- Tibeto-birmanische Sprachen
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Die tibetobirmanischen Sprachen stellen einen der beiden Hauptzweige der sinotibetischen Sprachfamilie dar, der andere Zweig ist das Sinitische. Die etwa 330 tibetobirmanischen Sprachen werden in Südchina, dem Himalayagebiet und Südostasien von zusammen knapp 70 Millionen Menschen gesprochen. (Demgegenüber besitzen die acht chinesischen Sprachen zusammen 1,2 Mrd. Sprecher.)
Die mit Abstand sprecherreichste tibetobirmanische Sprache ist das Birmesische mit ungefähr 35 Millionen Muttersprachlern und weiteren 15 Mio. Zweitsprechern in Birma.
Inhaltsverzeichnis
Hauptsprachen
Folgende tibetobirmanische Sprachen haben mindestens eine Million Sprecher:
- Birmesisch (Birmanisch): 35 Mio. Sprecher; mit Zweitsprechern 50 Mio. / Myanmar (Birma)
- Yi (Yipho): 4,2 Mio. / Süd-China
- Tibetisch: 2 Mio.; mit Amdo- und Khams-Tibetisch 4,5 Mio. / Zentral- und Westtibet; Amdo, Kham
- Sgaw (Sgo): 2 Mio. / Birma: Karenstaat
- Rakhain (Arakanesisch): 2 Mio. / Birma: Arakan
- Khams (Khams-Tibetisch): 1,5 Mio. / Tibet: Kham
- Meithei (Manipuri): 1,3 Mio. / Indien: Manipur, Assam, Nagaland
- Pwo (Pho): 1,3 Mio. / Birma: Karenstaat
- Tamang: 1 Mio. / Nepal: Kathmandu-Tal
- Yangbye: 1 Mio. / Birma
- Bai (Minchia): 1 Mio. / China: Yunnan
Der Artikel enthält im Anhang eine Tabelle mit allen tibetobirmanischen Sprachen, die mindestens 500.000 Sprecher haben. Der angegebene Weblink enthält sämtliche tibetobirmanische Sprachen mit Klassifikation und Spracherzahl.
Klassifikation
Stand der Klassifikation
Die interne Klassifikation der etwa 330 tibetobirmanischen Sprachen kann heute keineswegs als gesichert gelten. Zwar hat sich die Forschung auf eine Reihe kleinerer genetischer Einheiten einigen können – darunter Tibetanisch, Kiranti, Tani, Bodo-Koch, Karenisch, Jingpho-Sak, Kuki-Chin und Birmanisch –, jedoch konnte die Frage nach mittleren und größeren Untergruppen, die diese kleineren Einheiten zusammenfassen, bisher nicht konsensfähig geklärt werden. Die Gründe sind fehlende Detailforschungen, Grammatiken und Lexika bei vielen tibetobirmanischen Einzelsprachen, intensive wechselseitige areale Beeinflussungen, die die genetischen Zusammenhänge verdunkeln, und die große Anzahl der zu vergleichenden Sprachen.
Während Matisoff 2003 die Zusammenfassung recht großer Einheiten „wagt“, tendiert van Driem 2001 zum anderen Extrem: er gliedert das Tibetobirmanische in viele kleine Untergruppen und macht nur vage Angaben über umfassendere Verwandtschaftsverhältnisse. Einen mittleren Weg geht Thurgood 2003. Die Darstellung des vorliegenden Artikels basiert – was die Zwischeneinheiten angeht – vor allem auf Thurgood, für die Detailgliederung auf dem umfangreichen Werk van Driem 2001, in dem sämtliche inzwischen bekannten tibetobirmanischen Sprachen und ihre engeren Verwandtschaftsverhältnisse behandelt werden. Insgesamt ergibt sich eine relativ kleinteilige Gliederung des Tibetobirmanischen in genetisch gesicherte Einheiten.
