Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Basisdaten
Titel: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Kurztitel: Kartellgesetz nichtamtl.
Abkürzung: GWB
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Wettbewerbsrecht, Kartellrecht
Fundstellennachweis: 703-5
Ursprüngliche Fassung vom: 27. Juli 1957
(BGBl. I S. 1081)
Inkrafttreten am: 1. Januar 1958
Neubekanntmachung vom: 15. Juli 2005
(BGBl. I S. 2114,
ber. 2009 I S. 3850)
Letzte Neufassung vom: 26. August 1998
(BGBl. I S. 2521, 2546)
Inkrafttreten der
Neufassung am:
1. Januar 1999
Letzte Änderung durch: Art. 3 G vom 26. Juli 2011
(BGBl. I S. 1554, 1592 f.)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
4. August 2011
(Art. 8 G vom 26. Juli 2011)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist die Zentralnorm des deutschen Kartell- und Wettbewerbsrechts.

Das Gesetz ist der Erhaltung eines funktionierenden, ungehinderten und möglichst vielgestaltigen Wettbewerbs verschrieben und reglementiert und bekämpft daher vor allem die Akkumulation und den Missbrauch von Marktmacht sowie die Koordination und Begrenzung des Wettbewerbsverhaltens unabhängiger Marktteilnehmer.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Im Einzelnen enthält das Gesetz vor allem Bestimmungen betreffend

Zu den Regelungsbereichen im Einzelnen siehe die jeweils in Bezug genommenen Spezialartikel.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird vielfach durch europäisches Wettbewerbsrecht beeinflusst und überlagert. Das gilt beispielsweise und vor allem insoweit, als für Wettbewerbsbeschränkungen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen können, das europäische – und nicht das deutsche – Kartellverbot aus Art. 101 des AEU-Vertrages (ehemals Art. 81 des EG-Vertrages) gilt, und Unternehmenszusammenschlüsse, sofern sie die entsprechenden Umsatzschwellen erreichen, der europäischen und nicht der deutschen Zusammenschlusskontrolle unterliegen.

Aus Anlass der Modernisierung des sekundären europäischen Wettbewerbsrechts im Zusammenhang mit der Osterweiterung der Europäischen Gemeinschaft mit Wirkung zum 1. Mai 2004 wurde auch das GWB einer umfassenden Revision unterzogen, die insbesondere die Bestimmungen über Wettbewerbsbeschränkungen, namentlich das Kartellverbot, grundlegend umgestaltete und den europarechtlichen Bestimmungen angeglichen hat.

Das Gesetz akzeptiert bestehende Marktmacht. Möglichkeiten zur Entflechtung bestehender Unternehmen sieht es nicht vor.[1] Ausgeführt und überwacht wird das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (mit Ausnahme des Vergaberechts) vor allem durch das Bundeskartellamt bzw. – soweit das GWB dies zulässt – durch die Landeskartellbehörden in solchen Fällen, deren Bedeutung nicht über das Gebiet eines Bundeslandes hinausreicht.

Nicht zu verwechseln ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Anders als das GWB gewährleistet das UWG vor allem die Sittlichkeit, Lauterkeit und Fairness des Wettbewerbs.

Entstehung

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Potsdamer Abkommen (Teil III, Art. 12) die kurzfristige Dezentralisierung der im Zuge des Krieg stark verflochtenen deutschen Wirtschaft vorgesehen. Im Jahr 1947 erließen die britische, amerikanische und französische Militärregierung Gesetze und Verordnungen zur Dekartellierung (englisch: 'decartelization'). Neben dem politischen Ziel der Verminderung der deutschen Wirtschaftsleistung und Rüstungskapazität sollte damit – in Anlehnung an die US-amerikanische Antitrust-Politik – auch das Prinzip der Wettbewerbsfreiheit sichergestellt werden.[2]

Im Jahr 1948 wurden drei konkurrierende Gutachten für ein Kartellgesetz vorgelegt. Ein erster Referentenentwurf wurde 1951 vorgelegt. Der erste Regierungsentwurf wurde 1952 eingebracht. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gab ein Gutachten in Auftrag, welches 1953 fertiggestellt war. Daraufhin wurde vom BDI ein eigener Entwurf vorgeschlagen.

