Tibetanische Zwerghamster

Tibetanische Zwerghamster
Tibetische Zwerghamster
Systematik
Unterordnung: Mäuseverwandte (Myomorpha)
Überfamilie: Mäuseartige (Muroidea)
Familie: Wühler (Cricetidae)
Unterfamilie: Hamster (Cricetinae)
Gattung: Graue Zwerghamster (Cricetulus)
Untergattung: Tibetische Zwerghamster
Wissenschaftlicher Name
Urocricetus
Satunin, 1903

Die Tibetischen Zwerghamster (Urocricetus) bilden eine zu den Grauen Zwerghamstern gehörende Untergattung der Hamster. Bis zu fünf Arten können unterschieden werden, darunter der Kham-Zwerghamster, der Tibet-Zwerghamster, Cricetulus tibetanus und der Ladakh-Zwerghamster. Sie bewohnen Steppen, Wälder und Feuchtgebiete im Hochland von Tibet in China, im Westen Nepals und im äußersten Norden Indiens.

Inhaltsverzeichnis

Körpermerkmale

Die Kopf-Rumpf-Länge der Tibetischen Zwerghamster beträgt 80 bis 112 Millimeter, die Schwanzlänge 30 bis 64 Millimeter, die Hinterfußlänge 15 bis 18 Millimeter und die Ohrlänge 13 bis 18 Millimeter. Die größte Schädellänge beträgt 23,5 bis 29 Millimeter und das Körpergewicht 20 bis 48 Gramm.[1]

Vom Daurischen Zwerghamster und vom Sokolow-Zwerghamster unterscheiden sich die Tibetischen Zwerghamster durch den längeren Schwanz, der gewöhnlich länger als drei Zentimeter ist. Mit dem Langschwanz-Zwerghamster haben sie dieses Merkmal gemeinsam, unterscheiden sich von ihm jedoch durch die kleinen Paukenblasen. Mit dem Grauen Zwerghamster haben sie beide Merkmale gemeinsam.[1]

Körpermaße, Körpergewicht und Karyotyp der Arten im Vergleich[1]
Körpermaße in Millimetern Kham-Zwerghamster Tibet-Zwerghamster Cricetulus tibetanus Ladakh-Zwerghamster
Kopf-Rumpf-Länge 88–112 86–103 103 80–98
Schwanzlänge 51–64 40–50 30–37 36–42
Hinterfußlänge 17–18 15–18 17–18 15–18
Ohrlänge 16–18 14–18 15–16 13–16
größte Schädellänge 27–29 26–28 23,5–25,4 25–28
Körpergewicht in Gramm 20–40 24–39   22–48
Anzahl der Chromosomen       22

Lebensweise und Verbreitung

Der Lebensraum der Tibetischen Zwerghamster sind Steppen, Wälder und Feuchtgebiete im Hochland von Tibet. Sie sind tag- und nachtaktiv und ernähren sich von den Samen von Gräsern, von Getreide und von Insekten. Die Fortpflanzung findet zwischen Mai und August statt und die Anzahl der Jungtiere je Wurf beträgt fünf bis zehn.[1]

Ihr Verbreitungsgebiet sind Tibet, Qinghai, der Nordwesten Sichuans, der Nordwesten Gansus und der Süden Xinjiangs in China, der Westen Nepals sowie Jammu und Kashmir im Norden Indiens.[1]

Systematik und Benennung

Tibetische Zwerghamster (China)
DMS
alticola
alticola
DEC
kamensis?
kamensis?
DEC
kozlovi?
kozlovi?
DMS
lama
lama
DMS
tibetanus
tibetanus
Typusfundorte der Tibetischen Zwerghamster
Wissenschaftliche Benennung der Tibetischen Zwerghamster:
  • 1903: „Urocricetus,“ „kamensis,“ „kozlovi
  • 1905: „lama
  • 1917: „alticola
  • 1922: „tibetanus