Interne Gliederung
Auf Grund der angeführten aktuellen Forschungslage lässt sich die folgende interne Gliederung des Tibetobirmanischen begründen, wenn auch noch nicht über alle Untereinheiten ein vollständiger Konsens erzielt wurde:
Interne Gliederung des Tibetobirmanischen
- Tibetobirmanisch
- Bodisch mit Tibetanisch, Tamang-Ghale, Tshangla, Takpa, Dhimal-Toto
- Westhimalayisch
- Mahakiranti mit Kiranti, Newari-Thangmi, Magar-Chepang
- Nord-Assam mit Tani (Abor-Miri-Dafla), Khowa-Sulung, Mijuisch (Deng), Idu-Digaru
- Hrusisch
- Bodo-Konyak-Jingpho mit Bodo-Koch (Barisch), Konyak (Nord-Naga), Jingpho-Sak (Kachin-Luisch)
- Kuki-Chin-Naga mit Mizo-Kuki-Chin, Ao, Angami-Pochuri, Zeme, Tangkhul, Meithei (Manipuri), Karbi (Mikir)
- Qiang-Gyalrong mit Xixia-Qiang und Gyalrong
- Nungisch
- Karenisch
- Lolo-Birmanisch mit Lolo (Yipho) und Birmanisch
- Einzelsprachen: Pyu †, Dura †, Lepcha, Mru, Naxi, Tujia, Bai
Statistische und geographische Daten
Die folgende Tabelle gibt eine statistische und geographische Übersicht über die Untereinheiten des Tibetobirmanischen. Die Daten beruhen auf dem unten angegebenen Weblink „Klassifikation der sinotibetischen Sprachen“. Die Anzahl der Sprachen ist deutlich niedriger als in Ethnologue, da Ethnologue – entgegen der mehrheitlichen Forschungsmeinung – viele Dialekte zu eigenständigen Sprachen erklärt. Die hier verwendeten Daten (Anzahl der Sprachen, Sprecherzahlen) basieren vor allem auf der detaillierten Darstellung in van Driem 2001.
Die Untereinheiten des Tibetobirmanischen
mit Anzahl der Sprachen und Sprecher und ihren HauptverbreitungsgebietenSpracheinheit Alternat. Name Anzahl
SprachenAnzahl
SprecherHauptverbreitungsgebiet TIBETOBIRMANISCH 332 68 Mio Himalaya, Süd-China, Südostasien Bodisch Tibetanisch i.w.S. 64 7 Mio Tibet, Nord-Indien, Pakistan, Nepal, Bhutan Tibetanisch 51 5,6 Mio Tibet, Nord-Indien, Pakistan, Nepal, Bhutan Tamang-Ghale 9 1,2 Mio Nepal Tshangla 1 150 Tsd Bhutan Takpa Moinba 1 80 Tsd Indien: Westspitze Arunachal / Tibet Dhimal-Toto 2 35 Tsd Nepal: Terai, Indien: West-Bengali Westhimalayisch 14 110 Tsd Nord-Indien: Kumaon, Lahul, Kinnaur; West-Tibet Mahakiranti Himalayisch 40 2,2 Mio Nepal Kiranti 32 500 Tsd Nepal (südl. des Mount-Everest-Massivs) Magar-Chepang 5 700 Tsd Zentral-Nepal Newari-Thangmi 3 950 Tsd Nepal: Kathmandu-Tal / Gorkha District Lepcha Rong 1 50 Tsd Indien: Sikkim, Darjeeling; auch Nepal, Bhutan Dura † 1 † Nepal: Lamjung District Nord-Assam Brahmaputranisch 32 850 Indien: Arunachal Pradesh, Assam; Bhutan Tani Abor-Miri-Dafla 24 800 Tsd Indien: Zentral-Arunachal-Pradesh Khowa-Sulung Kho-Bwa 4 10 Tsd Indien: Westl. Arunachal Pradesh Idu-Digaru Nord-Mishmi 2 30 Tsd Indien: Arunachal Pradesh (Lohit District) Mijuisch Süd-Mishmi 2 5 Tsd Indien: Arunachal Pradesh (Lohit District) Hrusisch 3 7 Tsd Grenzgebiet Indien (Arunachal Pradesh) – Bhutan Bodo-Konyak-Jingpho 27 3,4 Mio Nordost-Indien, Nepal, Birma, Südchina Bodo-Koch Barisch 11 2,3 Mio Nordost-Indien: Assam Konyak Nord-Naga 7 300 Tsd Indien: Arunachal Pradesh; Nagaland Jingpho-Sak Kachin-Luisch 9 800 Tsd Bangladesh, Nordostindien, Nord-Birma, Süd-China Kuki-Chin-Naga 71 5,2 Mio Nordost-Indien: Nagaland, Manipur, Assam, Arunachal Mizo-Kuki-Chin 41 2,3 Mio Nordost-Indien, Bangladesh, Birma Ao 9 300 Tsd Nordost-Indien: Nagaland