- Zentralprojektion
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Bei einer geometrischen Projektion werden die Punkte des dreidimensionalen Raumes auf Punkte einer Ebene abgebildet. Die Abbildung auf die Bildebene kann durch Zeichnen nach den Regeln der darstellenden Geometrie erzeugt werden. Bei Verwendung eines dreidimensionalen CAD-Programms ist der Vorgang analog: Ein virtuelles Modell eines dreidimensionalen Gegenstandes wird geometrisch projiziert und auf dem Bildschirm angezeigt.
Der allgemeine Fall ist die Zentralprojektion, bei der sich die Projektionsstrahlen in einem Punkt, dem Projektionszentrum schneiden. Geraden werden als Geraden abgebildet. Parallele Geraden des Raumes schneiden sich im Bild in einem gemeinsamen Fluchtpunkt. Die Zentralprojektion entspricht der Abbildung durch das menschliche Auge und ergibt somit einen natürlichen Bildeindruck. Sie wird in Technik und Architektur, in der Kartografie und in Malerei und Grafik und beim Zeichnen angewendet.
Als Grenzfall der Zentralprojektion kann die Parallelprojektion (Parallelriss) betrachtet werden. Bei dieser liegt das Projektionszentrum unendlich weit entfernt. Die Projektionsstrahlen verlaufen deshalb parallel.
Inhaltsverzeichnis
Prinzip (Zentralprojektion)
Unser einäugiges Sehen arbeitet ebenso nach dem Prinzip der Zentralprojektion, wie die einfache Lochkamera.
Das abzubildende Objekt, im Beispiel oben rechts die zwei sich schneidenden Dreiecke P1, P2, P3 und Q1, Q2, Q3, wird von einem in endlicher Entfernung liegenden Projektionszentrum „O“, wie der Irisblende des menschlichen Auges oder der Lochblende der Kamera, durch die Projektionsstrahlen (Lichtstrahlen) auf eine Bildebene, wie die Netzhaut oder einen fotografischen Film, projiziert.
In der Prinzipskizze liegt die Bildebene zwischen Objekt und Projektionszentrum. Beim Auge und der Kamera liegt sie dahinter: die Projektionsstrahlen werden dazu über das Projektionszentrum hinaus verlängert. Das Bild wird dadurch umgekehrt.
Wenn die Bildebene vom Projektionszentrum weg verschoben wird, vergrößert sich die Abbildung maßstabsgerecht. Wird der Abstand zwischen Bildebene und Projektionszentrum verkleinert, so wird auch die Abbildung verkleinert. Die Gerade, die senkrecht auf der Bildebene steht und gleichzeitig durch das Projektionszentrum O geht, ist die Bildachse. Auf der Bildachse ist das Bild unverzerrt. Je weiter sich ein Bildpunkt vom Durchstoßpunkt dieser Geraden durch die Bildebene entfernt, desto größer wird die Verzerrung. Sind die Objektebene und die Bildebene nicht parallel, so ist die Verzerrung nicht nur radiusabhängig sondern auch richtungsabhängig verschieden.
Für die allgemeine Zentralprojektion gelten folgende Sätze:
- Jeder Raumpunkt hat einen eindeutig zugeordneten Bildpunkt P'.
- Jeder Bildpunkt P' ist das Bild unendlich vieler Raumpunkte P, die alle auf dem Projektionsstrahl durch P' liegen.
- Eine Gerade wird wieder als Gerade abgebildet.
- Die Bilder aller Projektionsstrahlen schneiden sich in einem Punkt, dem Bildhauptpunkt H'.
- Die Bilder paralleler Geraden schneiden sich in einem gemeinsamen Fluchtpunkt F'.
- Figuren, die in einer Ebene parallel zur Bildebene liegen, werden ähnlich abgebildet. Winkel, deren Schenkel parallel zur Bildebene liegen, werden daher getreu abgebildet.
- Das Doppelverhältnis von vier auf einer Geraden liegenden Punkten bleibt erhalten.
