Unvereinbarkeitsbeschluss

Unvereinbarkeitsbeschluss
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Unvereinbarungsbeschlüsse sind in der Bundesrepublik Deutschland Regelungen von Parteien, Vereinen und Verbänden, nach denen die gleichzeitige Mitgliedschaft in dieser Organisation mit der Mitgliedschaft in einer anderen, namentlich benannten Organisation, unvereinbar ist und ein Aufnahmehindernis oder einen Ausschlussgrund darstellt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Unvereinbarkeitsbeschlüsse sind nichts Neues. Bereits 1925 beschloss die SPD die Unvereinbarkeit mit der Mitgliedschaft in linken Organisationen, zum Beispiel dem Internationalen Jugendbund (IJB) und der Roten Hilfe. 1948 erklärte die SPD eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der VVN und 1961 im SDS für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in der SPD. Erst 2010 hob der Parteivorstand der SPD den Unvereinbarkeitsbeschluss für Mitgliedschaft in der VVN auf.

Rechtsfragen (deutsches Recht)

Vereine haben aufgrund der Vertragsfreiheit nach Maßgabe ihrer Satzung autonome Entscheidungsfreiheit, wen sie als Mitglied aufnehmen. Ein Aufnahmezwang kann jedoch nach § 19 und § 20 GWB und § 826 BGB für Vereine bestehen, die eine Monopolstellung oder eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich haben, und die deshalb für den einzelnen aus beruflichen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung sind, oder die mit der Ablehnung der Aufnahme sittenwidrig handeln würden. So können etwa Arbeitnehmer ihre Aufnahme in eine Gewerkschaft wegen deren überragender Machtstellung erzwingen, wenn keine sachlich berechtigten Gründe für ihre Ablehnung (zum Beispiel wegen gewerkschaftsfeindlicher Betätigung) vorliegen. Der Bundesgerichtshof unterwirft sie in ständiger Rechtsprechung einem grundsätzlichen Aufnahmezwang und leitet daraus ein begrenztes Ausschlussrecht ab. Vereine können Mitglieder bei vereinsschädigendem Verhalten ausschließen. Eine gerichtliche Überprüfung findet bei Vereinen nur auf Willkür und Gesetzeswidrigkeit statt. Es gilt Vereinsrecht als autonomes Recht, so dass die Zivilgerichte zuständig sind.

Nach dem Parteiengesetz sind die Parteien zwar in der Auswahl ihrer Mitglieder frei. Ein Ausschluss ist hingegen an strenge Voraussetzungen geknüpft: Ein Mitglied kann gem. § 10 Abs. 4 Parteiengesetz nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt

Satzungen

Ein Mitglied, das vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verstößt und der Partei damit schweren Schaden zufügt, kann ausgeschlossen werden.
  • CDU Statut § 11 Abs. 1 und § 12
(1) Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung der Partei oder erheblich gegen deren Grundsätze oder Ordnung verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.
Parteischädigend verhält sich insbesondere, wer
  1. zugleich einer anderen Partei innerhalb des Tätigkeitsgebietes der CDU oder einer anderen politischen, mit der CDU konkurrierenden Gruppe oder deren parlamentarischen Vertretung angehört;
  2. in Versammlungen politischer Gegner, in deren Rundfunksendungen, Fernsehsendungen oder Presseorganen gegen die erklärte Politik der Union Stellung nimmt,
  3. als Kandidat der CDU in eine Vertretungskörperschaft gewählt ist und der CDU-Fraktion nicht beitritt oder aus ihr ausscheidet,
  4. vertrauliche Parteivorgänge veröffentlicht oder an politische Gegner verrät,
  5. Vermögen, das der Partei gehört oder zur Verfügung steht, veruntreut.
  • FDP Satzung § 6 Abs 2:
Ein Mitglied kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt. Ein Verstoß im Sinne von Satz eins liegt vor, wenn ein Mitglied vor oder während seiner Mitgliedschaft in der Partei Mitbürger als Gegner eines totalitären Regimes denunziert oder seine gesellschaftliche Stellung dazu missbraucht hat, andere zu verfolgen. Ein Verstoß im Sinne von Satz eins liegt ferner bei Verletzung der richterlichen Schweigepflicht, Verweigerung des Beitritts zur oder Austritt aus der parlamentarischen Gruppe der Partei sowie bei unterlassener Beitragszahlung vor. Ein Verstoß im Sinne von Satz eins liegt auch vor, wenn ein Mitglied die ihm übertragene Buchführungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, Spenden nicht den gesetzlichen oder den Vorschriften der Finanzordnung entsprechend abrechnet beziehungsweise abliefert oder Mittel nicht den Vorschriften und Beschlüssen entsprechend verwendet und dadurch der Partei finanziellen Schaden von nicht unbedeutender Höhe zufügt.
  • SPD Organisationsstatut § 6.
(1) Unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der SPD ist die gleichzeitige Mitgliedschaft in einer anderen politischen Partei. Das gleiche gilt für die Tätigkeit, Kandidatur oder Unterschriftsleistung für eine andere politische Partei. Das gleiche gilt im Fall einer Kandidatur gegen die von der zuständigen Parteigliederung bereits beschlossene Nominierung für ein öffentliches Amt oder Mandat.
(2) Entsprechendes gilt für Vereinigungen, die gegen die SPD wirken. Die Feststellung der Unvereinbarkeit trifft der Parteivorstand im Benehmen mit dem Parteirat. Er kann die Feststellung wieder aufheben.
(3) Diese Feststellung bindet auch die Schiedskommissionen.
(4) Für kommunale Wählervereinigungen gilt Abs.1 entsprechend, wenn eigene Parteilisten bestehen. Über Ausnahmen entscheidet der Bezirksvorstand.
Der Ausschluss von Mitgliedern ohne Untersuchungsverfahren kann auch erfolgen, wenn sie einer gegnerischen Organisation angehören oder sich an deren gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten beteiligen oder diese unterstützen.

Rechtsprechung

Vereinsfragen sind nur einer beschränkten Kontrolle durch die staatlichen Gerichte unterworfen, die sich auf die Prüfung beschränkt, ob die verhängte Maßnahme eine Grundlage im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßige Verfahren beachtet worden ist, sonst keine Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist (vergleiche BGHZ 87, 337, 343 m.w.N.).

Die Möglichkeit von Unvereinbarkeitsbeschlüssen in Parteien ist in § 10 PartG und den Parteisatzungen geregelt. Es ist nicht Sache der staatlichen Gerichte, über die Auslegung der Satzung und der bestimmenden Parteibeschlüsse zu entscheiden. Die Einschätzung, ob ein bestimmtes Verhalten einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Satzung oder einen erheblichen Verstoß gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei bedeutet und der Partei damit schweren Schaden zufügt ist nicht von Gerichten zu prüfen. Weil es sich bei politischen Parteien weder um Monopolverbände noch um Vereinigungen mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich handele, die einem Aufnahmezwang unterlägen, gelte kein erweiterter Prüfungsmaßstab. (Bundesverfassungsgericht – 2 BvR 307/01)

Dagegen gilt bei Gewerkschaften: Es besteht ein Aufnahmezwang, „wenn der Verein oder Verband im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein schwerwiegendes Interesse von Beitrittswilligen am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.“ (BGH 12. Oktober 1984 – I ZR 91/84 – BGHZ 93, 51 = JuS 1985, 564). Danach sind Gewerkschaften grundsätzlich befugt, zum Schutz ihres Rechtes auf Selbstbewahrung in ihren Satzungen die Beendigung der Mitgliedschaft vorzusehen, wenn ein Mitglied einer mit den Zielen der Gewerkschaft unvereinbaren Gruppierung, insbesondere einer gegnerischen politischen Partei, angehört (BGH, Az:II ZR 255/89). Gerechtfertigt kann danach ein Unvereinbarkeitsbeschluss bei Gewerkschaften in folgenden Fällen sein:

