- Beamtendeutsch
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Als Beamtendeutsch oder Amtsdeutsch wird umgangssprachlich eine sehr förmliche Ausdrucksweise im geschäftlichen Schriftverkehr vieler Behörden und Verwaltungen, die aber ebenso in vielen Privatfirmen und Konzernen Verwendung findet, bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Kritik
Im allgemeinen wird Beamtendeutsch als eine umständliche, für Behörden typische Form angesehen, mit der deutschen Sprache umzugehen. Kennzeichnend sind die Anhäufung von Hauptwörtern und die Substantivierung und Adjektivierung von Verben (Nominalstil).
Kennzeichnend ist auch eine Häufung sinnleerer Verben wie „durchführen“, „vornehmen“, „tätigen“, „erfolgen“, besonders in ihrer hauptwörtlichen Form („Durchführung“, „Vornahme“, „Tätigung“, aber nicht „Erfolgung“) und im Passiv, so dass man nur noch aus dem Zusammenhang (oder gar nicht mehr) erkennen kann, wer die handelnde Person ist.
Im Jahr 2000 entschied sich die Stadtverwaltung von Bochum, Behördenbriefe zukünftig in einer bürgerfreundlichen Sprache zu verfassen. Eine Gruppe von Germanisten der Ruhr-Universität Bochum hilft allen Kommunen bundesweit, Amtstexte so zu gestalten, dass sie für Bürger leichter verständlich sind und stärker akzeptiert werden.
Wegfall des Fugen-s
In behördlichen Schreiben (z. B. auch Gesetzestexten) entfällt bei vielen zusammengesetzten Wörtern ein in der Alltagssprache übliches und rechtschreiberisch durchaus korrektes Fugen-s. So heißt es etwa:
- Verbandkasten anstelle von Verbandskasten
- Offizieranwärter anstelle von Offiziersanwärter
- Körperschaftsteuergesetz (statt Körperschaftssteuergesetz) als Beispiel für den Namen eines Steuergesetzes ohne Fugen-s
- nicht aber Schadenersatz, sondern Schadensersatz (im BGB)
Diese Schreib- und Sprechweise findet ebenfalls insbesondere in der Versicherungswirtschaft Verwendung. So wird der Schadensfall zum Schadenfall.
Beispiele für Beamtendeutsch
- Auszubildender: Lehrling (Der Begriff wurde in den 1970ern mit dem Ausbildungsförderungsgesetz eingeführt)
- Beelterung: Vermittlung einer Pflegefamilie für ein Kind[1]
- Begleitgrün: Grünfläche, Grünstreifen oder Stadtbegrünung beim Straßenbau[2]
- Beschulung: Schulbesuch oder Erfüllung der Schulpflicht[3]
- Fahrtrichtungsanzeiger: Blinker (Das Fachwort umfasst aber auch den früher zulässigen Winker)[4]
- Handschließen, Schließzange: Handschellen (Die Schließzange ist ein andere Bauform und dient dem Führen von Gefangenen)
- Lichtsignalanlage[5], Wechsellichtzeichen[6], Lichtzeichenanlage[7]: Ampel (Das Fachwort „Lichtsignalanlage“ ist aber umfassender und schließt auch Verkehrszeichen ein)
- Personenvereinzelungsanlage: Überbegriff für Drehkreuz, Drehtüren usw.
- Postwertzeichen: Briefmarke
- Spontanvegetation: nicht-kultiviertes Grün (z.B. Unkraut, Wiesen usw.)[8]
- Studierender: Student (Der Begriff wurde in den 1970ern mit dem damaligen Hochschulrahmengesetz eingeführt)
- verbringen: hinbringen (wird auch umgangssprachlich so verwendet)
Siehe auch
- Juristendeutsch
- Kanzleisprache
- Kanzleistil
- Verwaltungssprache
- Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (1999)
Weblinks
Wiktionary: Amtsdeutsch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen- Kooperationsprojekt zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der Stadt Bochum
- Projekt der Ruhr-Universität: IDEMA - Internet-Dienst für eine moderne Amtssprache
- „Rotkäppchen“ auf Amtsdeutsch
- Amtsdeutsch.net, die Website des raumübergreifenden Großgrüns und der Jahresabschlussfiguren mit Flügeln
- Der Kampf gegen das Amtsdeutsch April 2010
- sueddeutsche.de: Die Plage der Bandwurmwörter
Quellen
- ↑ „Die Welt“ vom 10. Dezember 2006: Familiendrama: In Sachen K…
- ↑ http://www.tuebingen.de/pressemitteilungen/25_13723.html
- ↑ http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=18373
- ↑ § 5 StVO
- ↑ z.B. Richtlinien für Lichtsignalanlagen
- ↑ § 37 StVO
- ↑ Zeichen 131 der Straßenverkehrsordnung
- ↑ http://www.neuss.de/leben/umwelt/eine-saubere-sache/spontanvegetation
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