Victory-Cinema

Victory-Cinema
Die Stadthalle

Die Stadthalle ist ein Lübecker Lichtspielhaus und gegenwärtig das älteste bespielte Kino der Stadt.

Inhaltsverzeichnis

Stadthallen-Theater

Zuschauerraum und Bühne des Stadthallen-Theaters im Jahre 1904

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand in Lübeck Bedarf nach einer Stadthalle, die als Theater, aber auch als Konzertsaal oder für andere kulturelle Veranstaltungen genutzt werden konnte. 1903 erwarb eine eigens zu diesem Zweck gegründete private Gesellschaft das Grundstück Mühlenbrücke 9-13, an der Südspitze der Altstadtinsel in der Verlängerung der Mühlenstraße gelegen.

Das Gebäude, von Otto Kerwien errichtet in den historisierenden Formen einer an die backsteingotische Architektur angelehnten Neugotik, wurde im Oktober 1904 als Stadthallen-Theater eingeweiht. Bereits 1907 fand ein erster Umbau statt, da die Akustik des Theatersaals erhebliche Mängel aufwies.

Im August 1915 geriet der Betreiber in finanzielle Schwierigkeiten; die Stadthalle wurde von der Hansestadt Lübeck übernommen. Für die langfristige Nutzung des im Unterhalt äußerst kostspieligen Gebäudes bestand jedoch zunächst kein Konzept. Selbst der Umbau zu einem Hallenbad wurde in Erwägung gezogen. Die Verpachtung an ein Theaterunternehmen schied aus, da man Konkurrenz für das Stadttheater befürchtete.

Nach dem Ersten Weltkrieg

Erst im Februar 1919 fand sich ein für die Stadt Lübeck akzeptabler Pächter: Die James Henschel GmbH, ein Tochterunternehmen der Universum Film AG, das mehrere Kinos in Hamburg betrieb und zudem ein bedeutender Filmverleih im norddeutschen Raum war, übernahm die Stadthalle als Lichtspielhaus. Im Pachtvertrag behielt sich die Stadt vor, Einfluss auf das Kinoprogramm zu nehmen und erhielt als Eigentümer des Gebäudes das Recht, die Stadthalle gegebenenfalls für eigene Veranstaltungen nutzen zu können.

Nachdem die notwendigen Umbauten vollendet waren, fand am 19. September 1919 die Eröffnung der Stadthallen-Lichtspiele statt, die mit 1200 Plätzen das größte Kino Lübecks waren. Im Unterschied zu den bis dahin bestehenden Kinos der Stadt galt ein Besuch der als vornehmer empfundenen und zudem obrigkeitlich kontrollierten Stadthalle von Anfang an als respektable Unterhaltung und nicht als anspruchslose bis anrüchige Zerstreuung für die Unterschicht.

Im September 1929 verzichtete Henschel auf die Verlängerung des Pachtvertrags. Sein Partner, der Hamburger Geschäftsmann Wilhelm Markmann, benötigte wegen der anstehenden kostspieligen Umrüstung auf Tonfilmapparaturen und für die dringend notwendige Renovierung der Stadthalle neue Teilhaber. Er gewann den Lübecker Kaufmann Leopold Gonser und den Musikalienhändler Ernst Robert. Robert schied nach wenigen Jahren wieder aus der Teilhaberschaft aus, und Markmann trat geschäftlich nur noch selten in Erscheinung, so dass die Leitung des Lichtspielhauses in den folgenden Jahrzehnten alleine bei Gonser lag.

Mit dem neu gewonnenen Kapital wurden die Stadthallen-Lichtspiele 1930 zu einem Tonfilmkino umgerüstet. 1934 folgte eine umfassende Modernisierung, wobei auch die mittlerweile als altmodisch empfundenen reichhaltigen Stuckverzierungen und Dekorationen, die noch aus der Zeit der ursprünglichen Nutzung als Theater stammten, entfernt wurden. Neben einem zeitgemäßeren Erscheinungsbild versprach man sich davon eine Verbesserung der nach wie vor unbefriedigenden Akustik, die jedoch nicht eintrat.

