Wallenberg-Syndrom

Wallenberg-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10
G46.3 Hirnstammsyndrom
Wallenberg-Syndrom
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Das Wallenberg-Syndrom (Syn.: Viesseaux-Wallenberg und Wallenberg-Foix Syndrom oder auch Dorsolaterales Medulla-oblongata oder Arteria-cerebellaris-inferior-posterior-Syndrom) entsteht durch einen Verschluss der der Arteria cerebelli inferior posterior oder der Arteria vertebralis. Als Folge davon kommt es zu einem Infarkt der dorsolateralen Medulla oblongata[1] also einer besonderen Form des Schlaganfalls.

Dieser Infarkt führt dazu, dass ein bestimmter Bereich des Hirnstammes nicht mit Blut versorgt wird und daraufhin zugrunde geht. Die Symptome sind vielgestaltig entsprechend den jeweils betroffenen neurologischen Strukturen.

Infarkt in der dorsolateralen Medulla oblongata links, auf dieser B1000 diffusionsgewichteten MRT-Aufnahme als heller Fleck erkennbar

Inhaltsverzeichnis

Ursache/Pathologie

Die drei Hauptarterien des cerebellum (engl.): Die SCA, AICA und PICA. (Posterior inferior cerebellar artery)
Menschliche Hirnstammblutversorgung. PICA ist Nummer #12.

Es liegt ein Verschluss oder eine hochgradige Enge im Bereich der hinteren unteren Kleinhirnarterie (Arteria cerebelli inferior posterior), oder der Arteria vertebralis und ihrer Äste vor, die Teile des verlängerten Marks (Medulla oblongata) versorgen. Dies führt zu einem Infarkt am seitlichen Teil der Medulla oblongata, mit den dafür typischen Ausfallmustern. Häufigste betroffene Arterie ist die A. vertebralis.

Symptomatik

Typisch sind gleichseitig auftretende (ipsilateral) Zeichen, wie ein abgeschwächter Kornealreflex, Sensibilitätsstörung des Gesichts, Horner-Syndrom, Stimmbandparese und Hemiataxie. Kontralateral (auf der Gegenseite) kann eine dissoziierte Sensibilitätsstörung (Störung der Temperatur- und Schmerzempfindung bei erhaltener Berührungsempfindung) am Körper (nicht im Gesicht) bestehen. Typisch ist auch ein Nystagmus mit Fallneigung der Betroffenen zur Seite der Läsion.[2][1]

Ort der Schädigung

Schäden des Nucleus spinalis nervi trigemini verursachen das Fehlen von Schmerzen auf der ipsilateralen Seite des Gesichtes, genau wie einen abgeschwächten oder fehlenden Cornealreflex. Ist der Tractus spinothalamicus geschädigt, dann kommt es zum Fehlen der Schmerz- und Temperaturwahrnehmung auf der dem Infarkt gegenüberliegenden Seite des Körpers. Der Schaden im Kleinhirn oder dem Pedunculus cerebellaris inferior führt zur Ataxie, jener der hypothalamospinalen Fasern stört die sympathische Signalübertragung und ruft das Horner-Syndrom hervor. Augenzittern und Schwindel werden durch die Beteiligung der Region des Nucleus Deiter (Nucleus vestibularis lateralis) und anderer vestibulärer Kerne verursacht. Ein palataler Myoklonus kann eventuell bei einer Störung des Tractus tegmentalis centralis vorkommen.

