Zwölftonreihe

Zwölftonreihe

Die Zwölftonreihe ist eine beliebige Anordnung der zwölf verschiedenen Tonhöhen der chromatischen Tonleiter in einem gleichschwebend temperierten Tonsystem. Sie bildet den kompositionstechnischen Kern von Werken der Zwölftonmusik, die ihren Ausgangspunkt in der Zweiten Wiener Schule nahm.

Für den Komponisten Arnold Schoenberg, der für sich in Anspruch nahm, die Zwölftonreihen „entdeckt“ zu haben, gelten für die Zwölftonreihe als neues Ordnungsprinzip der Neuen Musik zwei Prämissen [1]:

  • In einer Zwölftonreihe müssen alle zwölf Tonhöhen der chromatischen Scala enthalten sein, wobei enharmonische Verwechslungen und Oktavierungen keine Bedeutung haben.
  • In einer Zwölftonkomposition darf ein Ton erst dann ein zweites Mal verwendet werden, wenn alle anderen Töne der Reihe bereits aufgetreten sind.

Für Schoenberg konstituierte sich daraus die Totalität des Komponierens mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen, die dann die Emanzipation der Dissonanz als Merkmal der „Neuen Musik“ herstellt.

Allerdings bestimmt die Zwölftonreihe nur die Tonhöhenfolge einer Zwölftonkomposition. Die anderen Parameter des Tones (Tondauer, Lautstärke und Klangfarbe) bleiben in der klassischen Dodekaphonie unberührt.

Inhaltsverzeichnis

Reihenbildung

Eine Zwölftonreihe ist eine beliebige aber vollständige Anordnung der Halbtöne der chromatischen Tonleiter. Welche Anordnung ein Komponist aus den 479.016.000 (=12!) möglichen Permutationen der chromatischen Scala für seine Komposition wählt, ist eine künstlerisch weitreichende Vorentscheidung. Die Zwölftonreihe ist aber weder eine Komposition noch ein Thema. Schoenberg nennt sie eine Themaform und versteht sie als ein abstraktes Gebilde, aus dem Themen abgeleitet werden können.

Von der Chrom. Scala zur Zwölftonreihe

Ein Beispiel für eine vertikale, akkordische Verarbeitung einer Zwölftonreihe sind die ersten Takte von Schönbergs Klavierstück op33a →Notenbeispiel.

Die vier Modi der Zwölftonreihe

In der traditionellen Dodekaphonie gelten zwei Transformationen (Umformungen) einer Zwölftonreihe als regelrecht.

  • Krebsbildung: Der Krebs einer Zwölftonreihe entsteht durch Anwendung der Ursprungsreihe von ihrem letzten Ton aus rückwärts. Diese Transformation wird auch horizontale Spiegelung genannt.
  • Umkehrung: Die Intervalle der Ursprungsreihe werden durch ihre Komplementärintervalle ersetzt, was zur Folge hat, dass jedes Intervall, das in der Ursprungsreihe aufwärts gerichtet war, in der Umkehrung abwärts gerichtet ist, und umgekehrt. Deshalb wird diese Transformation auch als vertikale Spiegelung bezeichnet.

Mit diesen beiden Transformationen lassen sich aus einer Ursprungsreihe insgesamt vier Reihen bilden: die Ursprungsreihe und ihre Umkehrung und der Krebs dieser beiden. Darauf bezogen spricht die Dodekaphonie von den „vier Modi“, in denen eine Zwölftonreihe auftreten kann.

Die Vier modi einer Zwölftonreihe

Als weitere regelrechte Transformation kann eine Transposition der Ursprungsreihe und ihrer Modifikationen angesehen werden, die die vier Modi der Zwölftonreihe auf die zwölf verschiedenen Tonhöhen der chromatischen Scala transponiert.

Damit lassen sich aus den meisten Zwölftonreihen insgesamt 48 (= 4x12) Reihen (die ursprüngliche mit einbezogen) ableiten, die dem Komponisten für eine Zwölfton-Komposition zur Verfügung stehen.

Die Transformationen Krebs und Umkehrung sind der Kontrapunktlehre entlehnt. Schoenberg suchte damit seine Zwölftonlehre an die strengen Regeln dieser Kompositionstechnik anzuschließen.

Sonderformen der Zwölftonreihe

Unter den rund eine Million verbleibenden Zwölftonreihen – die 48 Ableitungen jeder Reihe herausgerechnet – lassen sich eine Vielzahl von Reihenbildungen entdecken, die besondere Merkmale aufweisen.

