Belgier-Kaserne

Belgier-Kaserne
Die Belgierkaserne

Die Belgierkaserne ist eine Kaserne im Westen von Graz. Sie befindet sich im 15. Bezirk Wetzelsdorf in der Straßganger Straße 171.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Belgier-Kaserne im Zweiten Weltkrieg

Erbaut wurde die Belgierkaserne in den Jahren 1939 bis 1940. Man errichtete zunächst die geplanten acht Objekte durch verschiedene Grazer Baufirmen. Die architektonischen Aufgaben übernahm eine Gruppe von Architekten aus Berlin.

Der erste Verband, der in die Belgierkaserne einzog, war das II. Ersatzbataillon des Waffen-SS-Regiments „Der Führer“. Später wurden noch mehrere andere SS-Ersatzeinheiten untergebracht. So erhielt sie während des Zweiten Weltkriegs den Namen SS-Kaserne Wetzelsdorf.

Im Laufe des Krieges und vor allem zum Ende des Krieges fanden zahlreiche Erschießungen auf dem Gelände der Kaserne statt. Durch eine gemischte österreichisch-sowjetische Kommission die gleich nach Kriegsende versuchte, die Leichen zu identifizieren, wurden 142 Tote festgestellt. Erst 2010 wurde festgestellt, dass diese Zahl zu niedrig ist und diese sich bis auf 219 erhöhen könnte. Es werden weitere Tote vermutet, die damals in Bombentrichtern, die als Massengräber dienten, verscharrt wurden. Untermauert wurden diese neuen Annahmen durch weitere Leichenfunde nach Trefferfotos, die erst durch Archive freigegeben wurden.[1]

Schießplatz Feliferhof – Ort von NS-Verbrechen

Zur Kaserne gehört auch der Feliferhof, der schon seit 1869 als Schießplatz vom Militär genutzt wurde. Heute wird er auch von der Polizei mitgenutzt. Auf diesem Gelände wurden während der NS-Zeit etwa 500 Personen ermordet. Von September 1941 bis zur Errichtung einer Hinrichtungsstätte im Landesgericht im Jahr 1943 wurden Todesurteile von Militär- und Polizeigerichten hier vollstreckt. Auch ab Februar 1945 wurden wieder Erschießungen hier durchgeführt.

Ende April 1945 wurden rund 130 in Bombentrichtern verscharrte Leichen von Häftlingen ausgegraben und in ein Massengrab am Feliferhof umgebettet. Diese Häftlinge wurden dann in dieses Grab hinein erschossen. Nach der Befreiung wurde am 18. Mai 1945 von alliierten Truppen das Massengrab mit 142 Leichen, davon 116 in Zivilkleidung und 21 in Uniform (zehn Ungarn, vier Deutsche, drei Franzosen, drei Russen und ein Amerikaner), entdeckt. Die Leichen der 140 Männer und 2 Frauen wurden am 27. Mai 1945 auf dem Grazer Zentralfriedhof feierlich beigesetzt. Von der Landesregierung wurde eine Untersuchungskommission zur Klärung der Hinrichtungen eingesetzt.[2][3]

1980 wurde eine erste Erinnerungstafel angebracht. Die Gedenkstätte wird vom Militärkommando Steiermark erhalten, als Mahnung für „die verbliebenen Spuren brutaler Willkürakte der NS-Justiz“. Rund um den Internationalen Tag der Menschenrechte werden auch immer wieder Gedenkfeiern abgehalten.[4][5]

Die Belgier-Kaserne in der Nachkriegszeit

Nachdem der Zweite Weltkrieg in Europa am 8. Mai 1945 geendet hatte, zogen die sowjetischen Truppen unter Marschall Tolbuchin am 9. Mai 1945 in die Belgierkaserne ein und räumten die Steiermark am 23. Juli 1945 wieder. Vertreten wurden sie fortan von der 8. Britischen Armee unter General Hankesworth. Zu dieser Zeit nannte man die Belgierkaserne Hankesworth-Barracks. Zeitweise war in der Belgierkaserne auch ein Teil des Internierungslagers Wetzelsdorf für ehemalige Nationalsozialisten zur Entnazifizierung untergebracht. Der nördliche Teil wurde ab 1953 von den Engländern an die Fahreinheit Krumpendorf (später Steiermark) und ferner einige Unterabteilungen der ehemaligen B-Gendarmerie (den Vorgängern des Österreichischen Bundesheeres) abgetreten. Es war die einzige Kaserne, in der Briten und Teile der B-Gendarmerie gleichzeitig untergebracht waren. Die 8. Britische Armee verließ im Jahr 1955 die Steiermark und überließ die Kaserne dem Österreichischen Bundesheer.

