Schwungrad

Schwungrad
Schwungrad einer Gesenkschmiede
Schwungrad eines Walzwerkes
Schwungrad mit Kurbel an einer Traubenmühle

Ein Schwungrad (auch als Schwungmasse bezeichnet) ist ein Maschinenelement. Es wird unter anderem zur Speicherung kinetischer Energie (Rotationsenergie) genutzt, indem seine Drehbewegung (Rotation) ausgenutzt wird, für Details siehe Schwungradspeicherung. Außerdem werden Schwungräder zur Stabilisierung von Satelliten oder Flugzeugen (Kreiselkompass) und in Spielzeug-Kreiseln eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

Energiespeicher

  • Hubkolbenmotoren und Dampfmaschinen können nur in einem Arbeitstakt Energie über die Kurbelwelle an den Abtrieb leiten. In den restlichen Takten benötigen sie Energie, um die Drehbewegung zu vollenden und z. B. die Verbrennungsluft zu verdichten. Diese Energie wird während des Arbeitstaktes im Schwungrad zwischengespeichert und danach wieder abgegeben.
  • Aufziehauto: Das Schwungrad verlängert die Antriebsphase, da es durch seine Trägheit einen Teil der Federenergie aufnimmt und sie nach dem Entspannen der Feder allmählich an das Auto abgibt. Auf diese Weise verlängert sich die Antriebsphase, und die Räder drehen aufgrund der geringen Belastung nicht so schnell durch.
  • Einfachste kleine Spielfahrzeuge kommen ohne Federspeicher aus und fahren allein mit Schwungrad-Antrieb typisch 3 m weit. Das Schwungrad besteht aus 1 bis 3 gestanzten kreisrunden Scheiben mit 2 bis 4 cm Durchmesser, aus 1 bis 2 mm starkem Eisenblech, gelocht aufgepresst auf eine Stahlachse, die in Blech oder Plastik gelagert ist.

Durch festes Andrücken des Fahrzeugs am Fussboden federn die Fahr-Räder ein und kommt das oft gummierte, mittig angeordnete Reibrad in gut kraftschlüssigen Kontakt mit dem glatten Boden. Eine Sperrklinke (Ratsche) oder Ähnliches erlaubt leichtes, wirksames Anschieben nur in Fahrtrichtung, das dabei ein in der Tonhöhe ansteigendes Geräusch des Getriebes mit Blech- oder Plastik- und Messing-Zahnrädern erzeugt. Das Getriebe-Geräusch klingt etwas länger, wenn das Fahrzeug am Ende der Reichweite der Hand vom Boden abgehoben wird. Der leisere Klang des Schwungrads klingt länger nach, da es durch einen Freilauf entkoppelt ausläuft, auch um ein schmerzhaftes Einzwicken eines Fingers am Karosseriespalt zum Reibrad zu verhindern. Das in 2 oder 3 solchen Anschüben auf hörbar schnellste Rotation anschiebbare Schwungrad wirkt über einen zweiten Freilauf auf eine Antriebsachse mit meist zwei Rädern, wodurch Geradeausfahrt bevorzugt wird. Läuft das Schwungrad, drehen sich auch die Antriebsräder untersetzt mit. Wird nun das Fahrzeug sanft auf den Boden gesetzt und ausgelassen, beschleunigen die durchdrehenden Räder das Fahrzeug, greift dann das Fahr-Rad-Paar fährt das Fahrzeug genauer geradeaus und rollt über den Freilauf aus, während das Schwungrad eventuell sogar schon zum Stillstand gekommen ist.

Ein billiges vermeintlich simples Ding, das über seine Akustik die Spielmöglichkeit schrittweise erklärt und durch Mechanismen wie Freilauf, Ratsche und drehmomentbegrenzendes Rutschen sich und den Nutzer vor Schäden schützt. Das rotierende Schwungrad bewirkt auch eine über Kreiselkräfte verkettete Lagestabilisierung des Fahrzeugs um seine Hoch- und Längsachse, also gegen Ausschwenken oder Kippen, jeweils zur Seite.

