Urkommunismus

Urkommunismus

Urkommunismus bezeichnet vor allem in der Geschichtsauffassung des Marxismus frühe menschliche Lebensformen, in denen noch keine gesellschaftliche Arbeitsteilung und demnach keine Klassenbildung, hingegen ein Gemeineigentum aller lebensnotwendigen Güter angenommen werden. Solche Verhältnisse können in einer Zeit vor der Herausbildung der Gattenfamilie aus Mutter, Vater, Kindern, als Leben in weitgehend ungeregelten „Horden" bestanden haben. Wie auch in dem, dem Kapitalismus als nachfolgend prognostizierten Kommunismus der hochentwickelten menschlichen Gesellschaft, gibt es im Urkommunismus weder Geld noch Privateigentum an gesellschaftlichen Produktionsmitteln (z.B. Fabriken) und keine oder kaum Produktion für den Tausch oder Handel, also keine Warenproduktion, sondern lediglich die Produktion von Gebrauchsgütern für den meist eigenen und baldigen Verbrauch in der Horde. Damit ist eine Anhäufung von Werten und Waren als gesellschaftliche Bereicherungsmittel und Machtbasis ausgeschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Theoretische Abhandlung

Friedrich Engels definierte in seinem Aufsatz Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats (MEW, Bd. 21, erschienen 1884) diese Zeit der „Wildheit“ vor dem Aufkommen des Privateigentums als Urkommunismus. In diesen Gesellschaftsformationen nimmt er weder persönliches Eigentum noch Familie, soziale Differenzierung, Herrschaft, Überproduktion oder Ideologie an.

Ob ein Urkommunismus aber allgemein als frühgeschichtliches Stadium der Menschheitsentwicklung wie im marxistischen historischen Materialismus anzusehen ist, ist umstritten. Nach der marxistischen Theorie verändern sich gesellschaftliche Formationen mit der Produktivkraftentwicklung und den Produktionsverhältnissen. Im Urkommunismus bedeutete das konkret, dass mit zunehmender Produktivkraftentwicklung die Jäger und Sammler zu Hirten und mehr ortsgebundenen Züchtern und Bauern wurden. Urbar gemachtes Land, Vieh und Menschen schufen jedoch die Voraussetzung für die Sklavenhaltergesellschaften und den späteren Feudalismus. Diese Sesshaftigkeit und die beginnende Über- und Vorratsproduktion zusammen mit den Mitteln der Lebensmittelkonservierung und dem Bevölkerungswachstum, schufen den Bedarf und die Möglichkeit des Handels, also den Tausch von zunächst Ware gegen Ware - später auch von Ware gegen Geld. Nach marxistischer Ansicht, Marx: "Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte von Klassenkämpfen", führten diese Produktionsverhältnisse zum Übergang zur Sklavenhaltergesellschaft und dem Feudalismus, da wegen des Überprodukts, dem Handel und der Haltbarkeit von Waren und Werten nicht mehr alle arbeiten mussten, sofern sie in der Lage waren sich Reichtümer anderer anzueignen. Der Raub von Leibeigenen, Land und Vieh, beendete somit den Urkommunismus.

Literatur

Da „Urkommunismus“ ein marxistisch hochbedeutsamer, aber stofflich entlegener Begriff war, fanden sich unter marxistischen Gelehrten zunächst keine mit dem Ehrgeiz, ihn über Engels' Studie hinausgehend zu entwickeln. In der nichtmarxistischen Ur- und Frühgeschichte wurde er wenig ernst genommen, obwohl gelegentlich mitbehandelt, dann aber oft abgetan. Einführend wären zu nennen:

  • Friedrich Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Band 21. 5. Auflage. Karl Dietz Verlag, Berlin [1884] 1975.
  • Karl August Wittfogel: Vom Urkommunismus bis zur proletarischen Revolution. Eine Skizze der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Teil 1: Urkommunismus und Feudalismus. Verlag Junge Garde, Berlin 1922.
  • Lars Hennings, Marx, Engels und die Teilung der Arbeit. Ein einführendes Lesebuch in Gesellschaftstheorie und Geschichte. Selbstverlag, Berlin 2007, ISBN 978-1-84799-058-7

Siehe auch

Weblinks


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