- Tierhortung
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Tierhorten (auch: Tiersammelsucht, engl. animal hoarding) ist eine psychische Störung, die zum unkontrollierten Halten und Sammeln von lebenden Haustieren führt. Die Haltungsbedingungen unterschreiten alle Standards der Tierhaltung (Hygiene, Pflege, Fütterung, tierärztliche Versorgung). In späten Stadien kommt es zur völligen Verwahrlosung des Tierbestandes. Der Tierhorter ist dabei unfähig, diese Missstände zu erkennen und zu beseitigen. In den USA sind über 1000 Fälle jährlich mit hunderttausenden Tieren belegt.
Inhaltsverzeichnis
Psychologie
Betroffene dieser noch nicht wissenschaftlich anerkannten Störung sind meist weiblich (ca. 3/4 aller belegten Fälle), alleinstehend und älter (über 50% der Fälle älter als 50, 46% sind 60 Jahre oder älter.)[1] und sehen sich selber als Tierliebhaber oder als engagierte Tierschützer. Da die betroffenen Menschen ihren Lebensstil und die Privatsphäre oft ähnlich wie Messies nach außen hin verbergen, wird dieses Verhalten oft erst in einem sehr späten Stadium entdeckt, wenn Nachbarn vom Lärm gestört oder durch Gerüche darauf aufmerksam werden.[2]
In der Fachwelt herrscht – wie auch bei dem Messie-Syndrom – derzeit noch Unklarheit darüber, ob es sich bei der Tierhortung um eine Krankheit oder eine tiefer gehende Störung handelt.[3] So ist auch die Tierhortung nicht explizit in DSM-IV oder ICD-10 aufgeführt.[4]
Ursachen
Die wichtigste Ursache ist Einsamkeit und die Angst vor totaler Isolation. Die Haustiere werden als „Partnerersatz“ oder als „Ersatzfamilie“ betrachtet. Jedes neue Tier bedeutet ein weiteres Glücksgefühl. In manchen Familien, bei denen Tiere gegenüber den Kindern bevorzugt werden, entwickelt sich auch ein Hortungsverhalten. Ein anderer Grund ist das zwanghafte Bedürfnis zu helfen. Das kann beispielsweise dann eintreten, wenn Tiere ausgesetzt werden oder aus einem Tierheim nicht vermittelbar sind.[5]
Therapie
Obwohl die Tierhortung kein eigenständiges Krankheitsbild darstellt, wird sie oft als Symptom einer Zwangserkrankung gesehen, wobei alle Kriterien einer Zwangskrankheit gegeben sein müssen.[6] Aufgrund des starken Hangs zu den Haustieren ist es schwer, als Therapie ein sofortiges Wegnehmen der Tiere zu veranlassen. Wichtig ist es mit den Betroffenen darüber zu sprechen und ihnen zu sagen, dass man die Tiere an Halter mit mehr Verantwortung übergibt. Die betroffenen Menschen brauchen psychotherapeutische Behandlung.[7]
Tierschutz
Die Selbsteinschätzung und Selbstdarstellung der Tierhorter als Tierliebhaber, als engagierte Tierschützer, als Retter oder Befreier von Tieren ist für Tierschützer ein Problem. Die strikte Ablehnung von der Euthanasie von Tieren und die unbegrenzte Aufnahme von sonst nicht vermittelbaren Tieren[8] trifft sich mit den Anliegen einiger Tierschützer und kann in einem Frühstadium zur Zusammenarbeit mit Tierheimen oder Gnadenhöfen führen.
Die tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen führen – wenn sie bekannt werden – zu einem langwierigen Verfahren, das unter Beteiligung des Amtstierarztes in einem Haltungsverbot endet. Interventionen des Amtstierarztes unterhalb dieser Schwelle wie: Bußgelder, Tierzahlbegrenzung laufen ohne Therapie des Tierhorters ins Leere. Die häufigste betroffene Tierarten sind Hunde mit 46,4%-60% und Katzen mit 33,9%-65% (je nach Studie). Der schlimmste deutsche Fall betraf über 500 Hängebauchschweine, ca. 300 Pferde, mehrere Hundert andere Tiere (Ziegen, Schafe, Lamas, Geflügel). In einem anderen Fall wurden in einem Haushalt 82 lebende und 108 tote Katzen gefunden. 2008 wurde in Berlin der in drei Jahren eklatant gewachsene Vogelbestand eines Tierhorters beschlagnahmt. Der Mann hatte 1728 Vögel frei in einer 63 m² großen Wohnung gehalten und sich unkontrolliert vermehren lassen. Aufgefallen war das erst, nachdem sich Nachbarn durch Lärm und Gestank belästigt fühlten.[9]
Aufgrund der oft sehr großen Anzahl gehaltener und zum Teil eklatant vernachlässigter Tiere stellen die Auflösungen dieser Tierhaltungen auch ein großes logistisches Problem, beispielsweise für Tierheime, dar. Ein weiteres Problem sind die nur regionalen Zuständigkeiten der Veterinärämter, die durch Wohnortwechsel umgangen werden können.
Einzelnachweise
- ↑ aus dem Papier des Tierschutrzbundes und http://www.hundshuus.de/hundevermittlung/texte/2005/animal_hoarding.html Kuehn BM, ANIMAL HOARDING: A public health problem veterinarians can take a lead role in solving, in Journal of the American Veterinary Medical Association, 15. Oktober 2002
- ↑ Patronek GJ, Hoarding of Animals: an underrecognized public health problem in a difficult-to-study population, in Public Health Rep, 114/1999, S.81–7.
- ↑ Newman BY, Compulsive Hoarding: A Disease or a Sign of a Deeper Disorder?, in Optometry - Journal of the American Optometric Association, 76/2005, S.514–5.
- ↑ Meier T, On phenomenology and classification of hoarding: a review, in Acta Psychiatrica Scandinavica, 110/2004, S.323–37.
- ↑ Patronek GJ, Animal hoarding : Its roots and recognition, in Veterinary medicine, 101/2006, S.520–5. ISSN 8750-7943
- ↑ Papier der Jugendpsychiatrie Klinik am Leisber
- ↑ Fleury AM ,An Overview of Animal Hoarding, in PRAXIS, 7/2007, S.58–64.
- ↑ http://www.tierschutzbund.de/fileadmin/mediendatenbank_free/Positionspapiere/animal_hoarding.pdf
- ↑ Schulemann-Maier 2009, S. 34.
Literatur
- Wustmann TM, Verwahrlosung, Vermüllung und Horten – eine katamnestische Studie in der Stadt Halle (Saale), Dissertation, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2006, S.30 (PDF-Datei; 743 kB)
- Isert J, "Animal Hoarding" - Tierquälerei auf engstem Raum, Stern, Artikel vom 21. Dezember 2007
- Positionspapier des Deutschen Tierschutzbundes "Animal Hoarding" (PDF-Datei)
- Frost RO, People Who Hoard Animals, in Psychiatric Times, 17/2000
- Frost RO, Gross RC, The hoarding of possessions., in Behav Res Ther, 31/1993, S.367–81.
- Behind Closed Doors: The Horrors of Animal Hoarding auf der Internetpräsenz der Humane Society of the United States
- The Hoarding of Animals Research Consortium an der Tufts University
- Literaturliste von OCHD
- Gaby Schulemann-Maier: Tiersammler - wenn aus Tierliebe Quälerei wird. In: WP-Magazin 5 2009, S.34-37
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