Barocklaute

Barocklaute

Der Oberbegriff Barocklaute bezeichnet verschiedene europäische Lautentypen des 17. und 18. Jahrhunderts. Kennzeichnend ist, dass zu den sechs Spielchören auf dem Griffbrett (petit jeu) die Erweiterung des Bassregisters durch zusätzliche, diatonisch gestimmte Bass-Saiten tritt (grand jeu). Neben der Barocklaute existieren weitere Lauteninstrumente der Barockzeit wie Theorbe, Angelica und Mandora.

Inhaltsverzeichnis

Übergangszeit

Doppelkopflaute

Ungefähr ab 1580 wurde in Europa vermehrt Musik für Laute mit sieben und acht Chören komponiert. Die Saitenzahl der Laute wurde bis ca. 1620 auf bis zu zwölf Chöre vermehrt. Dazu kamen Experimente mit der Stimmung des petit jeu. In der einschlägigen Sekundärliteratur sind über zwanzig verschiedene Stimmungen der Spielsaiten gezählt worden. [1] Die zwei prominentesten Stimmungen dürften der so genannte Ton ravissant (mit fast tausend erhaltenen Stücken) und das Sharp tuning (mit über fünfhundert erhaltenen Stücken) gewesen sein.

Ton ravissant, nominelle Stimmung nach Mace: g' - e' - c - a - e - H - A-G-F-E-D-C

Sharp tuning, nominelle Stimmung (10ch. Laute): e' - c' - a - f - c - G - F - E - D - C

Die tatsächliche Tonhöhe dürfte sich nach dem Saitenmaterial gerichtet haben.

Schließlich wurden verschiedene bautechnische Lösungen für die Aufnahme des Bassregisters probiert. Sehr verbreitet war in der Übergangszeit die Laute mit zwei Wirbelkästen, später "double-headed lute" oder "Doppelkopflaute" genannt, bei der neben dem nach hinten abgeknickten Wirbelkasten ein zweiter, nicht abgeknickter Wirbelkasten für bis zu vier Basschöre angebracht war.

Französische Barocklaute

Elfchörige franz. Barocklaute

Nach der experimentellen Phase in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte sich in Frankreich die Barocklaute mit elf Chören durch. Das petit jeu ist in Quarten sowie in kleinen und großen Terzen gestimmt. Nominell - die tatsächliche Tonhöhe dürfte sich nach dem Saitenmaterial gerichtet haben - kann die Stimmung angegeben werden, wie folgt: f' - d' - a - f - d - A - G - F - E - D - C (später so genannte "neufranzösische" oder auch "d-Moll-Stimmung").

Bei der Bauweise kehrten die französischen Lautenbauer zum Renaissancemodell der einfachen Knickhalslaute ohne Bassreiter oder Theorbierung zurück. Besonders Renaissancelauten der deutschen Lautenbauer Laux Maler (1518-1552, Bologna) und Hans Frei, deren Werkstätten in Italien gewesen waren, wurden im 17. Jahrhundert dort aufgekauft, nach Frankreich gebracht und hier zu Barocklauten umgebaut.

Schwanenhals-Barocklaute nach Martin Hoffmann

Am Hof Ludwigs XIII. herrschte ein regelrechter Kult um die Laute (sogar Richelieu nahm Unterricht bei Ennemond Gaultier). Durch die allgemein verbreitete Nachahmung französischer Kultur und Lebensweise erlangte die französische Barocklaute während des 17. Jahrhunderts in ganz Europa (außer in Italien) Popularität. Mit ihr verbreitete sich die französische Lautenmusik und der ihr eigene Stil (vertreten von Komponisten wie René Mézangeau, Ennemond Gaultier, Denis Gaultier, François Dufault), der zunächst auch von Clavecinisten wie Johann Jakob Froberger, Louis Couperin, Nicolas Antoine Le Bègue nachgeahmt wurde.

Deutsche Barocklaute

Der Dresdner Virtuose und Komponist Silvius Leopold Weiss fügte der französischen Barocklaute ab ca. 1720 im Bass zwei weitere Chöre hinzu. Für diese zusätzlichen Saiten gab es hauptsächlich zwei bautechnische Lösungen:

  • Einen auf den abgeknickten Wirbelkasten aufgesetzten Bassreiter
  • Theorbierung, d. h. der Wirbelkasten wird nicht abgeknickt, sondern, wie bei der Theorbe, gerade an den Hals angebaut und um einen zweiten, wiederum in Längsrichtung aufgesetzten Wirbelkasten erweitert, der fünf Chöre aufnimmt. Dieser zweite Wirbelkasten wird nach seiner geschwungenen Verbindung Schwanenhals genannt. Auch Lauten mit insgesamt drei Wirbelkästen sind erhalten.
Italienische Barocklaute (Liuto attiorbato) von Matteo Sellas

In der Form als Schwanenhalslaute hat die Barocklaute bis in die Zeit der Frühklassik überlebt (Bernhard Joachim Hagen, Adam Falckenhagen, Jakob Friedrich Kleinknecht, Christian Gottlieb Scheidler).

Italienische Barocklaute

In Italien behielt die Barocklaute die aus der Renaissance überkommene Stimmung der Spielsaiten in Quarten und einer großen Terz, nominell: G - c - f - a - d' - g'. Hinzu treten bis zu acht Bordune, die je nach Tonart einzustimmen sind. Die bautechnische Lösung für die Aufnahme der Bass-Saiten bestand in der Theorbierung, d. h. an dem in Längsrichtung des Halses angesetzten Wirbelkasten wurde eine Verlängerung mit einem zweiten Wirbelkasten angebracht (liuto attiorbato).

Als Komponisten sind zu nennen: Johann Hieronymus Kapsberger, Alessandro Piccinini, Pietro Paolo Melii, Bernardo Gianoncelli, Giovanni Zamboni, Filippo dalla Casa.

Georg Friedrich Händel setzte die italienische Barocklaute in ihrer Großform als Arciliuto im Orchester ein.

Literatur

  • Thomas Mace: Musick’s Monument. London 1676. Faksimile-Nachdruck hg. vom Centre National de la Recherche Scientifique, 2. Aufl. Paris 1966
  • Andreas Schlegel: Die Laute in Europa - Geschichte und Geschichten zum Geniessen. A. Schlegel Verlag, 2007 ISBN 978-3-9523232-0-5
  • Ekkard Schulze-Kurz: Die Laute und ihre Stimmungen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Dissertation, Wislingen 1990 ISBN 3-927445-04-5
  • Franz J. Giesbert: Schule für die Barocklaute. Schott, Mainz 1939 ISMN: 979-0-001-04377-9
  • Stefan Lundgren: The Baroque Lute Companion. Lundgren Edition, München 1993
  • Toyohiko Satoh: Method for the Baroque Lute. Tree Edition, München 1987
  • Michel Serdoura: Method for the Baroque Lute. Ut Orpheus Edizioni, Bologna 2008, ISMN 979-0-2153-1599-0

Einzelnachweise

  1. Historische Hinweise

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