und von 1911 bis 1918 an der University of Missouri in Columbia. In diese Zeit fällt die Scheidung von seiner ersten Frau 1914. Seine zweite Frau, die er seit 1904/05 kennt, heiratet er noch 1914. Sie stirbt bereits 1920.
Zwischen 1918 und 1926 unterrichtet er als einer der Gründerväter an der New School for Social Research (New York). Zwischen 1918 und 1919 fällt die Periode seiner größten öffentlichen Wirksamkeit als Herausgeber des New Yorker radikalen Literaturmagazins The Dial.
Am 3. August 1929 stirbt Veblen in Menlo Park, Kalifornien, einsam in einer Holzhütte, in der er seit 1927 lebt, an Herzversagen.
Denken
Veblen ist einer der Gründerväter der amerikanischen Institutionenökonomik in der Wirtschaftswissenschaft. Er war ein brillanter, facettenreicher, oft schwieriger Intellektueller, der einen enormen Einfluss auf das nationalökonomische und sozialwissenschaftliche Denken in den U.S.A. hatte, insbesondere in den 1930er Jahren. Rückschauend gilt er als einer der wichtigsten Denker und Kritiker der sogenannten Progressive Era (1900-1917). Nach ihm wurde der Veblen-Effekt benannt.
Als einer der ersten Sozialwissenschaftler analysierte er das komplexe Beziehungsgefüge zwischen Güterverbrauch und gesellschaftlichem Wohlstand. Nationalökonomie könne nur eingebettet in einem institutionellen Rahmen gewichtet und verstanden werden. Die ökonomischen Prozesse von Produktion, Distribution und Konsumption müssten im Kontext der Reproduktion von Institutionen, von Glaubenseinstellungen, Geschlechter- und anderen Verhaltensweisen verortet werden.
Unter dem Druck ökonomischer, globalisierender Prinzipien sei die industrielle Entwicklung („Maschinerie“) von solchen Wirtschaftsführern dominiert, die ihre rein ökonomischen Ziele verfolgen, die er als räuberisch qualifizierte. Diese müssten künftig durch eine „neue Funktionselite“ („social engineers“) abgelöst werden, um den Fortschritt auf den materiellen Vorteil der gesamten Gesellschaft zu fokussieren.
Er entwickelte in den drei Büchern „Theory of the Leisure Class“, „Theory of Business Enterprise“ und „Instinct of Workmanship …“, eine Gesellschaftstheorie, die in der englischsprechenden Welt einige Berühmtheit erlangte, insbesondere wegen ihrer beredsamen und beißenden kritischen Analyse der Oberklasse (Geltungskonsum, Freizeitverhalten, Schmarotzertum, demonstrativer Müßiggang, „Workmanship“). Diese Analyse hob sich deutlich vom Mainstream seiner Zeit ab. Vielen Zeitgenossen in den U.S.A. galt er als „gefährlich“, wegen seines unklaren − von ihm offen gelassenen − Verhältnisses zum Marxismus-Leninismus ab 1918, als er durch eine Reihe von Leitartikeln Aufmerksamkeit erregte. Ein geplanter Aufenthalt in der Sowjetunion scheiterte am frühen Tod von Lenin (1924). Seine Bedeutung für die Entwicklung der Nationalökonomie, vor allem jedoch der Soziologie, ist noch nicht abschließend analysiert. Groß war sein Einfluss in Amerika sowohl auf Zeitgenossen als auch auf spätere Generationen von Sozialwissenschaftlern. Außerhalb Amerikas blieb er zunächst weitgehend unbekannt.
Lewis Coser zählt ihn heute zu den Klassikern der Soziologie.
Werke
- englisch
- Why Is Economics Not An Evolutionary Science? (Archivversion vom 8. Oktober 2007) (1898)
- The Theory Of The Leisure Class (1899)
- The Theory of Business Enterprise (Archivversion vom 27. Juli 2007) (1904)
- The Instinct of Workmanship and the State of the Industrial Arts (Archivversion vom 18. März 2008) (1914)
- Imperial Germany and the Industrial Revolution´ (Archivversion vom 11. Dezember 2007) (1915)
- An Enquiry into the Nature of Peace and the Terms of its Perpetuation (Archivversion vom 27. Juli 2007) (1917)
- The Higher Learning in America. A Memorandum on the Conduct of Universities by Business Men (Archivversion vom 27. Juli 2007) (1918)
- The Vested Interests and the State of the Industrial Arts (Archivversion vom 21. Dezember 2007) (1919)
- The Place of Science in Modern Civilisation and other Essays (Archivversion vom 21. Juni 2004) (1919)
- The Engineers and the Price System (1921)
- Absentee Ownership and Business Enterprise in Recent Times (1923)
- The Laxdaela Saga (1925)
- Essays in our changing Order (1934)
- deutsch
- Die Theorie der feinen Leute, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt, ISBN 3596273625
Literatur
- Theodor W. Adorno: "Veblens Angriff auf die Kultur" In: Theodor W. Adorno: Prismen. Kulturkritik und Gesellschaft, Frankfurt 1955, S. 82-111 (zuerst 1941).
- Dowd, Douglas (Hg.): Thorstein Veblen. A Critical Reappraisal, Greenwood, Westport, CT 1958
- Eugster, Carl: Thorstein Bunde Veblen. Europa-Verlag, Zürich 1952
- Dorfman, Joseph: Thorstein Veblen and His America., Viking, New York 1934
- Duffus, R. L: The Innocents at Cedro – A Memoir of Thorstein Veblen (New York: The MacMillan Company, 1944)
- Jorgensen, Elizabeth W./Henry I. Jorgensen: Thorstein Veblen. Victorian Firebrand, Sharpe, Armonk, N.Y./London 1999
- Penz, Reinhard, Holger Wilkop (Hgg.): Zeit der Institutionen − Thorstein Veblens evolutorische Ökonomik, Metropolis, 1995 ISBN 3895180270
- Rausch, Renate: Die Muße in der amerikanischen Soziologie von Thorstein Veblen bis David Riesman, 1959
- Riesman, David: Thorstein Veblen. A Critical Interpretation, Seabury, New York 1953
- Tilman, Rick: A Veblen Treasury. From Leisure Class to War, Peace and Capitalism, Sharpe, Armonk, N.Y./London 1993
- Edgell, Stephen: Veblen in Perspective. His life and thought, Sharpe, New York/London 2001
- Böhmer, Robert: Der Geist des Kapitalismus und der Aufbau Ost / The Spirit of Capitalism and the Building up of the East, Thelem, Dresden 2005 [aktuelle Anwendung von Veblens „Theory of the Leisure Class“].
Siehe auch
Weblinks
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