Willy Liebermann von Wahlendorf

Willy Liebermann von Wahlendorf

Willy Edgar Salomon Ritter Liebermann von Wahlendorf (* 6. Oktober 1863 in Berlin; † 1939) war ein deutsch-jüdischer Chemiker und Unternehmer.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Willy Liebermanns Großvater Josef Liebermann (1783–1860) gründete die erste deutsche Fabrik für maschinellen Kattundruck, die später zur größten Kattunfabrik Deutschlands aufstieg, und legte die Grundlage für den materiellen Reichtum der Familie. Liebermanns Vater Adolf Liebermann (1829–1893) machte sich einen Namen als Kunstsammler (er besaß unter anderem das „Eisenwalzwerk“ von Adolf von Menzel, heute Nationalgalerie Berlin) und wurde 1873 als „Ritter Liebermann von Wahlendorf“ in den österreichischen Adelsstand erhoben. Für seine Verdienste um die Kunst erhielt er auch den preußischen Adelsstand. Willy Liebermann von Wahlendorf war außerdem ein Vetter des Malers Max Liebermann, des Chemikers Carl Liebermann, des Historikers Felix Liebermann und von Emil Rathenau, dem Vater des späteren Reichsaußenministers Walter Rathenau. Seit 1910 war er mit Maidi geborene Feist-Belmont verheiratet, der Ehe entstammte der Sohn Edgar (1910–1996). Maidi Liebermann war 1918 bis 1921 die Geliebte von Ludwig Thoma. Trotz der ihm bekannten Liebschaft verweigerte Willy Liebermann die Scheidung, diese erfolgte erst 1928.

Leben

Aufgewachsen in Berlin besuchte Liebermann nach bzw. neben der Erziehung bei verschiedenen Hauslehrern das Königliche Wilhelms-Gymnasium. Er studierte Chemie an den Universitäten Würzburg und Gießen und wurde dort Mitglied der Corps Moenania und Starkenburgia. Corpsstudentische Erziehung und corpsstudentischer Ehrbegriff haben sein späteres Leben nachhaltig geprägt. 1885 ging er zur Arbeit an einem chemischen Laboratorium nach Berlin. Ab 1886 leistete er sein Dienstjahr beim Ulanen-Regiment Nr. 15 in Straßburg. Den anfänglichen Wunsch nach Wechsel in die Offizierslaufbahn ließ er angesichts des verbreiteten Antisemitismus in der Armee bald wieder fallen. Nach seinem Abschied forderte er einen Rittmeister seines Regiments zum Duell (dem ersten von insgesamt vier Pistolenduellen, die er im Laufe seines Lebens austrug). Die Affäre erregte einiges Aufsehen und wurde auch im Reichstag thematisiert. Liebermann setzte sich zunächst nach Belgien ab, stellte sich dann den deutschen Behörden und wurde zu Festungshaft verurteilt, nach einem dreiviertel Jahr allerdings begnadigt. Er setzte seine chemischen Untersuchungen fort und promovierte 1890 in Rostock mit einer Arbeit über Beiträge zur Frage über die Bestimmung von geringen Mengen Kuhbutterfett in der Margarine. Der Lebensmittelchemie galten auch seine weiteren Forschungen. Er selbst war an mehreren industriellen Unternehmungen beteiligt, unter anderem an der Chemischen Fabrik Balzer & Co. in Grünau und an der Chemischen Fabrik Köpenick.

Trotz seiner Integration in die großbürgerlich-adelige Gesellschaft des Kaiserreichs hat Liebermann seine Zugehörigkeit zum Judentum nie verleugnet und wandte sich strikt gegen die im jüdischen Bürgertum verbreiteten Taufen aus Gründen des beruflichen Fortkommens.

Angesichts der Bedrohung durch den Nationalsozialismus unterstützte er die Deutschnationale Volkspartei und stellte seinen Einfluss dem Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens zur Verfügung, letztlich ohne Erfolg. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten zog er sich ins Exil nach England zurück, wo er 1936 seine Erinnerungen niederschrieb und drei Jahre später starb. Liebermanns Erinnerungen, die 1988 unter dem Titel Erinnerungen eines deutschen Juden. 1863–1936 im Piper Verlag herausgegeben wurden, sind von besonderer Bedeutung. Sie sind eine „zeitgeschichtliche Quelle von hohem Rang, haben wir doch einen Repräsentanten zweier untergegangenen Welten vor uns, der Welt des deutschen Großbürgertums zum einen und der Welt des deutschen Judentums zum anderen“ (Ernst Reinhard Piper in seinem Nachwort). Zugleich sind sie beredtes Zeugnis für den bürgerlichen Antisemitismus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik, dem sich Liebermann immer wieder ausgesetzt sah.

Werke

  • Erinnerungen eines deutschen Juden. 1863–1936. München 1988

Weblink


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