Angami-Pochuri 9 430 Tsd Nordost-Indien: Nagaland Zeme 7 150 Tsd Nordost-Indien: Nagaland, Manipur Thangkul 3 150 Tsd Nordost-Indien: Nagaland, Manipur Meithei Manipuri 1 1,3 Mio Norost-Indien: Manipur, Nagaland, Assam Karbi Mikir 1 500 Tsd Nordostindien: Assam, Arunachal Pradesh Qiang-Gyalrong 15 500 Tsd Süd-China: Sichuan Tangut-Qiang Xixia-Qiang 10 250 Tsd Süd-China: Sichuan Gyalrong rGyalrong 5 250 Tsd Süd-China: Sichuan Nungisch Dulong 4 150 Tsd Süd-China, Nord-Birma Tujia 1 200 Tsd Süd-China: Hunan, Hubei, Guizhou Bai Minchia 1 900 Tsd Süd-China: Yunnan Naxi Moso 1 280 Tsd Süd-China: Yunnan, Sichuan Karenisch 15 4,5 Mio Birma, Thailand Lolo-Birmanisch 40 43 Mio Birma, Laos, Süd-China, Vietnam Lolo Yipho 27 7 Mio Süd-China, Birma, Laos, Vietrnam Birmanisch 13 36 Mio Birma, Süd-China Mru 1 40 Tsd Bangladesh: Chittagong; Birma: Arakan Pyu † 1 † ehemals Nord-Birma Die Primärzweige des Tibetobirmanischen sind halbfett gedruckt, dahinter folgen jeweils die Untereinheiten.
Der Artikel Sinotibetische Sprachen enthält eine ausführliche Diskussion über die Gültigkeit der hier dargestellten und weiterer von der Forschung vorgeschlagener Untereinheiten des Tibetobirmanischen.
Sprachliche Charakteristik des Tibetobirmanischen
Das Tibetobirmanische bildet innerhalb des Sinotibetischen eine genetische Einheit. Die tibetobirmanischen Proto-Formen konnten in großem Umfang rekonstruiert werden (Matisoff 2003). Das gemeinsame lexikalische Material ist äußerst umfangreich und wird durch die Erforschung weiterer Sprachen zunehmend zuverlässiger (siehe die Tabelle der Wortgleichungen). Neben dem lexikalischen Material gibt es genügend phonologische und grammatische Gemeinsamkeiten, die die genetische Einheit des Tibetobirmanischen absichern.
Silbenstruktur und Phoneme
Das Proto-Tibetobirmanische war – wie das Proto-Sinotibetische – eine durchgehend monosyllabische Sprache. Seine Silbenstruktur lässt sich als
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- (K)-(K)-K(G)V(K)-(s) (K Konsonant, V Vokal, G Gleitlaut /l,r,j,w/)
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rekonstruieren (potentielle Slots sind durch (.) gekennzeichnet). Die ersten beiden Konsonanten sind ursprünglich bedeutungsrelevante „Präfixe“, die eigentliche Wurzel hat die Form K(G)V(K), der Schlusskonsonant muss aus der Gruppe /p,t,k,s,m,n,ŋ,l,r,w,j/ stammen, vokalischer Auslaut ist selten. Der Vokal kann kurz oder lang sein, die Länge ist phonemisch. Zwischen den Präfixkonsonanten und dem Initialkonsonant kann ein schwacher Vokal /ə/ stehen (ein sogenanntes Schwa). Diese ursprüngliche Silbenstruktur ist im klassischen Tibetisch und einigen modernen westtibetischen Sprachen und im Gyalrong belegt (die deswegen für die Rekonstruktion besonders wichtig sind), weniger vollständig im Jingpho und Mizo. Die komplexen Initialcluster sind in vielen Sprachen reduziert worden. Diese Strukturvereinfachung führte offensichtlich häufig zur Ausbildung differenzierender Töne.
Nach Benedict 1972 und Matisoff 2003 bestand das Konsonanteninventar des Proto-Tibetobirmanischen – das vor allem für die Initialkonsonanten der Wurzel im vollen Umfang genutzt wurde – aus folgenden Phonemen:
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- p, t, k; b, d, g; ts, dz; s, z, h; m, n, ŋ; l, r, w, j.