Äußere Systematik

In Systematiken werden die Arten der Tibetischen Zwerghamster gewöhnlich den Grauen Zwerghamstern zugeordnet (Simpson, 1945;[2] Flint, 1966;[3] Piechocki, 1969;[4] Corbet und Hill, 1980;[5] Honacki und Mitarbeiter, 1982;[6] Nowak und Paradiso, 1983;[7] Corbet und Hill, 1986;[8] Corbet und Hill, 1991;[9] Nowak, 1991;[10] Musser und Carleton, 1993;[11] McKenna und Bell, 1997;[12] Nowak, 1999;[13] Pawlinow, 2003;[14] Duff und Lawson, 2004;[15] Musser und Carleton, 2005;[16] Smith und Hoffmann, 2008).[1] Zusammengefasst werden sie als Cricetulus kamensis-Gruppe[17] oder als Untergattung Urocricetus (Pawlinow, 2003;[14] Neumann und Mitarbeiter, 2006;[17] Romanenko und Mitarbeiter, 2007).[18] Einzelne Formen wurden daneben anderen Arten der Grauen Zwerghamster zugeordnet.[3]

Nach molekulargenetischen Untersuchungen des mitochrondrialen 12S-rRNA-Gens durch Lebedew und Mitarbeiter (2003) bildet der Tibet-Zwerghamster, die einzige untersuchte Art der Gruppe, möglicherweise eine Schwestergruppe der Kurzschwanz-Zwerghamster oder nimmt eine basale Stellung innerhalb der Hamster ein.[19]

Innere Systematik

Smith und Hoffmann (2008) unterteilen die Tibetischen Zwerghamster in vier Arten:[1]

  • den Kham-Zwerghamster (Cricetulus kamensis) mit den Unterarten
    • Cricetulus kamensis kamensis im Osten Tibets, im Nordwesten Sichuans und im Süden Qinghais sowie
    • Cricetulus kamensis kozlovi im Norden Qinghais, im Nordwesten Gansus und im Süden Xinjiangs,
  • den Tibet-Zwerghamster (Cricetulus lama) hauptsächlich im Süden Tibets,
  • Cricetulus tibetanus im zentralen Süden Qinghais und im Zentrum Tibets sowie
  • den Ladakh-Zwerghamster (Cricetulus alticola) im Südwesten Xinjiangs, im Nordwesten Tibets, im Westen Nepals und in Jammu und Kashmir im Norden Indiens.

Die Unterteilung der Tibetischen Zwerghamster in Arten und Unterarten und deren Zuordnung ist jedoch nicht unumstritten. Wang und Zheng (1973) unterscheiden lediglich die Arten Cricetulus kamensis und Cricetulus alticola und ordnen kozlovi, lama und tibetanus als subjektive Synonyme Cricetulus kamensis zu.[20] Einige Systematiker übernehmen diese Zuordnung (Corbet, 1978;[21] Honacki und Mitarbeiter, 1982;[6] Musser und Carleton, 1993,[11] 2005)[16] und die meisten anderen folgen ebenfalls der Einteilung in die beiden genannten Arten (Corbet und Hill, 1980;[5] Nowak und Paradiso, 1983;[7] Corbet und Hill, 1986;[8] Corbet und Hill, 1991;[9] Nowak, 1991;[10] Nowak, 1999;[13] Pawlinow, 2003;[14] Duff und Lawson, 2004).[15]

Andere Systematiker ordnen alle Formen einer einzigen Art zu (Feng und Mitarbeiter, 1986;[22] Zhang und Mitarbeiter, 1997;[23] Wang, 2003)[24] oder führen Cricetulus lama als eigenständige Art (Ellerman, 1941;[25] Ellerman und Morrison-Scott, 1951).[26] Zudem wird statt Cricetulus kamensis mitunter das subjektive Juniorsynonym Cricetulus lama verwendet.[6]

Benennung

Konstantin Alexejewitsch Satunin stellte die Gattung Urocricetus mit der neu beschriebenen Typusart Urocricetus kamensis und der ebenfalls neu beschriebenen Art Urocricetus kozlovi 1903 auf.[1][27] Der Gattungsname Urocricetus leitet sich von altgriechisch oura (ουρα, „Schwanz“) und mittellateinisch cricetus („Hamster“) ab.