  • Symmetrien (Schoenberg, Klavierstück op.33a);
  • Binnenbeziehungen von Reihenteilen, (Anton Webern, Konzert für 9 Instrumente op.24);
  • Anklänge an tonikale Elemente, (Dur- und Moll-Dreiklänge in Alban Bergs Violinkonzert);
  • bestimmte Intervallstrukturen (Terzfortschreitungen in Anton Weberns 1. Kantate op.28);
  • außermusikalische Metaphern (das B-A-C-H Motiv am Beginn der Krebsform der oben dargestellten Reihe aus Schoenberg op. 25.)

Von Bedeutung wurden sogenannte Allintervallreihen, in denen neben allen zwölf Halbtönen auch alle elf bildbaren Intervalle vorhanden sind. Sie treten auch in der Form von symmetrischen Allintervallreihen auf. →  Hauptartikel Allintervallreihe

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Arnold Schönberg: Stil und Gedanke. Fischer, Frankfurt a.M. 1995 S. 75

Literatur

  • Eimert, Herbert: Grundlagen der musikalischen Reihentechnik, Wien 1964
  • Eimert, Herbert: Lehrbuch der Zwölftontechnik, Wiesbaden 1950
  • Carl Dahlhaus: Was ist eine Zwölftonreihe? In: Neue Zeitschrift für Musik. J. 131, 1970, Heft 10

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zwölftonreihe — Zwọ̈lf|ton|rei|he, die (Musik): Tonfolge, die die zwölf Töne des temperierten Systems je einmal enthält (u. die Grundlage u. Ausgangspunkt der Zwölftonmusik ist) …   Universal-Lexikon

  • Zwölftontechnik — Mit den Begriffen Zwölftontechnik, Reihentechnik und Dodekaphonie (griech. dodeka = 12, phone = Stimme) werden kompositorische Verfahren zusammengefasst, die von einem Kreis Wiener Komponisten um Arnold Schönberg, der sogenannten „Schönberg… …   Deutsch Wikipedia

  • 12-Ton-Musik — Zwölftonmusik wird eine Musik genannt, wenn sie auf Grundlage der Zwölftontechnik bzw. einer Zwölftonreihe komponiert wurde. In ihr werden die zwölf Töne der chromatischen Skala des gleichstufig temperierten Tonsystems vollkommen gleichberechtigt …   Deutsch Wikipedia

  • 12-Ton-Technik — Zwölftonmusik wird eine Musik genannt, wenn sie auf Grundlage der Zwölftontechnik bzw. einer Zwölftonreihe komponiert wurde. In ihr werden die zwölf Töne der chromatischen Skala des gleichstufig temperierten Tonsystems vollkommen gleichberechtigt …   Deutsch Wikipedia

  • 12 ton technik — Zwölftonmusik wird eine Musik genannt, wenn sie auf Grundlage der Zwölftontechnik bzw. einer Zwölftonreihe komponiert wurde. In ihr werden die zwölf Töne der chromatischen Skala des gleichstufig temperierten Tonsystems vollkommen gleichberechtigt …   Deutsch Wikipedia

  • Dodekakophonie — Zwölftonmusik wird eine Musik genannt, wenn sie auf Grundlage der Zwölftontechnik bzw. einer Zwölftonreihe komponiert wurde. In ihr werden die zwölf Töne der chromatischen Skala des gleichstufig temperierten Tonsystems vollkommen gleichberechtigt …   Deutsch Wikipedia

  • Dodekaphonie — Zwölftonmusik wird eine Musik genannt, wenn sie auf Grundlage der Zwölftontechnik bzw. einer Zwölftonreihe komponiert wurde. In ihr werden die zwölf Töne der chromatischen Skala des gleichstufig temperierten Tonsystems vollkommen gleichberechtigt …   Deutsch Wikipedia

  • Zwölftonmusik — wird eine Musik genannt, wenn sie auf Grundlage der Zwölftontechnik bzw. einer Zwölftonreihe komponiert wurde. In ihr werden die zwölf Töne der chromatischen Skala des gleichstufig temperierten Tonsystems vollkommen gleichberechtigt (das heißt:… …   Deutsch Wikipedia

  • A Survivor from Warsaw — Ein Überlebender aus Warschau (Originaltitel A Survivor from Warsaw for Narrator, Men’s Chorus and Orchestra op. 46) ist ein Melodram von Arnold Schönberg für einen Sprecher, Männerchor und Orchester aus dem Jahre 1947. Die Uraufführung fand am 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Zwölftonsystem — Die Zwölftonreihe bildet den kompositorischen Kern von Werken der Zwölftonmusik. Ihre Aufgabe ist es, Tonbeziehungen innerhalb einer Komposition zu regulieren, nicht jedoch die weiteren Parameter wie Dauer, Lautstärke, Klangfarbe oder… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”