Wilhelm Krützfeld

Wilhelm Krützfeld

Wilhelm Krützfeld (* 9. Dezember 1880 in Hornsdorf, Gemeinde Seedorf, Kreis Segeberg; † 31. Oktober 1953 in Berlin) war ein preußischer Polizeibeamter. Er bewahrte in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin vor der Zerstörung.

Gedenktafel am Haus, Oranienburger Straße 28, Berlin-Mitte

Inhaltsverzeichnis

Leben

Krützfeld diente bis 1907 in der Preußischen Armee bei der Garde in Spandau und wurde dann Polizist. Nach längerem Dienst im Landespolizeiamt und im Berliner Polizeipräsidium übernahm er in den 1930er Jahren das Polizeirevier 65 am Prenzlauer Berg und leitete 1938 als Polizeioberleutnant das Polizeirevier 16 am Hackeschen Markt im Bezirk Mitte.

Gegen die Pogrome gab es durch die Bevölkerung keinen nennenswerten Widerstand oder offen artikulierten Unmut. Krützfeld[1] jedoch bewies in der Nacht zum 10. November 1938 lebensgefährliche Zivilcourage und stellte sich mit weiteren Beamten seines Reviers einer Gruppe von SA-Leuten entgegen, die bereits Feuer gelegt hatte und zwang sie mit Worten und Waffengewalt zum Rückzug. Er ordnete sofortige Löscharbeiten an, obwohl die Feuerwehr den Befehl hatte, keine brennenden Synagogen zu löschen. Krützfeld soll sich dabei auf die bestehenden Gesetze zum Denkmalschutz berufen haben.

Der Revierleiter wurde am Tage darauf durch den Polizeipräsidenten Graf Helldorf lediglich verbal gemaßregelt, obwohl für solche oder ähnliche Taten damals durchaus härtere Sanktionen üblich waren.

Krützfeld war aber auch darüber hinaus den in seinem Revierbereich wohnenden Juden behilflich. Er und einige andere Beamte seines Reviers warnten mehrfach Juden vor ihrer Verhaftung.

Ab 1940 wurde Krützfeld in andere Reviere versetzt. Am 1. November 1943 ging er nach 36 Jahren Polizeidienst auf eigenen Wunsch „aus gesundheitlichen Gründen“ in den Ruhestand.

Beim Neuaufbau der Berliner Polizei im Jahre 1945 trat Wilhelm Krützfeld wieder in den Polizeidienst ein. Im Juni 1947 leitete er die Inspektion Mitte im sowjetischen Sektor.[2]

Ehrungen

Krützfelds Ehrengrab befindet sich auf dem Friedhof III der Georgen-Parochialgemeinde (Berlin-Weißensee). Neben der Neuen Synagoge erinnert eine Gedenktafel an sein beherztes Eingreifen.

Das Land Schleswig-Holstein hat Wilhelm Krützfeld am 9. November 1993 durch die Umbenennung der Landespolizeischule in Malente-Kiebitzhörn in „Landespolizeischule Wilhelm Krützfeld“ nachhaltig gewürdigt. Anlässlich einer Ausstellung „Gegen das Vergessen“ wird in einem Gedenkblatt der Polizeischule zur Frage nach der hohen Bedeutung von Wilhelm Krützfeld unter anderen folgendes ausgeführt:

Er war weder ein Verfolgter des Naziregimes noch ein Widerstandskämpfer, er war weder Sozialdemokrat noch Kommunist, er war weder ein klassischer Held noch ein Märtyrer. Vielleicht macht ihn gerade das so bedeutend. Wilhelm Krützfeld war, das zeigen Zeitzeugen und Indizien deutlich, ein (preußischer) Polizeibeamter, der sich dem Staate als einem Ordnungssystem zur Mehrung von Toleranz und menschlichem Wohlergehen verpflichtet fühlte. Ein Mann mit gesundem Menschenverstand und Zivilcourage, der es durch „großen Fleiß und Pflichttreue“ vom Polizeiobermeister zum „Schutzpolizeiinspektor im Revierdienst“ (später „Revier-Oberleutnant“) und Reviervorsteher brachte.

Die Gemeinde Seedorf ehrte ihren Sohn mit einem Gedenkstein am Potsdamer Platz im Ortsteil Berlin von Seedorf. Anlässlich des 55. Todestages Krützfelds wurde der Stein am 31. Oktober 2008 gesetzt.

Literatur

  • Heinz Knobloch: Der beherzte Reviervorsteher. Ungewöhnliche Zivilcourage am Hackeschen Markt. 2., erweiterte Auflage, Berlin: Morgenbuch Verlag, 1993, ISBN 3371003736
  • Regina Scheer: Im Revier 16, in: Die Hackeschen Höfe. Geschichte und Geschichten einer Lebenswelt in der Mitte Berlins, Gesellschaft Hackesche Höfe e.V. (Hg.), Berlin: Argon, 1993, pp. 74–79, ISBN 3-87024-254-x

Fußnote

  1. Regina Scheer: Im Revier 16 (In precinct No. 16). In: Die Hackeschen Höfe. Geschichte und Geschichten einer Lebenswelt in der Mitte Berlins, Gesellschaft Hackesche Höfe e.V. (ed.), S. 74–79, Berlin: Argon 1993, ISBN 3-87024-254-x, hier 78. Scheer erklärt, wie Heinz Knobloch zu der Ansicht kam, Wilhelm Krützfeld habe die Neue Synagoge gerettet. Knobloch erfuhr von der Rettung aus einem Bericht des Augenzeugen Hans Hirschberg. Am 9./10. November 1938, als Sohn des Schneidermeisters Siegmund Hirschberg, erlebte er, wie sein Vater und der diensthabende Polizist vom Revier 16, den Hans als Kunden des Vaters kannte und in der Erinnerung zum Reviervorsteher machte, miteinander ins Gespräch kamen, während derselbe Polizist die von ihm angeordneten Löscharbeiten an der Neuen Synagoge verfolgte. Sie unterhielten sich über Kriegserfahrungen, die sie am gleichen Frontabschnitt gemacht hatten. Als Knobloch für sein Buch Der beherzte Reviervorsteher recherchierte, ermittelte er, wer 1938 Vorsteher im Revier 16 war und kam so auf Krützfeld. Aber Krützfeld war im Ersten Weltkrieg nicht Soldat. Nachdem Knoblochs Buch 1990 erschienen war, kamen Hirschberg Zweifel an Knoblochs Version. Es meldeten sich weitere Zeugen, Inge Held, eine Nachbarin, und Hirschbergs Schwester in Israel. Sie bestätigten, dass Bellgardt der Retter der Neuen Synagoge war. Krützfeld bleibt allerdings – neben seinen weiteren Meriten – das Verdienst, dass er Bellgardt in seinem Handeln voll gedeckt hat. Es ist jedoch schwierig, einen einmal beliebt gewordenen Mythos, zu revidieren.
  2. LAB (Landesarchiv Berlin) C Rep. 303-09, Nr. 22 Bl. 241, 1 und 2.

Weblinks


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