Zweimassenschwungrad

Zweimassenschwungrad

Das Zweimassenschwungrad (auch: ZMS) ist Bestandteil des Triebstrangs moderner Fahrzeuge (Pkw, Bus, Nutzfahrzeuge) und dient zur Reduktion von Drehschwingungen.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Bei Viertakt-Hubkolbenmotoren führt der periodische Ablauf der vier Takte (Ansaugen, Verdichten, Arbeiten, Ausstoßen) in Kombination mit der Zündfolge der einzelnen Zylinder zu Drehungleichförmigkeiten der Kurbelwelle und des (angeschlossenen) Schwungrades. Da ein Antriebsstrang aufgrund der darin enthaltenen Trägheiten und Steifigkeiten ein drehschwingungsfähiges Gebilde (mit charakteristischen Eigenfrequenzen) ist, führen die vom Motor eingeleiteten Drehungleichförmigkeiten zwangsläufig zu Drehschwingungen. Diese müssen konstruktiv gemindert werden.

Zur Reduktion der Drehschwingungen wurden früher ausschließlich Kupplungen mit Torsionsdämpfer verwendet. 1985 wurde das erste Zweimassenschwungrad von der LuK Gruppe am Markt eingeführt. Während die konventionelle Schwungmasse eines Verbrennungsmotors aus den Teilen des Kurbeltriebes, dem Schwungrad und der Kupplung besteht, teilt sich ein Zweimassenschwungrad in eine primäre Schwungmasse (motorseitig) und eine sekundäre Schwungmasse (getriebeseitig) auf, die durch Feder-Dämpfereinheiten miteinander verbunden sind.

Herzstück dieser Zweimassenschwungräder sind sogenannte Bogenfedern, die durch ihre im Vergleich zu Kupplungsdämpferfedern extreme Länge die auftretenden Schwingungen deutlich besser isolieren. Waren in der 1. Generation noch 4 Bogenfedern mit jeweils etwa 80° montiert, kommen in den neueren Generationen meist 2 Bogenfedern oder 2 Feder-Sets (= gegensinnig gewickelte Federn ineinander) von jeweils etwa 170° zum Einsatz.

Durchfährt man mit einem Motor ohne Zweimassenschwungrad resonanzkritische Drehzahlen, kann es zu Überhöhungen der Drehschwingungsamplituden kommen. Diese können sowohl das schädliche Getrieberasseln auslösen, als auch über die Lagerung von Motor- und Antriebsstrangkomponenten die Karosseriestruktur zu Schwingungen anregen, die sich bis in den Fahrgastraum als Brumm-, Wummer-, Heulgeräusche usw. fortpflanzen können.

Aufbau

Beim Zweimassenschwungrad (ZMS) wird die konventionelle Schwungmasse aufgeteilt in die Primärschwungmasse und die Sekundärschwungmasse. Ein Drehschwingungsdämpfer (in der Regel eine Kombination aus Gleitlagern und (in Fett) gelagerten Schraubenfedern) verbindet die beiden Schwungmassen torsionsweich.

Das Zweimassenschwungrad besteht aus:

  • Primärschwungrad
  • Sekundärschwungrad
  • Rotativem Gleitlager
  • Koppelnden Schraubenfedern
  • Ggf. Dämpferelementen

Wirkungsweise

Durch die Aufteilung in die Primärschwungmasse auf der Motorseite und die Sekundärschwungmasse auf der Getriebeseite wird das Massenträgheitsmoment der drehenden Getriebeteile erhöht. Durch eine gezielte „weiche“ Abstimmung der Federeinheiten, die beide Schwungmassen miteinander verbinden, wird die Resonanzfrequenz des ZMS deutlich unter die Leerlaufdrehzahl des Motors und der anregenden Motorordnungen verlagert. Dadurch findet eine Drehschwingungsentkopplung des Motors vom Antriebsstrang statt. Das ZMS wird dann im sog. überkritischen Zustand betrieben und wirkt als mechanischer Tiefpassfilter: Die Drehungleichförmigkeiten des Motors werden durch das ZMS „geschluckt“ oder nur sehr abgeschwächt übertragen. Durch diesen maschinendynamischen „Trick“ kann beim Einsatz eines ZMS grundsätzlich auf ein Dämpferelement verzichtet werden. Der kritische Resonanzbereich wird also nur beim Start des Motors schnell durchlaufen. Dies ist besonders wichtig, da im Bereich der Torsionsresonanz keine Drehschwingungsentkopplung, sondern eine Verstärkung derselben vorliegt. Da ein Betrieb in diesem Drehzahlbereich zum Zerstören des ZMS führen kann, haben viele Motorsteuerungen eine Funktion integriert, die das durch gezieltes Abstellen des Motors verhindern. Um die Entkopplungseigenschaften eines ZMS in einem möglichst breiten Betriebsbereich des Motorkennfelds nutzen zu können, werden Federn mit mehrstufigen Federsteifigkeiten (Federraten), z.B. durch den Einsatz von zwei konzentrisch ineinander angeordneten Einzelfedern eingesetzt.

Untersuchungen von Nicola [1] haben allerdings gezeigt, dass die Lage der Eigenfrequenz des ZMS drehzahlabhängig ist. Ursächlich hierfür sind die Zentrifugalkräfte, die zu einer Anpressung der Schraubenfedern an ihrer äußeren Lagerung führen. Die wirkenden Reibkräfte verhindern dann ein Einfedern dieser Windungen, wodurch es zu einer Versteifung kommt, die ein Ansteigen der Eigenfrequenzlage zur Folge hat. Solange die veränderte Eigenfrequenz jedoch unterhalb der Motordrehzahl ist, tritt keine Resonanz auf.

Vorteile

Durch die Drehschwingungsentkopplung werden folgende positive Effekte erzeugt:

  • Schwingungsentkopplung über den (gesamten) Drehzahlbereich
  • Hoher Geräuschkomfort (gleichmäßigerer Getriebelauf, geringere Anregung der Fahrzeugstruktur)
  • Getriebeschonung durch Reduktion von Momentenspitzen
  • Reduktion des Kraftstoffverbrauchs, da niedertouriger (= im niedrigeren Drehzahlbereich) gefahren werden kann
  • Längere Lebensdauer der Antriebsstrangkomponenten
  • Geringer Bauraumbedarf (gleicht ungefähr dem einer Zweischeibenkupplung)

Hersteller

Die Grundidee des ZMS ist von mehreren Herstellern in verschiedenen Varianten weiterentwickelt und in Produkten umgesetzt worden:

Quellen

  1. Nicola, A.; Sauer, B.: Untersuchung des dynamischen Übertragungsveraltens torsionselastischer Antriebselemente. Automobiltechnische Zeitschrift (ATZ), Ausgabe 02/2006, Vereinigte Fachverlage Mainz

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