1955 ging die Zuständigkeit der alliierten Dekartellierungsgesetze auf den Bundesminister für Wirtschaft über.[2] Im selben Jahr standen viele konkurrierende Gesetzesentwürfe im Raum. Ein Jahr später kam es zu Auseinandersetzungen um die Fassung, wobei die Zusammenschlusskontrolle gestrichen wurde. Der Bundestag verabschiedete das GWB am 3. Juli 1957. Das Gesetz trat am 1. Januar 1958 in Kraft und löste die alliierten Dekartellierungsregelungen ab[2].

Dem 1958 beschlossen Gesetz lag der Gedanke des Ordoliberalismus der Freiburger Schule zu Grunde. Dem Staat oblag es dabei, ein Umfeld möglichst vollständiger Konkurrenz und freiem Leistungswettbewerb zu schaffen. Ein strenges Kartellverbot (so genanntes Verbotsprinzip) war demnach ebenso vorzusehen wie Möglichkeiten, Unternehmen zu entflechten und Unternehmenszusammenschlüsse zu untersagen. Das Kartellverbot § 1 GWB wurde durch zahlreiche Ausnahmen § 2, § 3, § 4, § 5, § 6, § 7 und § 8 GWB eingeschränkt. Auch abgestimmtes Verhalten wurde zunächst nicht durch das Gesetz erfasst. Aussagen darüber, welche Organe zur Zusammenschlusskontrolle befugt sind, machte das Gesetz zunächst nicht.[1]

Die Marktform der vollständigen Konkurrenz erwies sich als Leitbild der Wettbewerbspolitik ungeeignet. So wurde bezweifelt, ob der erhoffte Leistungswettbewerb in einem Markt vollständiger Konkurrenz überhaupt realisiert werden könnte. In der neoklassischen Theorie könnten in einem solchen Markt die Unternehmen einzig ihre Mengen zu vom Markt festgesetzten Preisen variieren. Auch unter weniger strengen Prämissen bestünde das Problem, dass erfolgreiche Marktpioniere mit Konsumentenpräferenzen (damit der Möglichkeit zu aktiver Preispolitik) dem theoretischen Postulat der Homogenität widersprechen.[1]

Zum 1. Januar 1965 wurde das GWB erstmals[2] novelliert. Dabei wurde die in § 19 GWB zunächst sehr eng gefasste Definition des Missbrauchstatbestandes aufgegeben und durch eine Generalklausel ersetzt. Zuvor hatte die Kartellbehörde den Nachweis führen müssen, „daß die Preise oder Geschäftsbedingungen erheblich von dem Stand abweichen, der bei wirksamen Wettbewerb bestehen würde und daß für diesen Umstand eine sachliche Rechtfertigung nicht vorhanden ist“.[1] Darüber hinaus erhielt die Kartellbehörde u. a. das Recht, selbstständig Geldbußen festzulegen § 81 GWB.[2]

Nach seinem Amtsantritt als Bundeswirtschaftsminister (1966) ließ Karl Schiller eine weitere Novellierung des GWB vorbereiten. 1969 legten Beamte des Ministeriums dazu ein „neues Leitbild der Wettbewerbspolitik“ vor. Das Papier basierte maßgeblich auf den wenige Jahre zuvor von Erhard Kantzenbach vorgelegten Konzept zur Bestimmung der optimalen Wettbewerbsintensität.[1]

Die 2. Novelle trat 1973 in Kraft, mit der eine grundlegende Überarbeitung des GWB erfolgte. So wurden u. a. Erleichterungen für mittelständische Unternehmen erreicht, die Missbrauchsaufsicht bei vertikaler Preisbildung verstärkt und die Maßstäbe für das Anzeigen von Unternehmenszusammenschlüssen wurden präzisiert. Neu aufgenommen wurde auch das Verbot aufeinander abgestimmten Verhaltens § 25 Abs. 1 GWB.[2] Darüber hinaus wurde auch die Monopolkommission (nach § 44, § 45, § 46, § 47 GWB) etabliert.

