Wilhelm Traube

Wilhelm Traube

Wilhelm Traube (* 10. Januar 1866 in Ratibor, Oberschlesien; † 28. September 1942 in Berlin) war ein deutscher Chemiker jüdischer Abstammung.

Leben

Wilhelm Traube im 60. Lebensjahr

Der Sohn des schlesischen Privatgelehrten Moritz Traube absolvierte nach kurzzeitiger Beschäftigung mit den Rechtswissenschaften seine chemischen Studien in Heidelberg, Breslau, München und Berlin. Zu seinen Lehrern gehörten August Wilhelm von Hofmann (1818-1892), Adolf von Baeyer (1835-1917) und Karl Friedrich Rammelsberg (1813-1899). 1888 wurde er mit einer Arbeit „Über die Additionsprodukte der Cyansäure“ promoviert. Von 1897 an war Traube Assistent am Pharmakologischen Institut in Berlin, ab 1902 Oberassistent am Pharmazeutischen Institut und Titularprofessor.

1911 wurde er außerordentlicher und 1929 ordentlicher Professor. Auf Vorschlag von Hermann Emil Fischer (1852-1919) wurde Traube als Abteilungsvorsteher am Chemischen Institut (Analytische Abteilung) der Universität in Berlin tätig. Sein Erfindungsreichtum kommt in vielen Patenten auf den Gebieten der Zellulosechemie und der Metallkomplexsalze zum Ausdruck. International bekannt wurde er durch ein Verfahren zur Coffeinsynthese. Die von ihm entwickelte und nach ihm benannte Traubesche Synthese von Purin aus Cyanessigsäureester und Harnstoff hat u. a. in der pharmazeutischen Industrie Bedeutung erlangt. Einem Ruf als Ordinarius an die Kieler Universität folgte er nicht. Traube war Vorstandsmitglied der Deutschen Chemischen Gesellschaft und wurde 1926 Mitglied der Leopoldina zu Halle. Zur Identifizierung von Barium in Kernspaltprodukten verwendete Otto Hahn (1879-1968) ein organisches Bariumsalz, das von Traube stammte.

Traube hatte eine Vorliebe für die Musik und spielte Klavier. Im Lebenslauf zur Promotion gibt Traube als Religion evangelisch an.

Wilhelm Traube war jüdischer Abstammung und wurde Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns. Ihm wurde 1935 im Rahmen des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ die Lehrbefugnis an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität entzogen. Zunächst erlitt er durch die NS-Machthaber Diskriminierungen und Restriktionen (z. B. Unterschrift: „Dr. Wilhelm Israel Traube, Kennkarte J Berlin A 370 523“); sein Vermögen wurde zugunsten des Reiches beschlagnahmt. Im September 1942 stand die Deportation Traubes unmittelbar bevor und er wollte sich in der Nacht zum 11. September mit Blausäure das Leben nehmen. Otto Hahn überredete ihn, das nicht zu tun und zu warten. Am 11. September morgens wurde Traube von der Gestapo nach Aufbrechen der Tür verhaftet und starb im Gefängnis an den Folgen von Misshandlungen und Schlägen, die er wegen Widerstands bei der Verhaftung erleiden musste. Otto Hahn und Walter Julius Viktor Schoeller hatten noch am gleichen Tag versucht, den befreundeten Traube zu retten, formal zwar mit Erfolg, sie kamen aber um wenige Stunden zu spät.

Wilhelm Traube wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt, die Grabstätte ohne Gedenkstein ist erhalten.