  • Es gab und gibt sehr viele Anwendungen, in denen Schwungräder als Energiespeicher für elektrische Systeme eingesetzt werden. Diese bestehen aus einem schnell rotierenden Rad, das über einen Motorgenerator die elektrische Energie in seine Drehbewegung umsetzt oder wieder abgibt. Dieses System ist in der Lage, sehr kurzfristig hohe Energiemengen bereitzustellen. So gab es Anwendungen in Sägewerken, um die anfangs nötigen hohen Strommengen beim Anlaufen der Sägen bereitzustellen, oder in Verbindung mit einem Wellenkraftwerk, um die unstetige Energieabgabe der Wellen zu glätten. Auf der norwegischen Insel Utsira wurde 2004 ein autarkes Stromnetz errichtet, wobei durch einen Schwungradspeicher (5 kWh) kurzfristige Stromschwankungen ausgeglichen werden. Die Schwungmassen aller in der Netzstromproduktion (synchron) laufenden Turbinen und Generatoren haben eine Bedeutung für die Stabilisierung der Netzfrequenz, also Energiespeicherung für den Zeitraum der Größenordnung einer Phase von 1/50 Sekunde. Ähnliches bedeutet für die Schwungmasse von Elektromotoren für die Glättung der Drehmomentabgabe. Durch Schwungräder in großen stationären Maschinen können lokal mechanisch eher nur Energiemengen gespeichert werden, die in Preß-, Schmiede-, Stanz-, Walz- und Schneidvorgängen in typisch einer halben Sekunde aufgebraucht werden, um elektromotorisch in mehreren Sekunden danach wieder nachgeliefert zu werden. Für längerperiodische Strombedarfsschwankungen kommt bedarfsgeregelte Erzeugung zur Anwendung. Sehr flexibel steuerbar sind Pumpspeicherkraftwerke, die mit einem gewissen Wirkungsgrad elektrische Energie in potentielle Energie des Wassers im hochgelegenen Speichersee umwandeln, so typisch für die nächste Tages- oder Winterspitze gespeichert halten und wieder zur Stromerzeugung nutzen.
  • Gyrobus: In den 50er Jahren war in der Schweiz ein sogenannter Gyrobus im Einsatz, der die Energie für seinen Elektroantrieb ausschließlich von einem Schwungrad (Speicherinhalt 9,15 kWh) bezog. Der Bus konnte ohne Verbindung mit dem Stromnetz etwa 20 Kilometer zurücklegen, dann musste er an den Endstationen jeweils an das Stromnetz andocken, um sein Schwungrad wieder in Gang zu setzen. Diese Art der Energiespeicherung hat sich nicht bewährt, wie ein Vergleich zeigt.

Stabilisierung

Außer zur Energiespeicherung wird das Schwungrad auch zur Stabilisierung verwendet. Beispiele hierfür sind Kreiselkompasse und Satelliten.

Drehungleichförmigkeit, Drehschwingungen

Bei vielen dynamischen Prozessen an Maschinen treten Drehungleichförmigkeiten (Schwankungen der Drehzahl) auf. Diese entstehen durch periodische auftretende Drehmomente, und können zu Drehschwingungen (=Torsionsschwingungen) führen. Schwungräder vermindern durch ihre Massenträgheit die Drehungleichförmigkeit indem sie bei Beschleunigung Energie aufnehmen und bei Verzögerung wieder abgeben. Die Drehungleichförmigkeit ist dadurch geringer. Von Nachteil ist, dass eine große Masse in Bewegung gesetzt werden muss, welche bei Fahrzeugen Zusatzgewicht bedeutet. Daher wird meist versucht, die Ungleichförmigkeit gering zu halten (z. B. bei Verbrennungsmotoren durch mehrere Zylinder) oder die Drehschwingung selbst auf andere Arten zu verringern (Schwingungsdämpfung).

Ein Schwingungsdämpfer besteht aus einer Schwungmasse und einem dämpfenden Element (z. B. Öl oder Gummi) das die schwingungsdämpfenden Kräfte zwischen Schwungmasse und zu dämpfendem Bauteil überträgt. Der schwingende Teil „stützt“ sich sozusagen über ein dämpfendes Element auf der ruhiger laufenden Schwungmasse ab. Das dämpfende Element wandelt dabei Bewegungsenergie in Wärme um und entzieht damit dem schwingenden Bauteil die Bewegungsenergie (Schwingungsenergie).

Zur Schwingungsdämpfung (eigentlich: Amplituden-Verringerung) erstmals eingesetzt wurde ein Schwungrad bei dem Motor des BMW-Motorrads R 69 S ab Baujahr 1960, um die zuvor häufig auftretenden Kurbelwellenbrüche infolge von Schwingungen bei dem hochbelasteten Motor zu verhindern. Hier sorgte ein kleines Schwungrad auf der der Kupplung gegenüberliegenden Seite vorn am Motor für eine geringere Drehungleichförmigkeit des schwingungsfähigen Systems Kurbelwelle-Schwungrad-Kupplung.

Eine ähnliche Sonderform des Schwungrades im Pkw bildet das sogenannte Zweimassenschwungrad. Hier wird durch den Einsatz einer Primär - und einer Sekundärschwungmasse mit dazwischenliegendem elastischen Element die Übertragung von Motorschwingungen auf den restlichen Antriebsstrang stark reduziert (z. B. Getriebeleerlaufrasseln). Primär- und Sekundärschwungmasse sind durch ein genau abgestimmtes Feder-/Dämpfersystem voneinander getrennt. Die getriebeseitige Schwungmasse (Sekundärschwungmasse) ist schwerer als die motorseitige Schwungmasse (Primärschwungmasse). Das Massenträgheitsmoment des Getriebes wird hierdurch erhöht wodurch die Ungleichförmigkeit besonders bei niedrigen Drehzahlen stark vermindert wird. Die Torsionsschwingungserregung, die auf den Antriebsstrang wirkt, wird stark reduziert.