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Als Initialkonsonant der Wortwurzel fanden diese Phoneme in einzelnen Gruppen folgende reguläre Lautensprechungen:
Tibetobirm. Tibetan. Jingpho Birman. Garo Mizo *p p(h) p(h), b p(h) p(h), b p(h) *t t(h) t(h), d t(h) t(h), d t(h) *k k(h) k(h), g k(h) k(h), g k(h) *b b b, p(h) p b, p(h) b *d d d, t(h) t d, t(h) d *g g g, k(h) k g, k(h) k *ts ts(h) ts, dz ts(h) s, ts(h) s *dz dz dz, ts ts ts(h) f *s s s s th th *z z z s s f *h h ø h ø h *m m m m m m *n n n n n n *ŋ ŋ ŋ ŋ ŋ ŋ *l l l l r l *r r r r r r *w ø w w w w *j j j j ts, ds z Die alternativen Entsprechungen sind in der Regel sekundär, Aspiration kann unter bestimmten Bedingungen auftreten, sie ist nicht phonemisch. Basis der obigen Tabelle ist Benedict 1972, wo für diese Lautentsprechungen geeignete Wortgleichungen aufgeführt werden.
Das tibetobirmanische Vokalsystem wurde als /a, o, u, i, e/ rekonstruiert. Vokale können in der Silbenmitte und im Silbenauslaut erscheinen, nicht am Silbenanfang. Allerdings sind andere Vokale als /a/ im Silbenauslaut der Protosprache sehr selten zu finden. Dagegen sind Endungen auf /-Vw/ und /-Vj/ besonders häufig.
Derivationsmorphologie
Eine klassische relationale Morphologie (also eine systematische morphologische Veränderung der Nomina und Verben mit Kategorien wie Kasus, Numerus, Tempus-Aspekt, Person, Diathese u. a.) hat es nach einhelliger Meinung der Forschung in der Protosprache nicht gegeben. Die heute bei den tibetobirmanischen Sprachen feststellbare relationale Morphologie der Nomina und Verben ist als Innovation zu betrachten, die auf areale Einflüsse benachbarter Sprachen oder auf die Wirkung von Substraten zurückzuführen ist. Infolge sehr unterschiedlicher Einflüsse konnten sich sehr verschiedene morphologische Typen herausbilden.
Mit Sicherheit lassen sich aber Elemente einer Derivationsmorphologie für das Proto-Tibetobirmanische rekonstruieren, deren Reflexe in vielen tibetobirmanischen Sprachen nachzuweisen sind. Dabei handelt es sich um konsonantische Präfixe und Suffixe sowie Anlautalternationen, die die Bedeutung von Verben aber auch von Nomina modifizieren. Die Existenz gemeinsamer Derivationsaffixe und Anlautalternationen mit identischer oder ähnlicher semantischer Wirkung in fast allen Gruppen des Tibetobirmanischen ist ein starkes Indiz für seine genetische Einheit.
s-Präfix
Das s-Präfix hat eine kausative und denominative Funktion, der ursprünglich eine allgemeinere „direktive“ Bedeutung zu Grunde liegt. Beispiele:
- Klass. Tibetisch grib „Schatten“, sgrib- „beschatten, verdunkeln“ (denominativ)
- Klass. Tibetisch gril „Rolle“, sgril- „zusammenrollen“ (denominativ)
- Klass. Tibetisch riŋ- „lang sein“, sriŋ- „verlängern“ (kausativ)
- Jingpho lot „frei sein“, slot „freilassen“ (kausativ)
- Jingpho dam „sich verlaufen“, sɘdam „in die Irre führen“ (kausativ)
- Lepcha nak „gerade sein“, njak < *snak „gerade machen“ (kausativ, Metathese sK > Kj)
In anderen tibetobirmanische Sprachen (z. B. Birmesisch, Lahu, Lolo-Sprachen) ging das s-Präfix verloren, hat aber Veränderungen des Initialkonsonanten oder tonale Differenzierungen bewirkt. Bei schwachen Initialkonsonanten kann aber auch in diesen Sprachen noch ein s-Präfix erkennbar sein, zum Beispiel
- Birmesisch ʔip „schlafen“, sip „einschläfern“
- Birmesisch waŋ „betreten“, swaŋ „hineinbringen“
Anlautalternierung
In nahezu allen tibetobirmanischen Sprachen gibt es Paare semantisch verwandter Wörter, die sich lautlich nur darin unterscheiden, dass der Anlautkonsonant stimmlos oder stimmhaft ist. Die stimmlose Variante hat dann in der Regel eine transitive, die stimmhafte eine intransitive Bedeutung. Es gibt die Theorie, dass die Anlautveränderung durch ein ursprüngliches *h-Präfix – einen nicht-syllabischen, pharyngalen Gleitlaut – bewirkt worden sei (Pulleyblank 2000).