Flint (1966) bezeichnet Cricetulus lama und Cricetulus alticola als „tibetanische Zwerghamster“[3] und Piechocki (1969) verwendet „Tibetanischer Zwerghamster“ als deutschen Trivialnamen für Cricetulus lama, der einzigen von ihm genannten Art der Gruppe.[4]

Weblinks

Literatur

Hauptsächlich verwendete Literatur:

  • James H. Honacki, Kenneth E. Kinman, James W. Koeppl (Hrsg.): Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference. Allen Press/Association of Systematics Collections, Lawrence (Kansas) 1982, ISBN 0-942924-00-2 (694 Seiten,englisch). 
  • Guy G. Musser, Michael D. Carleton: Superfamily Muroidea. In: Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference. 3. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4, S. 894–1531 (Volltext des Sammelwerks ; englisch). 
  • Karsten Neumann, Johan Michaux, Wladimir S. Lebedew, Nuri Yigit, Ercüment Çolak, Natalja W. Iwanowa, Andrei B. Poltoraus, Alexei Surow, Georgi Markow, Steffen Maak, Sabine Neumann, Rolf Gattermann: Molecular phylogeny of the Cricetinae subfamily based on the mitochondrial cytochrome b and 12S rRNA genes and the nuclear vWF gene. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Bd. 39, Nr. 1, 2006, ISSN 1055-7903, S. 135–148 (Abstract, Volltext lizenzpflichtig ; englisch). 
  • Andrew T. Smith, Robert S. Hoffmann: Subfamily Cricetinae. In: Andrew T. Smith, Xie Yan (Hrsg.): A Guide to the Mammals of China. Princeton University Press, Princeton/Oxford 2008, ISBN 978-0-691-09984-2, S. 239–247 (englisch). 

