- Begleitprogramm (Medien)
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Ein Begleitprogramm (oder auch Tagesbegleitprogramm) bezeichnet eine Form der Programmstruktur eines Hörfunksenders. Das Programm ist so gestaltet, dass der Hörer einen Sender über einen längeren Zeitraum ununterbrochen nebenbei ohne hohe Aufmerksamkeit verfolgen kann (Durchhörbarkeit). Längere Wortbeiträge werden als mögliche Ausschaltimpulse angesehen. Folglich ist der Wortanteil bei derart gestalteten Sendern gering und die Beiträge sind kurz. Von Kritikern wird diese Konzeption bisweilen als Dudelfunk bezeichnet. Eine konträre Strukturierung stellt das Einschaltprogramm dar.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Oft steht dieses Konzept im Zusammenhang mit Formatradios, die vorrangig beliebte Musiktitel ausstrahlen. Aber auch Radiosender, die sich inhaltlich der Kultur widmen, werden zunehmend auf diese Weise strukturiert. Begleitprogramme können 24 Stunden am Tag senden oder auch nur an Teilen des Tageszeitraumes. So kann eine Umsetzung vorsehen, tagsüber (z. B. von 6 bis 20 Uhr) ein Tagesbegleitprogramm zu senden und abends Spezialsendungen im Stile eines Einschaltradios auszustrahlen. Fast alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betreiben Sender nach diesem Prinzip.
Da immer mehr Radiosender als Begleitprogramm strukturiert sind, sprechen Kritiker von einer Verflachung der Radiolandschaft und nennen derartige Sender auch „Dudelfunk“. Privatradios und z. T. auch öffentlich-rechtliche Angebote befürworten das Prinzip und versuchen mit Begleitprogrammen eine hohe Reichweite an Hörern zu erzielen, um die von ihnen zur Verfügung gestellte Werbezeit zu möglichst hohen Preisen zu verkaufen. Es wird damit gerechnet, dass ein Programm mit wenigen meist oberflächlichen Wortbeiträgen von mehr Menschen gehört wird, da keine Konzentration auf den Inhalt erforderlich ist. Derartige Programme können bei vielen Tätigkeiten (z. B. Büroarbeit, Hausarbeit, Arbeit auf der Baustelle) und Gelegenheiten (z. B. Beschallung im Geschäft) gehört werden.
Des Weiteren wird argumentiert, dass die Hörgewohnheiten sich verändert haben. Das Programm eines Radiosenders wird heute nicht mehr gezielt zum Hören einer einzelnen Sendung eingeschaltet, wie es lange Zeit der Fall war, sondern kontinuierlich gehört.
Teilweise können auch Fernsehsender als Begleitprogramm strukturiert werden. Dazu zählen mit Einschränkungen z. B. Musiksender oder Quizsender.
Musikauswahl
Die Auswahl der Musik ist speziell auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet (siehe Formatradio), meistens Adult Contemporary. Die häufig externen Radioberater planen die Wiedergabelisten nach festgelegten strategischen Vorgaben mit Hilfe von Computerprogrammen. Gängig ist insbesondere die sogenannte Rotation: Hierbei wird ein fester Bestand von meistens 120 bis 150 Musiktiteln immer wieder innerhalb eines bestimmten Zeitraums gespielt. Neue Titel kommen nur in die Rotation, wenn sie einer statistisch gestützten Bewertung durch Hörer unterzogen wurden. Ebenso wird durch Befragung ermittelt, ob ein Titel zu häufig gespielt wird. Wenn die Mehrheit der Befragten das bejaht, wird der Titel aus der Rotation genommen oder seltener gespielt. Innerhalb der Rotation gibt es wiederum Titel, die häufig oder besonders häufig gespielt werden, in der sogenannten „Heavy Rotation“ (auch „Power Rotation“ oder „Hot Rotation“ genannt).
Zur Musikauswahl hat sich inzwischen eine Software durchgesetzt, die die durch Hörertests bestätigte Song-Vorauswahl in A- (power), B- (normal) oder C- (casual rotation) Titel in einem festen Schema über die Senderstunde verteilt. So ist es z. B. gängig, jeden längeren Wortbeitrag (Nachrichten) mit einem Jingle und dann einem A-Titel zu beenden. Eine individuelle Musikredaktion und -sendergestaltung erübrigt sich zunehmend.
