Whartin-Tumor

Whartin-Tumor
Klassifikation nach ICD-10
D11 Gutartige Neubildung der Parotis
ICD-10 online (WHO-Version 2006)
Klassifikation nach ICD-O-3
8561/0 Warthin-Tumor
ICD-O-3 online

Der Warthin-Tumor (Aldred Scott Warthin, US-amerikanischer Pathologe, 1866-1931, Ann Arbor) ist eine gutartige Neoplasie, die sich nahezu ausschließlich im Bereich der Ohrspeicheldrüse, selten in benachbarten Halslymphknoten manifestiert.[1] Nach dem pleomorphen Adenom ist der Warthin-Tumor der zweithäufigste benigne Speicheldrüsentumor.[2]

Inhaltsverzeichnis

Synonyme

Gleichbedeutend gebraucht werden bisweilen Bezeichnungen wie Adenolymphom, Zystadenolymphom, papilläres Cystadenoma lymphomatosum, Cystadenoma lymphomatosum papilliferum oder Cystadenolymphoma papilliferum. Um eine Verwechslung mit malignen Lymphomen zu vermeiden, wird jedoch empfohlen, die Bezeichnung Warthin-Tumor zu verwenden.[1] Nur noch historische Bedeutung haben die Begriffe Albrecht-Arzt-Tumor oder Albrecht-Arzt-Warthin-Tumor.

Geschichte

Die Ersterwähnung des Warthin-Tumors erfolgte bereits 1895 durch den deutschen Chirurgen Otto Hildebrand unter der Bezeichnung Adenolymphom.[3] Nach der genaueren Beschreibung der Entität durch Heinrich Albrecht und Leopold Arzt um 1910[4] führte Warthin den Begriff 1929 als papilläres Cystadenoma lymphomatosum in das amerikanische Schrifttum ein.[5]

Epidemiologie

Der Altersgipfel des Warthin-Tumors liegt in der 6.-7. Lebensdekade.[2] Männer erkranken etwas häufiger als Frauen, wobei sich das Geschlechterverhältnis in den vergangenen Jahrzehnten, mutmaßlich aufgrund geänderter Lebensgewohnheiten (Tabakabusus) deutlich zuungusten des weiblichen Geschlechtes verschoben hat. Die Inzidenz der Erkrankung bei Afroamerikanern und Schwarzafrikanern ist niedriger als bei Weißen[1].

Ätiologie

Die eigentlichen, der Tumorentstehung zugrundeliegenden Ursachen sind weitgehend unbekannt. Die Läsion wird überwiegend als echte Neoplasie eingestuft, könnte nach einer Hypothese zufolge aber auch zu einer Gruppe erworbener multizystischer reaktiver Erkrankungen im Bereich von Kopf und Hals zählen; letzterer Ansatz wird durch die Polyklonalität der epithelialen Tumorkomponente gestützt.[6][7] Es wird vermutet, dass sich der Tumor von heterotopen, in Lymphknoten gelegenen Speicheldrüsenausführungsgängen herleitet.[8] Ein signifikanter Risikofaktor ist das Zigarettenrauchen, das die Erkrankungshäufigkeit Studien zufolge durchschnittlich um den Faktor 8-15 erhöht. Hierbei besteht offenbar eine Dosis-Wirkungs-Beziehung, das heißt das Risiko steigt mit der Dauer und Intensität des Tabakabusus.[9][1] In einer Studie waren 89% der an einem Warthin-Tumor erkrankten Patienten Raucher und 66% starke Raucher. Auch das Risiko eines beidseitig auftretenden Warthin-Tumors ist bei Rauchern signifikant erhöht.[10] Eine erhöhte Krankheitshäufigkeit wurde auch nach Exposition gegenüber ionisierender Strahlung, etwa bei Atombomben-Überlebenden, beobachtet.[11]

Pathologie

Makroskopisches Bild eines Warthin-Tumors.
Histologie des Warthin-Tumors.