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Smith und Hoffmann, 2008 (S. 242–245).
  2. George Gaylord Simpson: The principles of classification and a classification of mammals. In: Bulletin of the American Museum of Natural History. Bd. 85, 1945, ISSN 0003-0090, S. 1–350 (Volltext ; englisch; S. 86). 
  3. a b c Wladimir Jewgenjewitsch Flint: Die Zwerghamster der paläarktischen Fauna. In: Die Neue Brehm-Bücherei. 2. Auflage. Bd. 366, Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2006 [1966], ISBN 3-89432-766-9 (99 Seiten, deutsch, Nachdruck der 1. Auflage von 1966; S. 14–17). 
  4. a b Rudolf Piechocki: Familie Wühler. In: Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Martin Eisentraut, Hans-Albrecht Freye, Bernhard Grzimek, Heini Hediger, Dietrich Heinemann, Helmut Hemmer, Adriaan Kortlandt, Hans Krieg, Erna Mohr, Rudolf Piechocki, Urs Rahm, Everard J. Slijper, Erich Thenius (Hrsg.): Grzimeks Tierleben. Enzyklopädie des Tierreichs. Elfter Band: Säugetiere 2. Kindler-Verlag, Zürich 1969, S. 301–344 (deutsch; S. 307). 
  5. a b Gordon Barclay Corbet, John Edwards Hill: A World List of Mammalian Species. British Museum (Natural History)/Comstock Publishing Associates (Cornell University Press), London/Ithaca 1980, ISBN 0-8014-1260-9 (226 Seiten, englisch; S. 157). 
  6. a b c Honacki und Mitarbeiter, 1982 (S. 405–406).
  7. a b Ronald M. Nowak, John L. Paradiso: Walker’s Mammals of the World. 4. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore/London 1983, ISBN 0-8018-2525-3 (1362 Seiten, englisch; S. 623). 
  8. a b Gordon Barclay Corbet, John Edwards Hill: A World List of Mammalian Species. 2. Auflage. Facts on File Publications/British Museum (Natural History), New York/London 1986, ISBN 0-8160-1548-1/ISBN 0-565-00988-5 (254 Seiten, englisch; S. 175). 
  9. a b Gordon Barclay Corbet, John Edwards Hill: A World List of Mammalian Species. 3. Auflage. Natural History Museum Publications/Oxford University Press, London/New York 1991, ISBN 0-19-854017-5 (243 Seiten, englisch; S. 164–165). 
  10. a b Ronald M. Nowak: Walker’s Mammals of the World. 5. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore/London 1991, ISBN 0-8018-2525-3 (1630 Seiten, englisch; S. 705–706). 
  11. a b Guy G. Musser, Michael D. Carleton: Family Muridae. In: Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference. 2. Auflage. Smithsonian Institution Press, Washington 1993, ISBN 1-56098-217-9, S. 501–755 (englisch; S. 537). 
  12. Malcolm C. McKenna, Susan K. Bell: Classification of Mammals Above the Species Level. Columbia University Press, New York 1997, ISBN 0-231-11012-X (631 Seiten, englisch; S. 150). 
  13. a b Ronald M. Nowak: Walker’s Mammals of the World. 6. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore/London 1999, ISBN 0-8018-5789-9 (1936 Seiten, englisch; S. 1421). 
  14. a b c Igor Jakowlewitsch Pawlinow: [Systematik rezenter Säugetiere]. Verlag der Staatlichen Universität Moskau, Moskau 2003 (Volltext ; 297 Seiten, russischer Originaltitel: Систематика современных млекопитающих). 
  15. a b Andrew Duff, Ann Lawson: Mammals of the World. A Checklist. A & C Black Publishers, London 2004, ISBN 0-7136-6021-X (312 Seiten, englisch; S. 67). 
  16. a b Musser und Carleton, 2005 (S. 1041–1042).
  17. a b Neumann und Mitarbeiter (2006).
  18. Swetlana Anatoljewna Romanenko u. a.: Karyotype evolution and phylogenetic relationships of hamsters (Cricetidae, Muroidea, Rodentia) inferred from chromosomal painting and banding comparison. In: Chromosome Research. Bd. 15, Nr. 3, 2007, ISSN 0967-3849, S. 283–297 (Abstract, Volltext lizenzpflichtig ; englisch; S. 296). 
  19. Wladimir Swjatoslawowitsch Lebedew, Natalja W. Iwanowa, N. K. Pawlowa, Andrei B. Poltoraus: Molecular phylogeny of the Palearctic hamsters. In: Alexander O. Awerjanow, Natalja Iossifowna Abramson (Hrsg.): Systematics, Phylogeny and Paleontology of Small Mammals. Proceedings of the International Conference Devoted to the 90th Anniversary of Prof. I. M. Gromov. Pensoft/Verlag der Russischen Akademie der Wissenschaften, Sankt Petersburg 2003, S. 114–118 (russisch, Abstract englisch).  → Zitiert in: Neumann und Mitarbeiter, 2006.
  20. Wang Sung, Zheng Chang-Lin: [Anmerkungen zu chinesischen Hamstern (Cricetinae)]. In: Acta Zoologica Sinica. Bd. 19, 1973, ISSN 0001-7302, S. 61–68 (chinesisch).  → Zitiert in: Honacki und Mitarbeiter, 1982 (S. 406).
  21. Gordon Barclay Corbet: The Mammals of the Palaearctic Region. A Taxonomic Review. British Museum (Natural History)/Cornell University Press, London 1978, ISBN 0-8014-1171-8 (314 Seiten, englisch; S. 91).  → Zitiert in: Honacki und Mitarbeiter, 1982 (S. 406).
  22. Feng Zuo-Jiang, Cai Gui-Quan, Zheng Chang-Lin: [Die Säugetiere Xizangs. Die umfassende wissenschaftliche Expedition zur Qinghai-Tibet-Hochebene]. Verlag der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Peking 1986 (423 Seiten, chinesisch).  → Zitiert in: Musser und Carleton, 2005 (S. 1042).
  23. Zhang Yong-Zu, Jin Shan-Ke, Quan Guo-Qiang, Li Si-Hua, Ye Zhong-Yao, Wang Feng-Gui, Zhang Man-Li: Distribution of Mammalian Species in China. China Forestry Publishing House, Peking 1997, ISBN 7-5038-1599-X (280 Seiten, chinesisch und englisch).  → Zitiert in: Musser und Carleton, 2005 (S. 1042).
  24. Wang Ying-Xiang: [Ein vollständiger Katalog der Säugetierarten und -unterarten in China. Ein taxonomisches und geografisches Nachschlagewerk]. China Forestry Publishing House, Peking 2003 (394 Seiten, chinesisch).  → Zitiert in: Musser und Carleton, 2005 (S. 1042).
  25. John Reeves Ellerman: The Families and Genera of Living Rodents. Volume 2: Family Muridae. British Museum (Natural History), London 1941 (690 Seiten, englisch).  → Zitiert in: Musser und Carleton, 2005 (S. 1042).
  26. John Reeves Ellerman, Terence Charles Stuart Morrison-Scott: Checklist of Palaeartic and Indian Mammals 1758 to 1946. British Museum (Natural History), London 1951 (810 Seiten, englisch).  → Zitiert in: Musser und Carleton, 2005 (S. 1042).
  27. Konstantin Alexejewitsch Satunin: Neue Nagetiere aus Centralasien. In: Jeschegodnik Soologitscheskowo museia Imperatorskoi akademii nauk. Bd. 7, 1903, S. 571–574 (deutsch).  → Zitiert in: Musser und Carleton, 2005 (S. 1042).

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