Medulla oblongata im Querschnitt auf Höhe der Olive. (Das Wallenberg-Syndrom trifft vor allem einseitig einen dorsolateralen Bereich und beeinflusst u.a.: #9 (N. Vagus), #10(Nucl. vestibularis), #11(Nucl. ambiguus), #12(Nucl. gracilis), #13(Nucl. cuneatus), and #14(Nucl. trigeminus sup.).)
Durch die Sauerstoffunterversorgung werden Strukturen im hinteren seitlichen (dorsolateralen) Teil der Medulla oblongata geschädigt. Zu diesen Strukturen gehören folgende Kerngebiete (Nuclei) und Bahnen (Tractus):
Ort der Schädigung Effekt
Nucleus vestibularis inferior Vertigo (Schwindel) zur Seite der Schädigung, Diplopie (Doppelbilder), Spontannystagmus (Augenzittern) zur Seite der Schädigung, Erbrechen
Nucleus ambiguus (Effekt auf den Vagus N. X und Glossopharyngeus N. IX) Dysphagie (Schluckstörungen), Heiserkeit, abgeschwächter Würgreflex, Kulissenphänomen zur gesunden Seite
Nucleus tractus spinalis nervi trigemini N. V ipsilateral Sensibilitätsstörung (Verlust der Schmerz- und Temperaturempfindung) im Gesicht
Nucleus tractus solitarii (Teile des N. VII, N. IX und N. X) ebenfalls abgeschwächter Würgreflex und abgeschwächter Brechreiz
Nucleus dorsalis nervi vagi s.o. - Nucleus ambiguus
Formatio reticularis
Pedunculus cerebellaris inferior Ipsilaterale Kleinhirnzeichen einschließlich Rumpf- und Gangataxie (Gangstörungen)
Tractus tegmentalis centralis Palataler Myoklonus
Tractus spinothalamicus lateralis kontralaterale dissoziierte Sensibilitätsstörung (Störung der Temperatur- und Schmerzempfindung bei erhaltener Berührungsempfindung) am Körper
zentrale Sympathicusbahn ipsilaterales Horner-Syndrom (Trias: verengte Pupille, Herabhängen des oberen Augenlides, scheinbar eingesunkener Augapfel) mit Hemianhidrose (halbseitiger Störung der Schweißbildung)

Therapie

Eine Behandlung des Wallenberg-Syndrom ist nur symptomatisch möglich. Eine Magensonde kann notwendig sein, wenn das Schlucken erschwert ist. Sprech- und Schlucktherapie können nötig sein. In einigen Fällen können Medikamente bei der Verringerung oder Beseitigung der Schmerzen helfen. Das Antiepileptikum Gabapentin könnte, in individuellen Fällen, ein geeignetes Medikament für Patienten mit chronischen Schmerzen sein. Die geringe Größe der betroffenen PICA eignet sich nicht zur operativen Rekanalisation.[3]

Die allgemeine langfristige Behandlung sieht die Verwendung von "Blutverdünnern" wie Warfarin vor. Die Patienten werden oft auf diese Medikamente oder eine Aspirin-Behandlungsschema für den Rest ihres Lebens eingestellt, um das Risiko eines weiteren Schlaganfalls zu minimieren. Andere Medikamente könnten sinnvoll sein, um Bluthochdruck und weiter Risikofaktoren, die mit Schlaganfällen assoziiert sind, zu unterdrücken.

Prognose

Die Aussichten für jemanden mit Wallenberg-Syndrom hängen von der Größe und Lage des durch den Schlaganfall geschädigten Gebietes ab. Bei einigen Personen ist ein Rückgang der Symptome innerhalb von Wochen oder Monaten zu beobachten. Bei Anderen können noch nach Jahren erhebliche neurologische Behinderungen bestehen. [4]

Geschichte

Das Syndrom wurde erstmals 1808 von Gaspard Vieusseux [5] erwähnt. Das Wallenberg-Syndrom ist allerdings benannt nach dem deutschen Neurologen Adolf Wallenberg, der das Syndrom 1895 erstmals klinisch beschrieben und 1901 per Autopsiebefund sichern konnte.[6][7].

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Hopf H.-C.: Erkrankungen der Hirnnerven, Georg Thieme Verlag, 2006, ISBN 3131401117, hier online
  2. http://www.neuroophthalmology.ca/textbook/brainstem.html
  3. http://www.ninds.nih.gov/disorders/wallenbergs/wallenbergs.htm
  4. http://www.ninds.nih.gov/disorders/wallenbergs/wallenbergs.htm
  5. http://www.whonamedit.com/synd.cfm/1778.html
  6. Adolf Wallenberg: Akute Bulbäraffektion (Embolie der Art. cerebellar. post. inf. sinistra?). Arch. Psychiat. Nervenkr., 27, 1895.
  7. whonamedit.com: Wallenberg's syndrome, hier online; zuletzt eingesehen am 6. Aug. 2011
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