1938, angesichts der Konkurrenz des Delta-Palastes, banden sich die Stadthallen-Lichtspiele als sogenanntes Regietheater eng an die Universum Film AG, da es nur auf diese Weise möglich war, die publikumswirksamen Produktionen des Konzerns zu erhalten, die für ein Kino dieser Größe unverzichtbar waren. Die Stadthalle wurde vertraglich verpflichtet, 8% der Einspielergebnisse an die Ufa abzutreten und erhielt im Gegenzug günstigere Verleihkonditionen als unabhängige Lichtspielhäuser. Dank der bevorzugten Behandlung durch den Ufa-Konzern wurde die Stadthalle wieder zum führenden Kino Lübecks.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Der britische Bombenangriff vom 28. März 1942, der große Teile der historischen Lübecker Altstadt vernichtete, traf auch die Stadthalle. Der Kinosaal wurde zerstört, während der vordere Teil des Gebäudes mit dem Foyer nur verhältnismäßig geringe Schäden davontrug. Eingangshalle und Foyer wurden zum behelfsmäßigen Saal umgebaut; noch im selben Jahr wurde das Kino als Not-Lichtspiel-Theater Stadthalle mit 400 Plätzen wiedereröffnet.

Nach der Besetzung Lübecks durch britische Streitkräfte am 2. Mail 1945 wurde die Stadthalle beschlagnahmt und diente als Victory-Cinema ausschließlich englischen Soldaten und ihren Familien. Am 31. April 1947 wurde sie Leopold Gonser zurückerstattet und die Betriebserlaubnis als unabhängiges Kino erteilt.

1951 begann die Errichtung eines neuen Saals, unterstützt durch zweckgebundene Mittel des Landes Schleswig-Holstein für die Beseitigung von Kriegsschäden. Entsprechend den Interessen der Stadt Lübeck, die nach wie vor Eigentümerin der Stadthalle war, entstand ein in erster Linie als moderne Kongress- und Konzerthalle mit 1011 Plätzen konzipierter Bau, dessen tatsächliche Hauptnutzung als Kino zahlreiche Kompromisse erforderte. Der neue Pachtvertrag mit Gonser war inhaltlich nahezu identisch mit dem 1919 mit Henschel geschlossenen. Die Stadt ließ sich das Recht zusichern, die Stadthalle jährlich für 10 Kongresse, 18 kulturelle Veranstaltungen sowie eine beliebige Anzahl sonstiger Großveranstaltungen nach Bedarf nutzen zu können.

Die Doppelnutzung der Stadthalle erwies sich in den Folgejahren als problematisch, da die Akustik des Kompromissbaus weder für Konzerte noch Filmvorführungen ideal war. Für Kongresse wurde sie so gut wie nie verwendet.

Nach Leopold Gonsers Tod im Dezember 1953 übernahmen seine Tocher Barbara und ihr Ehemann Kurt Bovensiepen die Leitung der Stadthallen-Lichtspiele, die durch die nötige Berücksichtigung von Veranstaltungswünschen der Stadt und die ungünstigen Konditionen, die unabhängige Lichtspielhäuser gegenüber Kinoketten von Filmverleihern erhielten, kompliziert wurde. Als zu Beginn der 1960er Jahre unter anderem durch die zunehmende Verbreitung des Fernsehens die Zuschauerzahlen in den Kinos abnahmen, war eine Verkleinerung des Kinosaales aufgrund der Doppelnutzung nicht möglich, und auch ein stärker ausgewähltes Filmprogramm ließ sich nicht umsetzen, da der große Saal zur Kostendeckung die Vorführung von Mainstream-Filmen mit entsprechender Auslastung notwendig machte.

Im April 1973 gab Barbara Bovensiepen Stadthallen-Lichtspiele an die Kinobetreiber Albert Kieft und Wilhelm Grießhammer als neue Pächter ab, die das Lichtspielhaus trotz zurückgehender Attraktivität und sinkenden Zuspruchs beim Lübecker Kinopublikum in den folgenden Jahrzehnten weiterbetrieben. 1991 wurde im 1951 errichteten Kinosaal Asbest entdeckt, was eine Fortführung des Kinobetriebs unmöglich machte. Die Stadthallen-Lichtspiele wurden daraufhin geschlossen.

Verkauf und Umbau 1994

1992 erwarb die nunmehr in Lübeck ansässige Kieft-Gruppe die Stadthalle von der Hansestadt Lübeck. Der asbestbelastete Kinosaal wurde in den folgenden zwei Jahren komplett entkernt. Nach Abschluss dieser Arbeiten entstand im Rahmen einer vollständigen Modernisierung eine Kinoanlage mit sieben Sälen verschiedener Größe und insgesamt 1570 Sitzplätzen. Die umgebaute Stadthalle, nunmehr unter dem Namen CineStar Filmpalast Stadthalle, wurde 1994 wiedereröffnet und ist seit Schließung des Capitols im Frühjahr 2006 das derzeit älteste betriebene Lübecker Lichtspieltheater.

Siehe auch

Literatur

  • Petra Schaper: Kinos in Lübeck. Verlag Graphische Werkstätten GmbH, Lübeck 1987. ISBN 3-925402-35-7

Weblinks


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