- Vegetationsaufnahme
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Eine Vegetationsaufnahme ist eine tabellarisch angeordnete Liste von Pflanzenarten einer Pflanzengesellschaft[1]. Die Vegetationsaufnahme stellt die empirische Basis der Pflanzensoziologie bereit.
Beim Erstellen einer Vegetationsaufnahme, meist kurz als Aufnahme bezeichnet, wird, zumindest in Mitteleuropa, die Methode von Josias Braun-Blanquet verwendet. Dazu werden auf einer homogenen Fläche, geordnet nach Schichten (Baum-, Strauch-, Krautschicht) die vorkommenden Pflanzenarten aufgelistet und gemäß dem Deckungsgrad, also der Bodenfläche, die ihre Blätter bedecken, und dem Wuchsverhalten (Soziabilität) bewertet. Dazu werden die klassische oder die erweiterte Skala nach Braun-Blanquet benutzt (Schätzwerte zur Artmächtigkeit).
Inhaltsverzeichnis
Pflanzensoziologische Vegetationsaufnahme
Für die Vegetationsaufnahme wird als erstes die Aufnahmefläche gewählt, die einen homogenen Pflanzenbestand umfassen und eine bestimmte Mindestgröße, das Minimumareal, nicht unterschreiten soll[2]. Zur Bestimmung des Minimumareals wird die Zunahme der Arten in Abhängigkeit von der Zunahme der Fläche notiert und in einer Artenzahl-Areal-Kurve graphisch dargestellt. Das Minimumareal ist beim Abflachen dieser Kurve erreicht. Seine Größe schwankt zwischen weniger als einem Quadratmeter bei Trittrasen und bis zu über 100 Quadratmeter bei Forstaufnahmen. Sie ist von der Homogenität des Bestandes, dem Artenreichtum der Pflanzengesellschaft und von der Vegetationsverteilung im Gelände abhängig.
In Mitteleuropa können folgende Flächengrößen als Richtwerte gelten:
Vegetationsbestand Aufnahmefläche Trittrasen 0,5 bis 1 m² Wiese und Weide 5 bis 25 m² Ruderalflur und Brache 10 bis 50 m² Ackerkrautschicht 20 bis 80 m² Wald und Forst 100 bis 500 m² In der Aufnahmefläche werden zunächst die Kopfdaten (Aufnahmeort, Daten zur Geländesituation, zur Vegetationsdeckung und -schichtung, zum Boden und zur Nutzung, geographische Koordinaten, Meereshöhe) erhoben. Eventuell werden diese nachträglich durch Daten aus Karten und anderen Datensammlungen ergänzt. Die Aufnahmefläche sollte fotografisch dokumentiert werden (Situation im Gelände, Abgrenzung, besondere Arten). Dann wird die Aufnahmefläche abgesucht, alle in ihr vertretenen Arten notiert und anschließend für jede Art einzeln Artmächtigkeit und Soziabilität nach Schätzskalen bewertet.
Die Artmächtigkeit wird nach einer kombinierten Abundanz-/Dominanz-Skala, der Braun-Blanquet-Skala angegeben. Bei Pflanzenarten mit niedriger Deckung wird die Individuenzahl (Abundanz) geschätzt, bei solchen mit einer Deckung ab 5 % der Deckungsgrad (Dominanz):
Symbol Individuenzahl Deckung r selten, ein Exemplar (deutlich unter 1 %) + wenige (2 bis 5) Exemplare (bis 1 %) 1 viele (6 bis 50) Exemplare (bis 5 %) 2 sehr viele (über 50) Exemplare (bis 5 %) (oder beliebig) 5 bis 25 % 3 (beliebig) 26 bis 50 % 4 (beliebig) 51 bis 75 % 5 (beliebig) 76 bis 100 % Um den Schätzwert 2 (5 bis 25 %) zu präzisieren, wurde von Reichelt & Wilmanns 1973 eine erweiterte Braun-Blanquet-Skala vorgeschlagen[3], die oft angewendet wird. Abweichende Schätzwerte nach dieser Skala:
Symbol Individuenzahl Deckung 2m sehr viele (über 50) Exemplare (bis 5 %) 2a (beliebig) 5 bis 15 % 2b (beliebig) 16 bis 25 % Bei der Soziabilität wird das Wuchsverhalten der einzelnen Arten und ihre Verteilung in der Aufnahmefläche bewertet. Es finden folgende Schätzwerte Verwendung:
Symbol Soziabilität 1 einzeln wachsend 2 in kleinen Gruppen oder horstweise wachsend 3 in kleinen Flecken oder Polstern wachsend 4 in kleinen Kolonien bis ausgedehnten Flecken (Teppichen) wachsend 5 in großen Herden wachsend Je nach Fragestellung können auch weitere qualitative Daten erhoben werden, z. B. zum phänologischen Zustand oder zur Vitalität der Pflanzen.
