Zyklus der Präzession

Zyklus der Präzession

Als Zyklus der Präzession oder Platonisches Jahr bezeichnet man die Präzessionsperiode der Erdachse von etwa 25.700 bis 25.800 Jahren. Er wird auch als Das Große Jahr oder Weltjahr erwähnt. Die zur Ekliptik schräg stehende Erdachse präzediert in diesem Zeitraum einmal um die zur Ekliptik senkrecht stehende Achse durch den Erdmittelpunkt.

Inhaltsverzeichnis

Die Präzessionsdrift der Tierkreiszeichen gegenüber den Sternbildern

Polwanderung: Weg des Himmelsnordpols um den Ekliptikpol
Polwanderung: Weg des Himmelssüdpols um den Ekliptikpol

Der Zyklus der Präzession ist die Zeit, nach der man genau ein tropisches Jahr mehr zählt als siderische Jahre. Die Länge dieser beiden Jahre unterliegt – für so lange Zeiträume – trotz prinzipiell exakter Definition solchen Ungenauigkeiten, dass eine exaktere Angabe als auf ein Jahrhundert genau nicht sinnvoll erscheint. (Die zahlreichen Gründe für diesen Sachverhalt sind ausführlich dargelegt in den beiden Artikeln Tropisches Jahr, Siderisches Jahr). Darüber hinaus sind die Geschwindigkeit der Präzession selbst und sogar der Öffnungswinkel des Präzessionskegels (die Schiefe der Ekliptik) über so lange Zeiträume deutlichen Änderungen unterworfen.

Die Drift des Frühlingspunktes korreliert mit der Wanderung des Himmelspols (der Projektion der Erdachse auf die Himmelssphäre): Auf einer Sternkarte präzediert der Frühlingspunkt auf einer Linie senkrecht zur Linie vom Himmelspol zum Ekliptikpol, der sich im Zentrum des Präzessionskreises befindet (Siehe Abbildung).

Die Präzession ist der Grund für das Auseinanderdriften der 12 Tierkreiszeichen und der Sternbilder, die ihnen den Namen gaben: Der Frühlingspunkt wird auch als Widderpunkt bezeichnet, nach dem Sternbild Widder. Er befindet sich zurzeit aber im westlichen Teil des Sternbildes Fische, ist also etwa 25° vom Widder entfernt. So lässt sich das Alter dieser Bezeichnung ungefähr abschätzen. Je nachdem, ob der Punkt ursprünglich den Anfang oder die Mitte des Sternbildes Widder markierte, dürfte er seinen Namen vor grob zwischen 1700 und 3000 Jahren bekommen haben. Leider ist die Quellenlage astronomischer Literatur in der vorarabischen Zeit unzureichend. Die Präzession an sich dürfte schon den babylonischen Astronomen um 300 v. Chr. bekannt gewesen sein, vielleicht – auf assyrischen Tabellen aufbauend – auch deutlich früher. Da der Grund für die Drift des Frühlingspunktes nicht erkannt wurde (aber auch durch allfällige inkonsistente Übersetzungen), besteht die Möglichkeit, dass die jeweiligen Sternbilder – unter Beibehaltung ihres Names – auf andere Konstellationen übertragen wurden, um sie dem Frühlingspunkt nachzuführen.

Trotz dieser Vorbehalte ist der Zyklus der Präzession eine Methode der Geschichte der Astronomie und Astronomischen Chronologie zur Analyse alter himmelskundlicher Aufzeichnungen. Mittels der Frühlingspunktdrift lässt sich etwa eine erstaunlich frühe Wurzel der chinesischen Kalenderrechnung [1] – bis etwa ins 15. Jahrhundert v. Chr. – vermuten oder sich die Tradition der noch immer im Umlauf befindlichen Bauernkalender [2] ins ausgehende Mittelalter datieren.

Platon und das Platonische Jahr

Die Namensgebung „Platonisches Jahr“ bezieht sich auf den großen Philosophen Platon. In seinem Dialog Timaios spricht dieser aber hauptsächlich davon, dass die Planeten im Laufe langer Zeiträume wieder in ihrem gemeinsamen Anfangs- und Frühlingspunkt zusammentreffen und dabei einen Weltzyklus vollenden; die Präzession kommt hierbei nicht vor. Weiterhin wird betont, dass Platon noch gar nichts von der Präzession gewusst haben konnte, da diese erst später durch Hipparchos entdeckt worden sei. Bei dem spätantiken Autor Macrobius findet sich jedoch bereits ein eindeutiger Hinweis auf eine Verknüpfung des Großen Jahres bzw. Weltjahres mit dem Präzessionszyklus der Sterne, so dass dieses Konzept zumindest spätantiken Ursprungs ist. Platon selbst hat an einer anderen Stelle des Timaios auch davon gesprochen, dass die Sterne im Laufe sehr langer Zeiträume bzw. Zyklen von ihren Orten systematisch abweichen, wie er von den „Ägyptern“ erfahren haben will. Dies deutet darauf hin, dass er zumindest ein vages Verständnis des Präzessions-Zyklus besaß und somit auch die Zuweisung „Platonisches Jahr“ gerechtfertigt ist.[3]

Zwölf Platonische Monate

Das Platonische Jahr wird in zwölf Platonische Monate (Weltmonate, Große Monate auch Weltzeitalter) zu je etwa 2150 Jahren unterteilt. Die Weltmonate tragen die Namen nach den zwölf Tierkreiszeichen. Das Sternbild, in dem sich der Frühlingspunkt zur Zeit befindet, gibt dem Platonsmonat seinen Namen.