Beispiele:
- Tibetisch kril- „herumwickeln“, gril- „herumgewickelt sein“
- Bahing kuk „beugen“, guk „gebeugt sein“
- Bodo pheŋ „gerade machen“, beŋ „gerade sein“
n-Suffix
Das n-Suffix (auch in der Variante /-m/) hat primär eine nominalisierende, manchmal auch eine kollektivierende Funktion. Beispiele:
- Klass. Tibetisch rgyu „fließen“, rgyun „der Fluss“
- Klass. Tibetisch gtsi „urinieren“, gtsin „Urin“
- Klass. Tibetisch rku „stehlen“, rkun-ma „Dieb“ (Nominalisierung unterstützt durch die Endung -ma)
- Klass. Tibetisch nje „nah (sein)“, njen „Verwandter“
- Lepcha zo „essen“, azom „Essen“ (Nominalisierung unterstützt durch anlautendes /a-/)
- Lepcha bu „tragen“, abun „Fahrzeug“
- Proto-Tibetobirmanisch *rmi „Person“, *rmin „Volk“ (kollektivierend)
s-Suffix
Auch das s-Suffix hat vor allem eine nominalisierende, aber auch richtungsändernde Funktion. Beispiele:
- Klass. Tibetisch grang- „zählen“, grangs „Zahl“
- Klass. Tibetisch thag- „weben“, taghs „Gewebe“; verwandt mit
Weitere Derivationssuffixe
Außer den genannten gibt es noch andere für das Tibetobirmanische postulierte Derivationssuffixe, z. B. /-t/, /-j/ und /-k/. Für keines dieser Suffixe lässt sich aber bisher eine befriedigende Funktionsbeschreibung angeben, die zumindest in einigen Einheiten des Sinotibetischen gültig wäre. Für weitere Details wird auf LaPolla (in Thurgood 2003) und Matisoff 2003 verwiesen.
Gemeinsamer Wortschatz
Die folgenden Wortgleichungen zeigen besonders deutlich die genetische Verwandtschaft der tibetobirmanischen Sprachen. Sie basieren auf Peiros-Starostin 1996, Matisoff 2003 und der unten angegeben Internet-Datenbank Starostins. Für die Wortauswahl wird die Liste der „stabilen Etymologien“ von Dolgopolsky und einige Wörter aus der Swadesh-Liste zugrunde gelegt, wodurch Lehnwörter und Lautmalereien weitgehend ausgeschlossen sind. Jede Wortgleichung hat Vertreter aus bis zu fünf Sprachen bzw. Spracheinheiten: Klassisches Tibetisch, Klassisches Birmesisch, Jingpho (Kachin), Mizo (Lushai), Lepcha, Proto-Kiranti (Rekonstruktion Starostin) und Proto-Tibetobirmanisch (Matisoff 2003). Die Transkription erfolgt ebenfalls nach Matisoff und der zugrunde gelegten Datenbank.
Tibetobirmanische Wortgleichungen
Bedeutung Klass.
Tibet.Klass.
Birmes.Jingpho
(Kachin)Mizo
(Lushai)Lepcha Proto-
KirantiProto-
Tibeto-
Birman.Zunge lje hlja lei li *lja Auge mig mjak mjiʔ mit mik *mik *mik Herz sniŋ hnac niŋ *niŋ *niŋ Ohr nah na kna njor *nɘ *na Nase sua hua naʔ hua *nɘ *na:r Fuß o. Ä. rkaŋ kraŋ kraŋ keŋ kaŋ *kaŋ Hand o. Ä. lag lak lak ljok *lak *lak Blut swij, swe sài thi (t)vi *hi *s-hjwɘy Onkel khu 'uh gu 'u ku *ku *khu Laus s(r)ig ciʔ hrik *srik *(s)r(j)ik Hund khji lhwij gui 'ui *khlɘ *kwej Sonne, Tag ni(n) nij ʃa-ni ni nji *nɘj *nɘj Stein nluŋ luŋ luŋ *luŋ *luŋ Fluss lu luaij lui lui *lwij Haus kjim 'im ʃe-kum 'in khjum *kim *jim, *jum Name miŋ miŋ mjiŋ hmiŋ *miŋ *miŋ töten gsod sat gɘsat that *set *sat tot mhaŋ maŋ maŋ mak *maŋ lang aphag paŋ pak *pak, *paŋ kurz thuŋ tauŋh ge-dun tan *toŋ *twan zwei gnis ŋi hni nji *ni(k) *ni(j) ich ŋa ŋa ŋai ŋei *ŋa du naŋ naŋ naŋ *naŋ Sprachen mit mindestens 500.000 Sprechern
Die folgende Tabelle enthält alle tibetobirmanischen Sprachen mit mindestens 500.000 Sprechern. Angegeben sind die Sprecherzahlen, die Klassifikation und geographische Verbreitung dieser Sprachen. Diese Daten basieren auf dem unten angegeben Weblink.
