Joachim Bauer

Joachim Bauer

Joachim Bauer (* 21. Oktober 1951 in Tübingen) ist ein deutscher Molekularbiologe, Neurobiologe und Arzt mit Ausbildung als Internist, Psychotherapeut und Psychiater. Sein Spezialgebiet ist Psychosomatische Medizin. Er lehrt als Universitätsprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Bauer ist Autor mehrerer wissenschaftlicher Sachbücher.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Nach seinem Medizinstudium arbeitete Bauer zunächst als Assistenzarzt an der Lorettoklinik Freiburg i. Br. sowie am Herz-Zentrum Bad Krozingen. 1982 bis 1984 forschte er am Biochemischen Institut der Universität Freiburg auf dem Gebiet der Genregulation von Immunbotenstoffen und Akutphaseproteinen und war danach unter anderem Projektleiter in drei Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft e. V. (DFG).

1984 bis 1990 folgte die Facharztausbildung in Innere Medizin an der Universitätsklinik Freiburg und Bauer forschte zudem auf dem Gebiet der Immunologie. Nach einem Forschungsaufenthalt am Mount Sinai Medical Center in New York habilitierte er sich für das Fach Innere Medizin bei Wolfgang Gerok.

Anschließend wechselte Bauer an die Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Freiburg, absolvierte dort eine Facharztausbildung in Psychiatrie und habilitierte sich auch für dieses Fach. Danach war er als Arzt, später als Oberarzt und Leiter der Psychiatrischen Ambulanz tätig und beteiligte sich an der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie am Aufbau von Forschungslabors und leitete eine neurobiologische Arbeitsgruppe.

1992 wurde Bauer zum Universitätsprofessor für Psychoneuroimmunologie berufen und beschäftigte sich während seiner Tätigkeit an der Abteilung Psychiatrie - außer mit der Alzheimerschen Krankheit - auch mit neurobiologischen und psychobiologischen Aspekten der Depression.

Im Jahre 2000 wechselte Bauer, zwischenzeitlich auch Facharzt für die Psychosomatische Medizin, an die Abteilung Psychosomatische Medizin der Universitätsklinik Freiburg. Dort leitet er als Oberarzt die Ambulanz. Er beschäftigt sich seitdem mit Somatoformen Erkrankungen, depressiven Erkrankungen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen und mit dem Burnout-Syndrom.

Werke

Bauer war Projektleiter in drei Sonderforschungsbereichen (SFBs) der DFG und hat über 100 wissenschaftliche Originalarbeiten, größtenteils in internationalen Zeitschriften, publiziert.

Sein Buch Das Gedächtnis des Körpers – Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern gibt eine grundlegende Darstellung des Wechselspieles zwischen den biologischen Systemen des Körpers einerseits und den auf diese Systeme einwirkenden Signalen andererseits.

Warum ich fühle, was du fühlst – Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone fasst Ergebnisse und Studien über die Anfang der 1990er Jahre von Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti an der Universität Parma entdeckten Spiegelneuronen zusammen und zeigt, wie sie die emotionalen Aspekte zwischenmenschlicher Kommunikation, die spontane Anteilnahme und das Einfühlen in Gefühlsvorgänge des Mitmenschen ermöglichen.

Im Buch Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren legt Bauer seine These dar, dass die zentralen Strebungen des Menschen, soweit sie sich aus neurobiologischen Studien über die so genannten Motivationssysteme des Gehirns erkennen lassen, primär auf zwischenmenschliche Bindungen und gelingende soziale Beziehungen gerichtet sind.

In seinem 2008 erschienenen Buch Das kooperative Gen – Abschied vom Darwinismus stellt Bauer jüngere Ergebnisse der Genforschung dar und entwickelt eine neue Sicht auf die Wechselwirkungen zwischen den Genen eines Genoms und deren Bedeutung für die Evolution von Organismen. Anders als Charles Darwin und neuere auf Darwin basierende Theorien (Synthetische Evolutionstheorie) sieht Bauer genetische Mutationen nicht als rein zufällige Veränderungen. Vielmehr steuerten die Gene selbst als kreative Akteure die Evolution eines Organismus mit, indem sie sich entsprechender molekularer Werkzeuge (sog. Transposabler Elemente) bedienten. Diese hätten sich nach eigenen, in ihnen selbst liegenden Regeln entwickelt. Im Gegensatz zum soziobiologischen Schlagwort vom egoistischen Gen betont Bauer das in der Funktionsweise der Gene verankerte Prinzip der molekularen Kooperation und Kommunikation. Bauers Einwände gegen Charles Darwin, vor allem aber gegen Richard Dawkins als dem prominentesten Vertreter der modernen Soziobiologie, basieren laut Bauer auf empirischen Forschungsergebnissen. Bauer erwähnt ausdrücklich, dass auch Darwin und Dawkins die Kooperation als essentielle Überlebensstrategie hervorheben. Bauer sieht das biologische Prinzip der Kooperation jedoch, anders als Darwin und Dawkins, nicht nur als sekundäres, d.h. nur im Dienst eines effektiveren Kampfes ums Überleben stehendes, sondern als primäres biologisches Prinzip. Bauer distanziert sich ausdrücklich von Kreationismus und Intelligent Design.