Moderation und Wortbeiträge
Insbesondere sind Begleitprogramme durch eine bestimmte Form der Moderation gekennzeichnet. Die Moderatoren bemühen sich um eine hörernahe, meistens ostentativ gut gelaunte Sprache. Die Wortbeiträge sind in erster Linie darauf ausgerichtet, den Hörer auf effektive Weise zu unterhalten oder allgemeine Service-Informationen (Wetter und Verkehrslage) anzubieten. Nachrichten, die gelegentlich durch Hintergrundmusik („Musikbett“) unterlegt werden, beschränken sich auf wesentliche Ereignisse. Sie werden gelegentlich auch um Hinweise auf Veranstaltungen des Senders erweitert.
Ein allgemeines Erkennungszeichen, welches mittlerweile nahezu alle unterhaltungsorientierten Hörfunkprogramme übernommen haben, sind die sogenannten Jingles. Sie enthalten meistens den gesungenen Sendernamen und einen feststehenden Slogan (Claim), der ein Alleinstellungsmerkmal des jeweiligen Senders herauszustellen versucht. Zweck der häufigen Ausstrahlung des Sendernamens ist der Wiedererkennungseffekt insbesondere für die Benennung bei den telefonischen Hörerbefragungen in den für den jeweiligen Sender wichtigen Media-Analysen. Vor allem für die sogenannten Morningshows, die für die Sender die höchsten Einschaltquoten bringen, wird ganztägig geworben. Es gibt aber auch Sender, die völlig auf Jingles verzichten und stattdessen sogenannte Drop-Ins oder Sweeper einsetzen. Diese Elemente enthalten keinen Gesang.
Häufig (vor allem in den Erhebungszeiträumen der Marktanalysen) gibt es Höreraktionen wie Gewinnspiele und sonstige Aktionen, die ebenfalls durch Jingles angekündigt werden. Beliebt sind auch kurze Telefongespräche mit Hörern, sogenannte Call-Ins. Mit ihrer Hilfe kann ein Sender Regionalität oder auch die gewünschte Hörernähe vermitteln.
Ziele
Begleitprogramme haben – insbesondere im Privatradio, aber zunehmend auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern – die Funktion, möglichst viele Hörer an den Sender zu binden, um für die Werbewirtschaft interessant zu sein. Durch eine entsprechende Musikauswahl und nur sehr kurze Wortbeiträge soll verhindert werden, dass die Zuhörenden abschalten oder einen anderen Sender wählen und somit nicht mehr die Werbebotschaften hören können.
Diese Sender sind meistens bei Hörern beliebt, die das Radio „im Hintergrund“ laufen lassen, zum Beispiel bei der Arbeit, zu Hause oder im Auto. Nicht das gezielte Einschalten von Sendungen wird angestrebt, sondern die kontinuierliche „Durchhörbarkeit“. Durch die Einfachheit und Kürze der Wortbeiträge wird es den Hörern ermöglicht, mit „halbem Ohr“ oder nur gelegentlich zuzuhören. Außerdem wird der Wunsch, aktuelle oder altbekannte Hits möglichst häufig zu hören, erfüllt.
Mittlerweile bieten einige öffentlich-rechtliche Anstalten auch wieder Radio-Programme an, die mit einer umfangreicheren Musik-Vielfalt und ausgebildeten Journalisten als Moderatoren eine Alternative für anspruchsvollere Hörer bieten (z. B. die RBB-Programme Radio Eins und Radio Fritz sowie FM4 des ORF). Außerdem findet man inzwischen auch eine große Anzahl Internetradio-Sender, die eine größere Vielfalt bieten. Zudem gibt es auch diverse alternative und freie Radiosender sowie Hochschulradios[1], die mehr kulturelle Inhalte in ihren Programmen anbieten und vielfach nicht kommerziell ausgerichtet sind.
Weblinks
- Die Zeit: Rettet das Radio! von Ulrich Stock. Ein Dossier der Zeitung Die Zeit vom 24. Februar 2005
- „Dudelfunk“-Theorie von Frank Schätzlein. Aufsatz über die medienwissenschaftliche Forschung zum „Dudelfunk“ in den 1990er Jahren
- Radiozeugnisse: Versetzung gefährdet – Deutschlands Radiosender befinden sich auf dem Weg in eine ernsthafte Krise Telepolis-Artikel zur Media-Analyse März 2006
- Ruhe, bitte von Götz Alsmann im Tagesspiegel
- I got you Babe Formatradio im öffentlich-rechtlichen Rundfunk - Statistiken zur Musikauswahl
Einzelnachweise
- ↑ http://koelncampus.com/kc/page/88/musikfarbe.html KölnCampus als Beispiel für ein Hochschulradio mit alternativer musikalischer Ausrichtung
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