Legt man die im Jahr 1930 definierten Grenzen der Sternbilder zu Grunde, so verläuft die Ekliptik allerdings durch dreizehn Sternbilder – nämlich die zwölf Sternbilder des Tierkreises und den Schlangenträger (Ophiuchus). Der Abschnitt des Schlangenträgers wird bei der Berechnung der Weltzeitalter jedoch nach alter Tradition dem Skorpion zugeordnet, so dass es 12 Sternbilder bleiben. Die traditionellen Sternbilder zugrunde gelegt, hat das Fischezeitalter vor knapp 2000 Jahren begonnen und wird mit Beginn des Wassermannzeitalters etwa um das Jahr 2600 vorbei sein, wenn der Frühlingspunkt das Sternbild Wassermann betritt. Allerdings sind die Grenzziehungen relativ willkürlich von unterschiedlichen Herleitungen der Sternbild-Einteilungen abgeleitet: Als Daten, wann nun wirklich das Wassermannzeitalter beginnt, werden Jahreszahlen zwischen 1700 und 2600 genannt. Da die Sternbilder unterschiedlich große Abschnitte auf der Ekliptik einnehmen, werden die Abschnitte der Tierkreiszeichen daher auf 30°-Abschnitte gemittelt, um auf gleichlange Weltmonate zu kommen. Mit dieser Angleichung befindet sich der siderische 0°-Widder-Punkt ziemlich genau gegenüber von Spica, das heißt im Jahr 2010 auf 24° Widder im Tierkreis. Aufgrund der Präzession wird dieser siderische 0°-Widder-Punkt in ungefähr 6 x 72 Jahren auf der Ekliptik bei 0° Stier angekommen und somit genau 30° vom Frühlingspunkt entfernt sein – auf den sich dann das (angeglichene) Sternbild Wassermann bewegt. Demnach dürfte das Wassermann-Zeitalter um das Jahr 2442 beginnen, aber auch das Fische-Zeitalter kann dann nicht um Christi Geburt, sondern erst um das Jahr 282 begonnen haben.

Die jeweiligen Sternbilder eines Zeitalters bestimmen nach astrologischer Lehre eine langfristige Entwicklungsphase der Menschheit.

Tabelle der Termine

Durch die Präzession wandern die Tagundnachtgleichen und die Sonnenwenden einmal durch alle Sternbilder im Tierkreis. Legt man gleichabständige Sternbilder, also gleichlange Platonische Monate, sowie eine Periode von 25.800 Jahren zu Grunde, dann ergeben sich die Werte für die Weltmonate in der gelben Spalte folgender Tabelle. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass „Äpfel und Birnen verwechselt“ worden sind, denn die gleiche Auffassung, die den verfrühten Beginn des Fische-Zeitalters um das Jahr 50 n. Chr. am nicht angeglichenen, astronomischen Sternbild festlegt, darf genau genommen nicht als Ausgangsbasis für die angeglichenen Zeitalter verwendet werden. Alle anderen Spalten in der Tabelle zeigen hingegen die Dauer der durch die astronomischen Sternbildgrenzen definierten Zeitphasen (in der Tabelle sind die Weltmonate gerundet auf halbe Jahrhunderte, Hauptstellungen auf Jahrzehnte):

30° Sektoren Eintritt in das Sternbild (unterschiedliche Sektoren)
Sternbild Sektor Weltmonat Frühlingspunkt Sommerpunkt Herbstpunkt Winterpunkt Dauer
  Jungfrau 44,1° + 12950
- 12850
+ 12170
- 13630
- 7180 - 730 + 5720 3160 Jahre
  Löwe 35,7° - 10700 - 10470 - 4020 + 2430 + 8880 2570 Jahre
  Krebs 20,1° - 8550 - 7900 - 1450 + 5000 + 11450 1440 Jahre
  Zwillinge 27,9° - 6400 - 6460 - 10 + 6440 + 12890
-12910
2000 Jahre
  Stier 36,7° - 4250 - 4460 + 1990 + 8440 - 10910 2620 Jahre
  Widder 24,7° - 2100 - 1840 + 4610 + 11060 - 8290 1770 Jahre
  Fische 37,2° + 50 - 70 + 6380 + 12830
- 12970
- 6520 2670 Jahre
  Wassermann 24,0° + 2200 + 2600 + 9050 - 10300 - 3850 1710 Jahre
  Steinbock 28,0° + 4350 + 4310 + 10760 - 8590 - 2140 2010 Jahre
  Schütze 33,3° + 6500 + 6320 + 12770
- 13030
- 6580 - 130 2380 Jahre
  Schlangenträger 18,6° + 8650 + 8700 - 10650 - 4200 + 2250 1340 Jahre
  Skorpion 6,7° + 10040 - 9310 - 2860 + 3590 480 Jahre
  Waage 23,0° + 10800 + 10520 - 8830 - 2380 + 4070 1650 Jahre

- = v. Chr.
+ = n.Chr.

Quellen

  1. Joseph Needham: Wissenschaft und Zivilisation in China. Übers. von Rainer Herbster, Von Colin A. Ronan bearbeitete Ausg., Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1984 ISBN 3-518-57692-5
  2. Gottfried Briemle: Der Unterschied zwischen Sternzeichen und Sternbildern. In: Oberösterreichischer Volkskalender 2002. , Verlag Oberösterr. Bauernbund, Linz, S. 71-78
  3. Franz Krojer: Etwas zum Ursprung des Platonischen Jahrs. In: Astronomie der Spätantike, die Null und Aryabhata, München 2009 (Differenz-Verlag), S. 49 - 61. (PDF)

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