  • Bei Mitgliedschaft in gewerkschaftsfeindlichen Parteien
Es ist durchaus vertretbar, daß die Gewerkschaft in den Programmen der „Die Republikaner“ tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verharmlosung des Nationalsozialismus findet und außerdem eine Überbetonung des Nationalen und eine Ausgrenzung der Ausländer feststellt, die es rechtfertigen, die Parteimitgliedschaft für unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zu halten. (LAG Düsseldorf 22. September 1994 – 8 O 486/93 – AuR 1995,m 382).
  • Bei Mitgliedschaft in radikalen Parteien
Einem Urteil des LG Frankfurt/Main vom 18. November 2003 zufolge dürfen Gewerkschaften grundsätzlich Mitglieder radikaler, noch nicht durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärter Parteien (hier: MLPD) ausschließen, soweit die Partei verfassungswidrige Ziele verfolgt. Das Recht zur parteipolitischen Betätigung aus Art. 21 GG finde im durch Art. 9 Abs.3 GG gewährleisteten Recht der Gewerkschaft zur Verteidigung ihrer inneren Ordnung seine Grenzen (AZ: 2-19 O 160/03)
  • Bei Mitgliedschaft in gewerkschaftsfeindlichen Organisationen
  • Aus der Gewerkschaft kann ausgeschlossen werden, wer bei der Betriebsratswahl auf einer Liste kandidiert, die mit einer gewerkschaftlich unterstützten Liste konkurriert(Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 123/93)

Bekannte Unvereinbarungsbeschluss-Regelungen

  • IG Metall: Seit 1973 erklärt die IGM bestimmte Parteien und Organisationen zu "gegnerischen Organisationen". Wer diese Organisationen aktiv unterstützt oder Mitglied ist, kann ohne weiteres Verfahren aus der IGM ausgeschlossen werde. In den 1970er Jahren wurden aus der IGM wie auch aus vielen anderen DGB-Gewerkschaften vor allem Mitglieder verschiedener maoistischer K-Gruppen wie KPD/ML, KPD/AO oder KBW ausgeschlossen. Viele von diesen Ausschlüssen Betroffenen wurden ab den späten 1970er Jahren, ohne die Unvereinbarkeitsbeschlüsse formell aufzuheben wieder als Gewerkschaftsmitglieder aufgenommen. Ab den 1980er Jahren kam es zu vereinzelten Ausschlüssen von Mitgliedern der MLPD, die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses von MLPD-Mitgliedern wurde vom BGH (Az: II ZR 255/89) bestätigt. Zugleich bestehen in allen DGB-Gewerkschaften Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die Mitglieder rechtsextremer Parteien wie beispielsweise gegen die NPD und die DVU.
  • SPD gegen Mitglieder der VVN (1948, aufgehoben: 2010), aktive Angehörige von Studentenverbindungen (1954; in den 1960ern aufgehoben), Demokratischer Kulturbund Deutschlands (1960), des SDS (1961), Bund freies Deutschland (1974), Scientology (1995), Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit e.V. (2005)
  • FDP Seit 1990 ist die Mitgliedschaft bei Scientology mit der FDP-Mitgliedschaft unvereinbar. Zu einer richterlichen Überprüfung kam es bisher nicht.
  • CDU Seit 1991 ist Mitgliedschaft bei Scientology mit der CDU-Mitgliedschaft unvereinbar. Rechtmäßigkeit der Regelung durch das Bundesverfassungsgericht (Az: 2 BvR 307/01) bestätigt

Öffentlich bekannt gewordene Einzelfälle

  • 1961 schloss die SPD den Politologen Wolfgang Abendroth aus der Partei aus, weil er sich weigerte, aus dem Unterstützerkreis des SDS auszutreten.
  • 1975 schloss die SPD den schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten Richard Bünemann wegen des Verstoßes gegen das Zusammenarbeitsverbot mit der DKP aus der Partei aus.
  • 1977 schloss die SPD den Bundesvorsitzenden der Jungsozialisten, Klaus-Uwe Benneter, aus der Partei aus, weil er mit der DKP zusammengearbeitet habe.
  • 1977 betrieb der Vorstand der IG Metall ein Ausschlussverfahren gegen Heinz Brandt, der bis 1974 Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift metall gewesen war. Grund war das Engagement Brandts in der Anti-AKW-Bewegung. Das Verfahren wurde nach Protesten von Teilen der IGM-Basis und aus der linksliberalen und linken Öffentlichkeit eingestellt.
  • Anfang der 1990er Jahre wurden verschiedene Mitglieder der Hamburger FDP wegen gleichzeitiger Mitgliedschaft bei Scientology aus der Partei ausgeschlossen. Es wird vermutet, dass Scientology den Landesverband der FDP hatte unterwandern wollen.
  • Stefan Engel (Ausschluss aus der IG Metall wegen MLPD-Mitgliedschaft)

Literatur

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