Von Evolutionsbiologen werden die von Bauer in diesem Buch vertretenen Thesen teils bejaht, teils abgelehnt.[1] Kritik kommt etwa vom Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera.[2], Zustimmung vom Evolutionsgenetiker James A. Shapiro von der Universität Chicago.[3]

In seinem 2011 erschienenen Buch Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt fasst Bauer Erkenntnisse der modernen Neurobiologie zur Entstehung von menschlicher Aggression und Gewalt zusammen. Aggression sei ein neurobiologisch verankertes, evolutionär entstandenes Verhaltensprogramm, dessen Zweck in der Abwehr von Schmerz und der Bewahrung der körperlichen Unversehrtheit liege. Da, wie neuere Studien zeigten, soziale Ausgrenzung vom menschlichen Gehirn wie körperlicher Schmerz wahrgenommen werde, reagiere der Mensch nicht nur auf die Zufügung körperlicher Schmerzen mit erhöhter Aggressionsbereitschaft, sondern auch auf Ausgrenzung und Demütigung. Zwar wird die Theorie des von Sigmund Freud und Konrad Lorenz postulierten Aggressionstriebes von Bauer abgelehnt, keineswegs aber sei der Mensch von Natur aus „gut“.

Es gebe jedoch auch Gewalttäter, die nicht dem Typus eines sozusagen urtümlichen Menschen entsprechen, sondern – ausweislich entsprechender neurobiologischer Studien – krankhafte Veränderungen im Bereich des neurobiologischen Aggressionssystems aufweisen. Bauer thematisiert in Schmerzgrenze die Bedeutung des zivilisatorischen Prozesses für die Zunahme zwischenmenschlicher Gewalt. Aggression habe es gegeben, solange es Menschen gibt, das Ausmaß zwischenmenschlicher Gewalt habe mit der neolithischen Revolution und dem damit verbundenen Eintritt des Menschen ins zivilisatorische Zeitalter jedoch massiv zugenommen.

Ehrungen

  • 1996 Organon-Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie für die Entdeckung der Beteiligung von Immunbotenstoffen an der Alzheimer-Erkrankung.
  • 2011 Förderer des BLLV Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) e.V.

Publikationen

  • 1994: Die Alzheimer-Krankheit – Neurobiologie, Psychosomatik, Diagnostik und Therapie. Schattauer, Stuttgart, ISBN 3-7945-1634-6.
  • 2002: Das Gedächtnis des Körpers – Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern. Eichborn, Frankfurt. Seit 2004: Piper, München, ISBN 3-492-24179-4.
  • 2005: Warum ich fühle was du fühlst – Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone. Hoffmann und Campe, Hamburg, ISBN 3-455-09511-9.
  • 2006: Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren. Hoffmann und Campe, Hamburg, ISBN 3-455-50017-X.
  • 2007: Lob der Schule – Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern. Hoffmann und Campe, Hamburg, ISBN 3-455-50032-3. [4]
  • 2007: Unser flexibles Erbe. Gehirn & Geist, Heft 9/2007, S. 58–65.
  • 2008: Das kooperative Gen – Abschied vom Darwinismus. Hoffmann und Campe, Hamburg, ISBN 3-455-50085-4. [5]
  • 2011: Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt. Blessing, München, ISBN 978-3-89667-437-1.

Einzelnachweise

  1. Walter Schmidt: Lob und Tadel von Experten – Joachim Bauers Ideen zur Evolution werden heftig diskutiert. In der Frankfurter Rundschau vom 24. Januar 2009, abgerufen am 11. April 2011.
  2. "Evolutionskritiker sind für Kutschera „Esoteriker“. Kommentar im Medienmagazin pro, 16. Februar 2009, abgerufen am 11. April 2011.
  3. Martin Rasper: Die neue Sicht auf die Evolution. In: natur+kosmos, Februar 2009. (Siehe [1])
  4. Siehe: [2] Fragen an den Autor im SR-Kulturradio vom 13. Mai 2007, abgerufen am 11. April 2011.
  5. Siehe: Zellen können die Architektur ihres Erbgutes verändern – Neues aus der Werkstatt der Evolution. Pressemitteilung der Universität Freiburg vom 3. September 2008, abgerufen am 11. April 2011.

Weblinks


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