Die Belgier-Kaserne unter dem Österreichischen Bundesheer

Nachdem die Briten die Steiermark verlassen hatten, wandelte das Österreichische Bundesheer die Kaserne in eine Panzerkaserne um. Aus ihr gingen einige Panzerverbände hervor, zum Beispiel Panzerbataillon 4 mit Kampfpanzer M 47 oder das Jagdpanzerbataillon 4, welches auf den Jagdpanzer Kürassier umgerüstet wurde. Die Panzerverbände wurden am 30. November 1998 nach Gratkorn verlegt. Am 1. Dezember 1998 zog das Kommandobataillon 1 in die Belgierkaserne ein. Heute befindet sich dort das daraus hervorgegangene, im Bataillonsstatus äquivalente Zentrum Internationale Kooperation. Seit 1. September 2006 befindet sich außerdem in der Belgierkaserne das Streitkräfteführungskommando des Österreichischen Bundesheeres, welches gemeinsam mit einem Teil in Salzburg-Wals die operative Führung aller Streitkräfte in Österreich und aller Auslandsmissionen wahrnimmt.

Namensgebung

Aufgrund des Erlasses zur Traditionspflege des Bundesheeres, welcher 1967 unter Bundesminister Georg Prader verabschiedet wurde, erhielt die Wetzelsdorfer-Kaserne die Bezeichnung Belgier-Kaserne. Damit sollte dem im Jahr 1682 gegründeten steirischen k. u. k. Infanterieregiment Nr. 27 „König der Belgier“ ein würdiges Denkmal gesetzt werden. Ab 1853 waren die Belgischen Könige Leopold I., Leopold II. und Albert I. von Kaiser Franz Joseph I. ernannte Inhaber dieses Regiments. Bald wurden die Angehörigen dieses Regiments im Volksmund die Belgier bezeichnet.

Nutzung und Aus-/Umbau der Kaserne

Vor 1945 gehörten noch zahlreiche Wohnhäuser und Gebäude zur Kaserne. Diese werden heute nur noch teilweise als Wohngebäude für das Kaderpersonal genutzt. Der Standortübungsplatz Pöls und der Schießplatz Feliferhof sind auch bis heute der Betriebsstaffel Belgierkaserne unterstellt. Als Neubauten wurden in der Kaserne nur die ortsfeste Stellungskommission sowie einige Panzer-, Kfz-Hallen und Munitions- bzw. Betriebsmittellager errichtet. Im Jahr 1956 wurde ein Teil der Kaserne im Bereich des nördlichen Einfahrtstores an die Stadt Graz verkauft.

Das Offizierskasino der Belgier-Kaserne, welches 2005 ausbrannte, ist gleichzeitig das Standortkasino von Graz. Es dient auch den Veranstaltungen militärischer Vereine der Steiermark, dem Gesellschaftsabend der Offiziere und der Veranstaltung des Unteroffiziersballs. Ab 2002 wurde das Kommando Internationale Einsätze in mehrere Gruppen unterteilt, welches mit dem Zentrum Einsatzvorbereitung in Götzendorf und dem Zentrum Internationale Kooperation seine Aufgaben in der Führung aller internationalen Anforderungen ergründet und durch deren Erfüllung die Bedeutung der Belgierkaserne sogar auf internationaler Ebene weiterführte. Nun befindet sich hier der Hauptteil des Kommandos der österreichischen Streitkräfte.