Literatur

  • Pringsheim, H.: F. Hahn: Wilhelm Traube zum 60. Geburtstage. Zeitschr. f. angewandte Chemie 39 (1926) 61-67 - Dieser Artikel enthält ein Verzeichnis vieler Publikationen Wilhelm Traubes
  • Promotionsverfahren WILHELM TRAUBE (Gutachten, Lebenslauf, Dissertationsschrift, Prüfungsprotokoll, Doktorurkunde). (Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Philophische Fakultät, 1888, Littr. P, Nr. 4, Vol. 46, Bl. 1-24)
  • Personalakte des a.o. Prof. Dr. Wilhelm Traube (Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät, Band 87, Bl. 1-43)
  • Personalakte des o. Prof. Dr. Wilhelm Traube (Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät, Band 87, Bl. 1-10)
  • Henrik Franke: Moritz Traube (1826-1894) - Leben und Wirken des universellen Privatgelehrten und Wegbereiters der physiologischen Chemie. Med. Dissertation 1994, Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität Berlin Signatur 94 HB 1449.
  • Henrik Franke: Moritz Traube (1826-1894) : Vom Weinkaufmann zum Akademiemitglied. „Studien und Quellen zur Geschichte der Chemie“, Band 9, Verlag für Wissenschafts- und Regionalgeschichte Dr. Michael Engel, ISBN 3-929134-21-7

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wilhelm Traube — Infobox Scientist name = Wilhelm Traube image width = caption = Wilhelm Traube birth date = birth date|1866|1|10 birth place = Ratibor (Racibórz), Prussian residence = nationality = German death date = death date and age|1942|9|28|1866|1|10 death …   Wikipedia

  • Traube (Begriffsklärung) — Traube bezeichnet: einen Blütenstandstyp, siehe Traube umgangssprachlich die Rispe der Weinrebe, zur Frucht siehe Weinbeere eine illegale Abhöraktion des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), siehe Lauschaffäre Traube eine sich um… …   Deutsch Wikipedia

  • Traube-Synthese — Die Traubesche Synthese ist ein vielseitiges Verfahren zur Synthese von Derivaten des Purins. Es ist nach dem deutschen Chemiker Wilhelm Traube benannt, der es entwickelt hat und erstmals 1900 publizierte.[1] Es wird heute industriell genutzt, um …   Deutsch Wikipedia

  • Traube — Traub is the surname of: * Tyler Traub, Citizen of North Carolina, USA * Jason Fuzzy Traub, American Anthropologist and Philosopher * Kelly Stinky Traub, Reknown 21st Century American Artist * Nicholas Airman Traub, Infamous Portrayer of Boobery… …   Wikipedia

  • TRAUBE, WILHELM — (1866–1942), German organic chemist. Traube was born in Ratibor, Upper Silesia, the son of moritz traube , and the brother of Hermann Traube, professor of mineralogy at Breslau. He studied at Heidelberg, and in Berlin. He spent his career at the… …   Encyclopedia of Judaism

  • Wilhelm Pfeffer — Wilhelm Friedrich Philipp Pfeffer (* 9. März 1845 in Grebenstein bei Kassel; † 31. Januar 1920 in Leipzig) war ein deutscher Botaniker und Pflanzenphysiologe. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Pfeff.“ …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm Meyer (Philologe) — Wilhelm Meyer aus Speyer Wilhelm Meyer (* 1. April 1845 in Speyer; † 9. März 1917 in Göttingen), genannt „Meyer aus Speyer“, war ein deutscher klassischer Philologe, Mediävist und Bibliothekar. Er gehört zu den Begründern der mittellateinischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm Filehne — (* 12. Februar 1844 in Posen; † 29. April 1927 in Bensheim) war ein deutscher Pharmakologe und Hochschullehrer in Breslau. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm Adolph Haußner — Gedenktafel in Pirna Wilhelm Adolph Haußner (* 7. April 1819 in Plauen; † 9. Mai 1849 in Dresden) war Arzt und Stadtverordneter in Pirna, Revolutionär von 1848/49 und Aufständischer beim Dresdner Maiaufstand 1849 …   Deutsch Wikipedia

  • Moritz Traube — (* 12. Februar 1826 in Ratibor, Oberschlesien, heute Racibórz, Polen; † 28. Juni 1894 in Berlin) war ein deutscher Chemiker (physiologische Chemie) und universeller Privatgelehrter. Moritz Traube Porträt, Quelle: Ber. d. deutschen chem. Gesellsch …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”