Die tibetobirmanische Sprachen mit mindestens 500.000 Sprechern
Sprache Altern.
NameSprecher Klassifizierung Hauptverbreitungsgebiet Birmesisch Birmanisch 35 Mio Lolo-Birmanisch Myanmar (Birma); mit Zweitsprecher 50 Mio. Yi Yipho 4,2 Mio Lolo-Birmanisch Süd-China Tibetisch Ü-Tsang 2 Mio Tibetanisch Zentral- und Westtibet; mit Amdo und Khams 4,5 Mio. Sgaw Sgo 2 Mio Karenisch Birma: Karenstaat Khams Khams-Tibetisch 1,5 Mio Tibetanisch Tibet: Kham Meithei Manipuri 1,3 Mio Manipuri Indien: Manipur, Assam, Nagaland Pwo Pho 1,3 Mio Karenisch Birma: Karenstaat Rakhain Arakanesisch 1 Mio Lolo-Birmanisch Birma: Arakan Tamang 1 Mio Tamang-Ghale Nepal: Kathmandu-Tal Bai Min Chia 900 Tsd ungeklärt China: Yunnan Yangbye Yanbe 800 Tsd Lolo-Birmanisch Birma Amdo Amdo-Tibetisch 800 Tsd Tibetanisch Tibet: Amdo Kokborok Tripuri 770 Tsd Bodo-Koch Indien: Assam Newari Nepal Bhasa 700 Tsd Newari-Thangmi Nepal: Kathmandu-Tal Hani Haw 700 Tsd Lolo-Birmanisch Süd-China, Birma, Laos, Vietnam Garo Mande 650 Tsd Bodo-Koch Indien: Assam Jingpho Kachin 650 Tsd Kachin Bangladesh, Nordost-Indien, Nord-Birma, Süd-China Lisu Lisaw 650 Tsd Lolo-Birmanisch Süd-China, Birma, Laos Bodo Bara, Mech 600 Tsd Bodo-Koch Indien: Assam Pa'o Taunghtu 600 Tsd Karenisch Birma: Thaung Magar Kham-Magar 500 Tsd Magar-Chepang Nepal: mittlerer Westen Mizo Lushai 500 Tsd Mizo-Kuki-Chin Nordostindien, Birma Karbi Mikir 500 Tsd Kuki-Chin-Naga Nordostindien: Assam, Arunachal Pradesh Akha Ikaw 500 Tsd Lolo-Birmanisch Süd-China, Birma, Laos, Vietnam Literatur
- S. Robert Ramsey: The Languages of China. Princeton University Press, Princeton N.J. 1987, ISBN 0-691-06694-9.
- Paul K. Benedict: Sino-Tibetan. A Conspectus. University Press, Cambridge 1972, ISBN 0-521-08175-0.
- Scott DeLancey: Sino-Tibetan Languages. In: Bernard Comrie (Hrsg.): The World's Major Languages. Oxford University Press, New York 1990, ISBN 0-19-520521-9.
- Austin Hale: Research on Tibeto-Burman Languages. Mouton, Berlin [u.a.] 1982, ISBN 90-279-3379-0.
- James A. Matisoff: Handbook of Proto-Tibeto-Burman. University of California Press, Berkeley [u.a.] 2003, ISBN 0-520-09843-9. (kostenloser Download als PDF von der Homepage der UC Press)
- Anju Saxena (Hrsg.): Himalayan Languages. Mouton de Gruyter, Berlin [u.a.] 2004, ISBN 3-11-017841-9.
- Thurgood, Graham & Randy J. LaPolla: The Sino-Tibetan Languages. Routledge, London [u.a.] 2003, ISBN 0-7007-1129-5.
- George van Driem: Languages of the Himalayas. Brill, Leiden [u.a.] 2001, ISBN 90-04-10390-2.
Siehe auch
Weblinks
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