Verkehrssicherungspflicht

Verkehrssicherungspflicht

Eine Verkehrssicherungspflicht bzw. Verkehrspflicht ist in Deutschland eine deliktsrechtliche Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen, deren Unterlassen zu Schadensersatzansprüchen nach den §§ 823 ff. BGB führen kann.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern.

Entwicklung

Verkehrssicherungspflichten wurden entwickelt, um bei Unterlassungen oder mittelbaren Schädigungen (deliktische) Rechtspflichten zum Handeln zu begründen. Ansätze hierzu fanden sich bereits vor Inkrafttreten des BGB unter Geltung des gemeinen Rechts. Verkehrssicherungspflichten werden heute auch herangezogen, um bei mittelbaren Verletzungen die Rechtswidrigkeit des Handelns zu begründen. Die Begründung und Ausweitung der Verkehrssicherungspflichten ist ein Beispiel für die Verschiebung des gesetzgeberischen Schwerpunkts weg von der Handlungsfreiheit hin zu einem stärker werdenenden Güterschutz.

Ein ähnliches Rechtsinstitut ist die (in erster Linie im Strafrecht bedeutsame) Garantenpflicht. Weiterhin darf die Verkehrsicherungspflicht nicht mit der Gefährdungshaftung verwechselt werden. Für diese ist im Gegensatz zur Haftung aufgrund der Verletzung einer Verkehrsicherungspflicht kein Verschulden und kein rechtswidriges Verhalten notwendig.

Voraussetzungen und Reichweite

Bezüglich der Haftungsvoraussetzungen nach § 823 Abs. 1 BGB bestehen keine Besonderheiten. Es sind nur Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die der Verkehr erwarten kann. Es muss daher nicht jede theoretisch mögliche Gefährdung vermieden werden, sondern nur nahe liegende Gefahren. Außerdem muss das Gefährdungspotential für den Sichernden erkennbar sein. Grundsätzlich gilt: je höher das Gefahrenpotential, desto hochwertiger müssen die Sicherungsmaßnahmen sein. Kann es von der Gefahrenquelle ausgehend zu einer Gefährdung von Kindern kommen, so sind deren besondere Neugier und ihr geringes Gefahrerkennungsvermögen zu berücksichtigen. Ein zusätzliches Handeln Dritter, auch des Geschädigten selbst, ist grundsätzlich kein Ausschließungsgrund für eine Haftung nach § 823 BGB. Die Rechtswidrigkeit ist durch die Verletzung der Verkehrsicherungspflicht indiziert. Der Unterlassende muss möglicherweise einschlägige Rechtfertigungsgründe von sich aus beweisen.

Eine mögliche Einteilung des Schutzbereiches bzw. der Verkehrssicherungspflichtigen in Bezug auf die Haftung könnte wie folgt vorgenommen werden:

  • für die Sicherheit im eigenen Bereich (Hauseigentümer hat Schneeräumpflicht)
  • aufgrund einer Übernahme einer Aufgabe (Räumungsunternehmen, teilweise trifft den "Ur-Verkehrssicherungspflichtigen" hier eine Auswahl und Überwachungspflicht)
  • für vorangegangenes gefährdendes Tun (Ingerenz)

Vom Schutzbereich her ist nicht jedermann umfasst, es gilt auch hier die Vertrauenserwartung des Verkehrs zu berücksichtigen. Bspw. schließt der Hinweis: "Unbefugten ist der Zutritt verboten" eine Verkehrsicherungspflicht für zuwider handelnde Personen grundsätzlich aus.

Entstehungsgründe und praktische Bedeutung

Verkehrssicherungspflichten entstehen insbesondere durch ein vorangegangenes gefährdendes Tun - Ingerenz -, durch die Herrschaft über eine Gefahrensphäre und durch das Hervorrufen berechtigten Vertrauens in die Abwehr einer Gefahr. Die praktischen Anwendungsfälle für Verkehrssicherungspflichten sind äußerst vielfältig. Verkehrssicherungspflichten finden im Straßenverkehr, bei Gefahren durch den Zustand von Grundstücken und anderen Sachen (Gebäude/Wohnungen etc.), bei gefährlichen Veranstaltungen und risikoreichen beruflichen und sonstigen Tätigkeiten Anwendung. Auch die deliktsrechtliche Produkthaftung beruht auf Verkehrspflichten aufgrund der Herstellung gefährlicher Erzeugnisse. Innerhalb eines Unternehmens treffen die Verkehrssicherungspflichten - und damit die Haftung - nicht nur den Unternehmensträger, sondern ggf. auch Organe und Arbeitnehmer. Durch tatsächliche Übernahme einer gefahrenabwehrenden Tätigkeit kann die Verkehrssicherungspflicht bei einem Dritten entstehen; der ursprüngliche Pflichtenträger bleibt zur Überwachung verpflichtet.

Verkehrssicherungspflicht am Beispiel der Straßen in Deutschland

Auch im öffentlichen Verkehrsraum ist primär der Eigentümer der Immobilie verkehrssicherungspflichtig. Das ist bei Landesstraßen das Land, bei Kreisstraßen der Landkreis, bei Gemeindestraßen die Gemeinde, bei Privatstraßen der private Eigentümer. Die Verwaltung der Bundesfernstraßen ist gemäß Art. 90 Absatz 2 GG zwar den Ländern übertragen. Der Bund ist jedoch Träger der Straßenbaulast.

Verkehrssicherungspflicht im Wald

Waldbesitzer sind mit einer komplexen und nicht immer voll nachzuvollziehenden Rechtslage konfrontiert.[1]

Einzelnachweise

  1. Arbeitskreis Waldbau und Naturschutz NRW: "Gesetzliche Regelungen zur Verkehrssicherungspflicht im Wald". In: "Natur in NRW" 2/2007 DS. 28-30. [1]
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