Der Tumor manifestiert sich fast immer innerhalb der Ohrspeicheldrüse (> 97%). Weniger als 3% der Patienten zeigen extraglandulär gelegene Tumoren, üblicherweise in hoch gelegenen Halslymphknoten. Dies darf nicht mit einer Lymphknotenmetastasierung verwechselt werden, die beim reinen Warthin-Tumor nicht beobachtet wird.[12] In 7-10% der Fälle liegen beidseitige, in 2% multifokale Tumoren vor.[13] Makroskopisch erscheinen Warthin-Tumoren meist als gut umschriebene, runde bis ovoide Gewebsmassen von hellbräunlicher bis weißer Farbe. Neben soliden Anteilen zeigt der Tumor häufig schlitzförmige bis mehrere Zentimeter große zystische Strukturen, die mit klarer, schleimiger oder weißlicher bis bräunlicher Flüssigkeit angefüllt sind. Histologisch zeigt sich ein durch eine dünne bindegewebige Kapsel scharf abgegrenzter Tumor aus einer epithelialen, solide Areale und Zysten bildenden Komponente, die in ein lymphoides Stroma eingebettet ist. Das die Zystenstrukturen auskleidende Epithel zeigt dabei einen zweischichtigen Aufbau aus onkozytären hochzylindrischen Zellen und basalen, flachen bis kubischen Zellen. Es werden auch Papillen mit fibrovaskulärem Stroma ausgebildet. In den Zystenlumina finden sich häufig eosinophile Sekretionsprodukte. Nennenswerten Zell- oder Kernatypien oder eine wesentliche Mitoseaktivität liegen nicht vor. Infarkte, Nekrosen, Plattenepithelmetaplasien oder Blutungen können das typische histologische Bild verfälschen. Diese Veränderungen können spontan oder als Folge einer vorausgegangenen Feinnadelbiopsie auftreten.[14][1]

Immunhistochemie

Immunhistochemisch zeigen die onkozytären Zellen des Warthin-Tumors eine für hochzylindrische Epithelien typische Expression der Zytokeratine 7, 8, 18 und 19. Zumindest eine fokale Positivität ist darstellbar für Ribonuklease, Laktoferrin, Carcinoembryonales Antigen (CEA) und Lysozym, während der Nachweis der Marker Amylase, Vimentin und Desmin negativ ausfällt.[15] Im Gegensatz zu einigen anderen benignen und malignen Speicheldrüsentumoren exprimieren die epithelialen Tumorzellen des Warthin-Tumors Somatostatin.[16]

Klinik

Die betroffenen Patienten werden üblicherweise durch eine schmerzlose Schwellung im Bereich der Ohrspeicheldrüse auffällig. Zum Diagnosezeitpunkt beträgt die durchschnittliche Tumorgröße 2-4 cm, im Extrem bis 12 cm. Bei weniger als 10% der Patienten besteht eine Schmerzsymptomatik variablen Ausmaßes. Eine Fazialisparese wird nur sehr selten beobachtet.[1]

Diagnose

Zur präoperativen Diagnose eignet sich die Sonographie oder die Szintigraphie. Letzteres Verfahren nutzt die Eigenschaft von Warthin-Tumoren, Technetium99m-Pertechnetat stärker anzureichern als das umgebende normale Speicheldrüsengewebe.[17] Weitere in Frage kommende bildgebende Verfahren sind die Computertomographie oder die Magnetresonanztomographie. Eine definitive Diagnose läßt sich unter Umständen bereits anhand einer präoperativen Feinnadelbiopsie, spätestens aber am Operationspräparat nach histologischer Untersuchung durch den Pathologen stellen.[2]

Differentialdiagnose

Das histologische Bild des Warthin-Tumors ist meist charakteristisch. Vom Pathologen auszuschließende Differentialdiagnosen sind das lymphoepitheliomartige Karzinom oder das mukoepidermoide Karzinom.[15]

Therapie

Die Standardtherapie ist die vollständige chirurgische Tumorentfernung, meist in Form einer oberflächlichen Parotidektomie, bei der der meist tumortragende Außenlappen der Ohrspeicheldrüse entfernt wird, oder einer Enukleation (Ausschälung).[10][2] Da es sich beim Warthin-Tumor um eine wenig aggressive, gutartige Neoplasie handelt, kann nach Diagnosesicherung beim multimorbiden Patienten mit hohem Narkoserisiko auch ein konservatives (nicht-operatives) Vorgehen erwogen werden.[18]