Lage und Verkehr

Die Belgierkaserne liegt im 15. Bezirk Wetzelsdorf in der Straßgangerstraße 171. Etwa 3 km befestigte Straße durchziehen das 18,7 Hektar große Kasernenareal. Außerdem besitzt sie einen eigenen Eisenbahnanschluss. Mit über 30 Objekten gilt sie als größte bebaute militärische Anlage von Graz.

Liste der Einheiten, die momentan in der Belgier-Kaserne stationiert sind

  • Streitkräfteführungskommando des Österreichischen Bundesheeres (2006–dato)
  • Ergänzungsabteilung des Militärkommandos Steiermark (1966–dato)
  • Ortsfeste Stellungskommission Graz des Militärkommandos Steiermark (1978–dato)
  • Militärspital Graz (1989–dato)
  • Betriebsstaffel Belgier-Kaserne (1994–dato)
  • Informationstechnologie Support Süd des Kommandos Führungsunterstützung (2002–dato)
  • Zentrum Internationale Kooperation (2002–dato)
  • Heerespersonalamt (2003–dato)
  • Heeresgebäudeverwaltung Süd (2000–dato)
  • Abwehrstelle Steiermark (2006–dato)

Liste der Einheiten, die in der Belgier-Kaserne stationiert waren

  • Gebäudeverwaltung später Zweigstelle Bundesgebäudeverwaltung II (1947–1999)
  • Brigadesanitätsanstalt 5 später Heeressanitätsanstalt Graz (1956–1989)
  • Batterie/Artillerieschule später 1. Batterie/Brigadeartillerieabteilung 5 (1956–1957)
  • Kasernenkommando Belgier-Kaserne (1957–1994)
  • Einheiten des Versorgungsregimentes 2 (1957–1982)
  • Panzerjägerkompanie 5 (1957)
  • Kommando 5. Jägerbrigade (1963–1966)
  • Kommando und Stabskompanie Ausbildungsregiment 10 (1963–1971)
  • Stabskompanie des Militärkommandos Steiermark (1974–1998)
  • Kommandokompanie des Korpskommandos I (1974–1993 und 1998–2002)
  • Lehrkompanie Sanität (1979–2002)
  • Heeresbesoldungsstelle II bzw. Kasse später Buchhaltung des Militärkommandos Steiermark (1982–1998)
  • Rechenzentrum des Militärkommandos Steiermark (1991–2000)
  • Kommandobataillon 1 (1998–2002)
  • Korpskommando I (1998–2002)
  • Buchhaltung des Korpskommandos I (1998–2002)
  • Rechenzentrum Graz des Heeresdatenverarbeitungsamtes (2001–2002)
  • Kommando Internationale Einsätze (2002–2006)
  • Heeresbuchhaltung des Bundesministeriums für Landesverteidigung (2002–2005)
  • Nachrichtenelement des Kommandos Landstreitkräfte (2002–2006)
  • Verifikationsabteilung des Österreichischen Bundesheeres (2002–2006)

Liste der Vereine, die ihren momentanen Sitz in der Belgier-Kaserne haben

  • Sektionen des Heeressportvereins
  • Sektionen des Heeressportschützenvereins
  • Unteroffiziersgesellschaft Steiermark
  • Kameradschaftsverband Furchtlos und Treu
  • „Gesellschaft für Bosnisch-Herzegowinische Beziehungen“
  • Traditionszug des Feldjägerbataillons Nr. 9
  • Traditionsverein Höhere Führung Graz
  • Verein Österreichischer Peacekeeper, Landesgruppe Steiermark

Einzelnachweise

  1. NS-Verbrechen in Graz: Opferzahl gestiegen auf ORF-Steiermark vom 10. März 2010 abgerufen am 10. März 2010
  2. http://www.denblickhinrichten.at/
  3. Die Erweiterung des öffentlichen Raums mit den Mitteln der Kunst. synesthesie.com. Abgerufen am 16. November 2011.
  4. Österreichs Bundesheer – Aktuell – Angehende Offiziere besuchen Gedenkstätte Feliferhof
  5. Österreichs Bundesheer – Aktuell – Wider das Vergessen: Gedenkfeier am Grazer Feliferhof
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