Zwillingssturz von Gottorf

Zwillingssturz von Gottorf

Der Zwillingssturz von Gottorf aus dem Jahre 1433 ist ein Erbstreit um das Erbe von Herzog Gerhard VII. von Schleswig, Graf von Holstein.

Gerhard VII. heiratete am 2. Juni 1432 Agnes von Baden, die Tochter des Markgrafen Bernhard I. von Baden. Ihrem Bruder Jakob I. von Baden war sehr daran gelegen, durch die Ehe seiner Schwester Einfluss in Schleswig zu gewinnen. Nach der eiligen Eheschließung in Baden reiste Herzog Gerhard VII. schnell zurück, um die Grenzen seines Landes zu sichern, ohne dass eine offizielle Hochzeitsnacht stattgefunden hatte. Offiziell wurde die Ehe erst am 5. Oktober 1432 vollzogen. Der ganze Ablauf schien auf einem strategischen Beistandpakt zwischen den Badenern und Herzog Gerhard VII. zu beruhen.

Am 15. Januar 1433 stürzte die schwangere Agnes von Baden jedoch auf einer Treppe und die Wehen setzten ein. Am folgenden Tag gebar sie die zwei gesunden Zwillinge Heinrich und Katharina. Dies führte erst zu Erstaunen und in der Folge zu Unmut. Jedem, der rechnen konnte, war klar, dass der Vollzug der Ehe und das Geburtsdatum zu nahe beieinander lagen, um lebensfähige Kinder hervorbringen zu können.

Schnell bemühten sich Gerhard VII. und sein Bruder Adolf VIII., die Blamage aus der Welt zu schaffen. Im Innenhof des Gottorfer Schlosses verkündete Gerhard VII. im Februar 1433 vor seinen Rittern, dass er vor der Heirat mit Agnes bereits Verkehr gehabt habe und die Kinder daher standesgemäß und die seinigen seien. Im übrigen seien es Siebenmonatskinder. Gerhard bezeugte, dass er seine Frau "hatte heymelich beslaffen und warlich Juncfrawe gefunden".[1] Dies wurde im Schleswiger Dom und in der Landesversammlung vor dem Klerus und den Ratsherren bekräftigt und durch Hofdamen, Ärzte und Hebammen bestätigt. Letztlich wurde die Sachlage durch die Bischöfe von Lübeck und Schleswig verbrieft und beigelegt.

Der ganze Ärger ging an Gerhard VII. nicht spurlos vorbei. Noch im Februar 1433 brach bei ihm eine alte Lungenkrankheit erneut aus und verschlimmerte sich zusehends. Als alle Kunst der Ärzte nichts half, brach Agnes mit ihrem Mann gegen den Rat der Ärzte zur Kur nach Baden-Baden auf. Bereits bei Köln verschlimmerte sich sein Zustand so sehr, dass die Pläne umgeworfen wurden und die beiden sich auf den Rückweg machten. Schließlich verstarb Gerhard VII. bei der Rückreise in Emmerich am Rhein.

Als Agnes auf die Rückreise nach Hamburg kam, musste sie erfahren, dass ihr Schwager Adolf VIII. ihr die Einreise nach Schleswig-Holstein verwehrte, ihre Kinder entführt hatte und dass sie und ihre Kinder keine weiteren Ansprüche auf das Erbe oder den Witwenteil haben sollten, da die Kinder nicht ehelich wären und sie Schande ins Haus der Schauenburg gebracht hätte. Agnes, die nicht wusste wohin, machte sich auf den Weg nach Baden-Baden. Damit machte sie jedoch die Pläne ihres Bruders, der noch immer auf das Erbe der Schauenburger hoffte, zunichte.

Als Agnes dann noch die weiteren Heiratspläne ihres Bruders durch eine Verlobung mit Hans von Höwen, einem Verehrer aus früheren Tagen, durchkreuzte, war der Markgraf darüber so verärgert, dass er Agnes auf der Burg Eberstein für den Rest ihres Lebens internierte. Der Markgraf hatte geplant, Agnes mit dem Herzog von Schlesien-Oels zu vermählen; dessen Schwester wiederum sollte mit Adolf VIII. vermählt werden, um so den Anspruch auf Schleswig-Holstein noch zu retten. Das Scheitern verärgerte dem Markgrafen derart, dass kein Bitten ihn besänftigte und er selbst in seinem Testament eine weitere Internierung anordnete. Agnes starb in den ersten Wochen des Jahres 1473 erblindet auf der Burg Eberstein.

Bereits im Sommer 1433 wurden die Erbstreitigkeiten vehement versucht durchzusetzen und beschäftigte die Hansestädte, das Basler Konzil und den Kaiser für mehr als zehn Jahre.

Beide Kinder kamen sehr schnell ums Leben. Die Tochter kam einjährig als Nonne ins Kloster und verstarb noch im selben Jahr, während der Sohn beim Spiel mit dem Hofnarren ertrank. So kam es, dass schließlich das Schleswiger Herzogtum ohne Nachfahren an den dänischen König Christian I. von Oldenburg fiel.

Einzelnachweise

  1. [1]

Literatur

  • Peter Hirschfeld: Markgräfin Agnes von Baden, Gemahlin Herzog Gerhards VII. von Schleswig. Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, Band 34. Neumünster 1957

Weblinks


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