Die Unruh der mechanischen Uhr stellt im Zusammenwirken mit der Spiralfeder einen Drehschwinger dar, dessen Periodendauer eine hohe Konstanz (Isochronismus) aufweist.

Geschichte

Schon im Altertum wurde die Massenträgheit in Form rotierender Massen genutzt – beispielsweise bei Töpferscheiben oder Spinnrädern wurden einfache Schwungräder verwendet, um ein dauerhaftes, unterbrechungsfreies und gleichmäßiges Drehen zu gewährleisten. So wurden rund 6000 Jahre alte Steinscheiben gefunden, die im alten China als Spindel genutzt wurden.

Das Schwungrad als generelles Maschinenelement zur Speicherung kinetischer Energie findet sich erstmals in den De diversibus artibus (Über verschiedene Künste) des Theophilus Presbyter (ca. 1070-1125), der es bei mehreren seiner Maschinen verwendete.[1][2] Im Mittelalter hatten hölzerne Schwungräder bereits Drehzahlen von rund 100/min und konnten die Rotation zum Teil über mehrere Minuten aufrechterhalten. Später dienten Schwungräder zum Ausgleichen des nicht konstanten Drehmoments bei Dampfmaschinen und den ersten Verbrennungsmotoren.

Flughafen Berlin-Tempelhof, Modell des Zaschka-Hubschraubers, dessen Rotorblätter mit zwei Schwungrädern verbunden sind, wodurch die Autorotationslandung stabil verläuft (1930), Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Auch im Bereich der frühen Hubschrauberentwicklung fanden Schwungräder ihre Verwendung. 1927 wurden im Unterschied zu den bis damals bekannten Trag- und Hubschraubern die Rotoren des Zaschka-Rotationsflugzeugs von Oberingenieur Engelbert Zaschka mit einer zwei Kreiseln wirksamen Schwungmasse zwangsläufig rotierend verbunden. Durch diese Anordnung konnte mit abgestelltem Motor ein gefahrloser senkrechter Gleitflug ausgeführt werden[3]. Wiederentdeckt wurden sie in der Raumfahrt, um nach einem Aufladen über Solarstrom die Energieversorgung im Erdschatten sicherzustellen – hier wurden sie also im großen Stil zur Energiespeicherung eingesetzt.

Heute sind die Einsatzbereiche von Schwungrädern dank fortgeschrittener Technik ungleich vielfältiger als früher. Sie werden beispielsweise genutzt, um kurzfristige Spannungsschwankungen im Stromnetz und kurzzeitige Stromausfälle zu kompensieren, oder um die Auslaufzeit von Kühlpumpen in Kernkraftwerken zu verlängern, damit auch im Notfall eine ausreichende Kühlung gewährleistet wird. Durch neue, leichtere und stabilere Materialien, die das Bersten bei hohen Drehzahlen verhindern, halten die Schwungräder vor allem auch im mobilen Bereich Einzug, um die Energie besser ausnutzen zu können. So wird bei den Testzügen des Projektes Lirex der Deutschen Bahn die kinetische Energie beim Bremsen nicht mehr ausschließlich in Wärmeenergie umgewandelt und an die Umwelt abgegeben; stattdessen wird auch ein Schwungrad angetrieben, das dem Antrieb Energie entzieht und gleichzeitig einen Großteil der Bremsenergie zur weiteren Nutzung zwischenspeichert. Diese so zwischengespeicherte Energie kann beispielsweise zum Versorgen der Bordelektronik oder zum Wiederanfahren genutzt werden.

Betrachtet man den Einsatz eines Schwungradenergiespeichers aus wirtschaftlicher Sicht, so ergibt sich eine Amortisationszeit zwischen 8 und 15 Jahren. Es ist fraglich, ob nicht eine Akkumulatorenanlage finanziell günstiger wäre. Lebensdauer und Zyklenanzahl von Batterien sind zwar deutlich geringer, dafür ist der Anteil der Batteriekosten an den Anlagenkosten geringer. Batterien sind aufgrund der Massenproduktion sehr preiswert und der Aufwand für die Leistungselektronik ist deutlich geringer, da die Batterien mit Gleichspannung gespeist werden und daher nur ein Wechselrichter benötigt wird. Die entsprechende Technik hat sich in Anlagen der Photovoltaik bewährt.

Einzelnachweise

  1. Lynn White, Jr., “Theophilus Redivivus”, Technology and Culture, Bd. 5, Nr. 2. (Frühling 1964), Rezension, S. 224-233 (233)
  2. Lynn White, Jr., “Medieval Engineering and the Sociology of Knowledge”, The Pacific Historical Review, Bd. 44, Nr. 1. (Febr. 1975), S. 1-21 (6)
  3. Engelbert Zaschka: Drehflügelflugzeuge. Trag- und Hubschrauber. C.J.E. Volckmann Nachf. E. Wette, Berlin-Charlottenburg 1936, Seite 47.

Weblinks

 Commons: Schwungräder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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