1976 erfolgte die 3. Novelle. Insbesondere wurde die Fusionskontrolle im Pressebereich verschärft, um Pressevielfalt und Informationsfreiheit zu sichern. Damit unterlagen auch kleinere Zusammenzuschlüsse im Pressebereich der Fusionskontrolle.[2]

Das Gesetz wurde 1980 durch die 4. Novelle geändert. Hier wurden unter anderem die Bestimmungen für Unternehmenszusammenschlüsse verschärft, das Diskriminierungsverbot ergänzt und einzelne Missbrauchstatbestände präzisiert. 1989 traten wiederum Änderungen im Rahmen der 5. Novelle in Kraft. Unter anderem wurden für Kleine und mittlere Unternehmen Einkaufskooperationen legalisiert, die Marktbeherrschungskriterien wurden um vertikale Elemente ergänzt und die Vorschriften gegen horizontale Verdrängungspraktiken wurden verschärft.[2]

1998 erfolgte die 6. Novelle.[2] Hier wurde vor allem eine begrenzte Harmonisierung mit dem europäischen Wettbewerbsrecht erreicht und z. B. das Kartellverbot sowie der Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung als echter Verbotstatbestand aufgenommen. Mussten Kartelle bzw. Unternehmen mit abgestimmten Verhalten zuvor das tatsächliche Ziel der Wettbewerbsbeschränkung verfolgen, um vom Kartellverbot erfasst zu werden (so genannte Gegenstandstheorie), reicht seither das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Folgen aus (Folgetheorie)[1].

Zum 1. Juli 2005 ist die 7. GWB-Novelle in Kraft getreten, wodurch eine fast vollständige Angleichung an die Regelungen des EU-Kartellrechts (Art. 81, Art. 82 EG) erzielt wurde. Die Fragen des Pressekartellrechts wurden zunächst jedoch ausgeklammert.

Im Laufe der Zeit wurden eine Reihe von Sonderregelungen, die in den §§ 4 bis 18 GWB geregelt waren, aufgehoben. Derartige Sonderregelungen gab es beispielsweise für Konditionenkartelle (die auf einheitliche Zahlungsbedingungen u. a. gerichtet waren, ehemals § 2 Abs. 2) oder Strukturkrisenkartelle (ehemals § 6). Derartige Kartelle konnten unter Umständen durch das Bundeskartellamt genehmigt werden. Von der ehemals in § 8 vorgesehenen Ministererlaubnis, mit dem der Bundeswirtschaftsminister auf Antrag jedes Kartell aus überwiegenden Gründen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls genehmigen konnte, wurde (Stand: 1999) nicht Gebrauch gemacht[1].

Wechselndes Leitbild

Bereits in der Entstehung erzeugte das zugrunde gelegte Leitbild der vollständigen Konkurrenz (Polypol) in Verbindung mit den Interessen der deutschen Industrie Spannungen. Seit 1973 dominiert das Leitbild des funktionsfähigen Wettbewerbs (nach John Maurice Clark) sowie Gedanken aus Kantzenbachs Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität die Zweckbestimmung des GWB.

Literatur

  • Andreas Heinemann (Hrsg.): Gewerblicher Rechtsschutz, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht. Loseblattsammlung, München: C.H. Beck 2008, ISBN 978-3-406-45350-2.
  • Helmut Köhler (Hrsg.): Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. München: C.H. Beck 2008, ISBN 978-3-406-57635-5.
  • Florian Mächtel, Ralf Uhrich, Achim Förster (Hrsg.): Geistiges Eigentum. Vorschriftensammlung zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht. 2. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2009, ISBN 978-3-16-150108-1 (Inhaltsverzeichnis)
  • Rudolf Weyand: Vergabrecht. Praxiskommentar zu GWB, VgV, SektVO, VOB/A, VOLA/A, VOF, 3.Aufl., München 2011, ISBN 978-3-406-57874-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Hartmut Berg: Wettbewerbspolitik. In: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik. Band 2., 7. Auflage, Vahlen-Verlag, München 1999, ISBN 3-8006-2382-X, S. 307, 314, 336–339, 344
  2. a b c d e f g h i Ingo Schmidt: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 6. Auflage, Stuttgart 1999, ISBN 3-8282-0090-7, S. 161–166.
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