Vitalität (VIT) der Arten:
Symbol Vitalität oo sehr schwach, zufällig gekeimt, sich nicht vermehrend o geschwächt, kümmerlich Ø geschwächt, kümmerlich durch sichtbare Schäden • normal •• überaus kräftig Beispiel einer Vegetationsaufnahme nach der Braun-Blanquet-Skala:
Trittrasen am Straßenrand, Aufnahmefläche 0,15 × 1,00 m, Deckung 20%, Vegetationshöhe 1-5 cm, Substrat schluffiger Sand.
2.3 Poa annua
Die Angabe +.1 wird häufig verkürzt als + dargestellt. Viele Autoren geben nur den Deckungsgrad an und verzichten auf die Angabe der Soziabilität.
Phänologische Vegetationsaufnahme
Für die Beschreibung des Erscheinungsbildes eines Bestandes und des jahreszeitlichen Wandels kann eine phänologische Kartierung erstellt werden, die auch mit pflanzensoziologischen Vegetationsaufnahmen kombiniert werden kann[4].
Phänologische Phasen:
Zahl Monokotyle, Dikotyle Anmerkungen für Gehölze 1 Ohne Blütenstände Rosettenstadium 2 Beginn Ähren-/ Rispenschieben/ Blüten-standschieben verlängerte Triebe ohne Knospen 3 Ähren-/ Rispenschieben/ Blütenstand-schieben verlängerte Triebe mit Knospen 4 Abschluss Ähre-/Rispenschieben/ Blüten-standschieben Knospen kurz vor Blühbeginn 5 Blühbeginn Blühbeginn 6 Vollblüte Vollblüte 7 Ende der Blüte Ende der Blüte 8 Fruchtansatz Fruchtansatz 9 Reife Reife 10 Samen ausgefallen Samen ausgefallen Umsetzung
Bei der Durchführung einer Vegetationsaufnahme werden neben Bestimmungsliteratur, die auf das Gebiet abgestimmt sein sollte, ggf. Hilfsmittel benötigt, um z.B. bei Untersuchungen von Grasland die genaue Größe und Lage der Untersuchungsfläche abzustecken. Sollten wiederkehrende Untersuchungen geplant sein, bietet es sich an, die Fläche zu markieren z.B. mittels Pfählen oder Magneten im Boden, sollte die Fläche maschinell gemäht werden.
Bei der Erfassung ist zu beachten, dass das Erscheinungsbild der vorhandenen Arten von der Jahreswitterung und dem Zeitpunkt der Erfassung sowie in Abhängigkeit von Nutzungen z.B. durch Mahdhäufigkeit abhängt[5].
Literatur
- Norbert Knauer: Vegetationskunde und Landschaftsökologie. 315 S. Heidelberg 1981. ISBN 3-8252-0941-5
- Klaus Dierßen: Einführung in die Pflanzensoziologie. 241 S. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt [auch Akademie-Verlag Berlin]. 1990. ISBN 3-534-02151-7
- Peter Frankenberg: Vegetation und Raum. Konzepte der Ordinierung und Klassifizierung. 245 S. UTB für Wissenschaft Paderborn 1992. ISBN 3-8252-1177-0
- Hartmut Dierschke: Pflanzensoziologie. Grundlagen und Methoden. 683 S. Ulmer. Stuttgart. 1994. ISBN 3-8252-8078-0
- Otti Wilmanns: Ökologische Pflanzensoziologie: eine Einführung in die Vegetation Mitteleuropas. 6., neu bearb. Aufl., Quelle & Meyer, Wiesbaden 1998 ISBN 3-494-02239-9 (Volltext)
- Matthias Schaefer: Wörterbuch der Ökologie. 452 S.; 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 2003. ISBN 3-8274-0167-4
Einzelnachweise
- ↑ Matthias Schaefer: Wörterbuch der Ökologie. 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 2003, S. 366. ISBN 3-8274-0167-4.
- ↑ Siehe z.B. Norbert Knauer: Vegetationskunde und Landschaftsökologie. Heidelberg 1981: S.36f. oder Peter Frankenberg: Vegetation und Raum. Konzepte der Ordinierung und Klassifizierung. Paderborn 1982: S. 32–33.
- ↑ Vgl. Wilmanns (1989)
- ↑ Siehe z.B. Hartmut Dierschke: Saumgesellschaften im Vegetations- und Standortsgefälle an Waldrändern. Göttingen 1974. oder: Dierschke (1994).
- ↑ Ernst Klapp, Adolf Stählin: Landwirtschaftliche Jahrbücher. In: Wissenschaftliches Archiv für Landwirtschaft. 1929.
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