Prognose

Warthin-Tumoren zeichnen sich durch einen langsames Wachstum aus.[19] Eine maligne Transformation von wurde bisher nur in wenigen Einzelfällen beschrieben; bei den abgeleiteten Malignomen handelt es sich unter anderem um Non-Hodgkin-Lymphome[20], epidermoide Karzinome[21], mukoepidermoide Karzinome[22], Plattenepithelkarzinome[23] und onkozytäre Adenokarzinome.[24] Nach chirurgischer Therapie des Warthin-Tumors werden niedrige Rekurrenzraten von 2,5-5% beobachtet.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Simpson RHW, Eveson JW. Warthin tumour. In: Pathology and Genetics of Head and Neck Tumours. IARCPress, Lyon, 2000.
  2. a b c d Dubner S. Parotid Tumors, Benign (20.11.2008); http://emedicine.medscape.com/article/1289560-overview
  3. Hildebrand O. Über angeborene epitheliale Cysten und Fisteln des Halses, Arch Klin Chir 1895; 49:167-206.
  4. Albrecht H, Arzt L. Beiträge zur Frage der Gewebsverirrung. Papilläre Cystadenome in Lymphdrüsen. Frankfurt Ztschr f Path 1910; 4:47.
  5. Warthin AS. Papillary cystadenoma lymphomatosum. A rare teratoid of the parotid region. J Cancer Res 1929; 13:116.
  6. Suster S, Rosai J. Multilocular thymic cyst. An acquired reactive process. Study of 18 cases. Am J Surg Pathol. 1991;15:388–398. PMID 2006719
  7. Honda K, Kashima K, Daa T, Yokoyama S, Nakayama I. Clonal analysis of the epithelial component of Warthin's tumor. Hum Pathol. 2000;31:1377–1380.
  8. Thompson AS, Bryant HC. Histogenesis of papillary cystadenoma lymphomatosum (Warthin's tumor) of the parotid salivary gland. Am J Pathol. 1950;26:807–849. PMID 15432614
  9. Sadetzki S, Oberman B, Mandelzweig L, Chetrit A, Ben-Tal T, Jarus-Hakak A, Duvdevani S, Cardis E, Wolf M. Smoking and risk of parotid gland tumors: a nationwide case-control study. Cancer. 2008 May 1;112(9):1974-82. PMID 18361448
  10. a b Peter Klussmann J, Wittekindt C, Florian Preuss S, Al Attab A, Schroeder U, Guntinas-Lichius O. High risk for bilateral Warthin tumor in heavy smokers--review of 185 cases. Acta Otolaryngol. 2006 Dec;126(11):1213-7. PMID 17050316
  11. Sandros J, Stenman G, Mark J. Cytogenetic and molecular observations in human and experimental salivary gland tumors. Cancer Genet Cytogenet 1990;44:153-167. PMID 2153439
  12. Ellies M, Laskawi R, Arglebe C. Extraglandular Warthin's tumours: clinical evaluation and long-term follow-up. Br J Oral Maxillofac Surg. 1998 Feb;36(1):52-3.
  13. Hilton JM, Phillips JS, Hellquist HB, Premachandra DJ. Multifocal multi-site Warthin tumour. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2008 Dec;265(12):1573-5.
  14. Li S, Baloch ZW, Tomaszewski JE, LiVolsi VA. Worrisome histologic alterations following fine-needle aspiration of benign parotid lesions. Arch Pathol Lab Med. 2000 Jan;124(1):87-91. PMID 10629137
  15. a b PathConsult: Warthin's Tumor (09.01.2006), Elsevier; http://www.pathconsultddx.com/pathCon/diagnosis?pii=S1559-8675(06)70571-X
  16. Hayashi Y, Saito H, Saito S, Yanagawa T, Yoshida H, Yura Y, Sato M. Immunoreactive somatostatin in Warthin's tumor. Am J Pathol. 1986 May;123(2):250-5. PMID 2871759
  17. Canbay AE, Knorz S, Heimann KD, Hildmann H, Tiedjen KU. Wertigkeit der Szintigraphie und der Sonographie in der Diagnostik der Zystadenolymphome der Glandula parotis. Laryngorhinootologie. 2002 Nov;81(11):815-9. PMID 12458467
  18. Reddy VM, Thangarajah T, Castellanos-Arango F, Panarese A. Conservative management of warthin tumour. J Otolaryngol Head Neck Surg. 2008 Oct;37(5):744-9. PMID 19128687
  19. Thangarajah T, Reddy VM, Castellanos-Arango F, Panarese A. Current controversies in the management of Warthin tumour. Postgrad Med J. 2009 Jan;85(999):3-8. PMID 19240281
  20. Gorai S, Numata T, Kawada S, Nakano M, Tamaru J, Kobayashi T. Malignant lymphoma arising from heterotopic Warthin's tumor in the neck: case report and review of the literature. Tohoku J Exp Med. 2007 Jun;212(2):199-205. PMID 17548964
  21. Bolat F, Kayaselcuk F, Erkan AN, Cagici CA, Bal N, Tuncer I. Epidermoid carcinoma arising in Warthin's tumor. Pathol Oncol Res. 2004;10(4):240-2. PMID 15619648
  22. Yamada S, Matsuo T, Fujita S, Suyama K, Yamaguchi A, Mizuno A. Mucoepidermoid carcinoma arising in Warthin's tumor of the parotid gland. Pathol Int. 2002 Oct;52(10):653-6. PMID 12445138
  23. Morrison GA, Shaw HJ. Squamous carcinoma arising within a Warthin's tumour of the parotid gland. J Laryngol Otol. 1988 Dec;102(12):1189-91. PMID 3066838
  24. Bengoechea O, Sanchez F, Larrinaga B, Martinez-Penuela JM. Oncocytic adenocarcinoma arising in Warthin's tumor. Pathol Res Pract. 1989;185:907–911. PMID 2482485
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