Typische Anwendungen der Zentralprojektion finden wir auch
- in der Fotografie z. B. beim Entzerren von Schrägaufnahmen,
- in der Photogrammetrie z. B. bei der Auswertung und Ausmessung von (Luft-)Bildern,
- in der Darstellenden Geometrie und der Architektur bei der perspektivischen zeichnerischen Darstellung von Objekten,
- in der Kartografie für Kartennetzentwürfe (gnomonische Projektion; stereografische Projektion),
- in der Gnomonik der Lehre von der Sonnenuhr zur Abbildung der Sonne auf ein Zifferblatt.
Berechnung von Bildpunkten (Zentralprojektion)
Mathematisch gesehen sind Zentralprojektionen so genannte projektive Abbildungen.
Zur numerischen Berechnung von Bildpunkten ebenso wie zur Rekonstruktion der Projektionsstrahlen der Zentralprojektion muss die räumliche Lage des Bündels der Projektionsstrahlen relativ zum Aufnahmeobjekt bekannt sein. Diese wird üblicherweise durch 6 Elemente bestimmt. Das sind drei Translationen (Lage des Projektionszentrums in x-, y- und z-Richtung eines objektbezogenen Koordinatensystems) und drei Rotationen welche die Drehung des Bildkoordinatensystems gegenüber dem Objektkoordinatensystem beschreiben. Dazu werden drei unabhängige Eulerwinkel, wie die Neigung, die Kantung und der Richtungswinkel der Projektionsachse bevorzugt. Für die Festlegung des Abbildungsmaßstabes ist zusätzlich noch die Lage des Projektionszentrums im Bildkoordinatensystem erforderlich. Diese Art der numerischen Beschreibung kommt vor allem bei der Auswertung von Messbildern in der Photogrammetrie zum Einsatz und wird als Orientierung bezeichnet.
Einfach und übersichtlich wird die Abbildungsgleichung der Zentralprojektion, wenn das Objekt sich in einer Ebene parallel zur Bildebene befindet und der Koordinatenursprung des Objektraumes wie auch des Bildraumes in das Projektionszentrum gelegt wurde. Dann gilt für den Ortsvektor {x1,x2,x3} die Beziehung = k , wobei k ein Maßstabsfaktor ist. Er entspricht dem Verhältnis der vom Projektionszentrum O aus gemessenen Entfernung der Bildebene und der Objektebene. Diese einfache Abbildungsvorschrift ist in der unten gezeigten zeichnerischen Konstruktion einer zentralperspektivischen Abbildung erkennbar.
Anwendungen der Zentralprojektion
Die nebenstehende Grafik zeigt die Anwendung der Zentralprojektion zur perspektivischen Darstellung eines Gebäudes. Die Zentralperspektive wird unter anderem in der Architektur zur Verdeutlichung von Gebäudewirkung, aber auch in der Malerei zum Aufbau eines Bildes mit Perspektive genutzt.
Das Projektionszentrum O entspricht der Position des Auges des Betrachters (Augpunkt). Parallele Geraden schneiden sich in einem gemeinsamen Fluchtpunkt F. Geraden, die parallel zur Blickrichtung des Betrachters verlaufen, haben ihren Fluchtpunkt im Abbild des Augenpunktes. Parallele Ebenen schneiden sich in einer gemeinsamen Geraden. Bei der Zentralperspektive schneiden sich die waagerechten Ebenen im Horizont.
In der Abbildung ist erkennbar, wie die perspektivische Darstellung aus Grundriss und Aufriss entwickelt werden kann. Aus der Projektion eines Objektpunktes im Aufriss auf die Bildebene B und im Grundriss auf die Bildebene B', ergeben sich horizontale und vertikale Schnittgeraden, in deren Schnittpunkt das perspektivische Bild des Objektpunktes liegt.
Bei diesem Beispiel sind alle vertikalen Geraden auch in der Projektion parallel: ihr Fluchtpunkt liegt im Unendlichen. Wird der Fluchtpunkt für diese Geraden ins Endliche verlegt, so erhält man stürzende Linien, wie bei der Vogelperspektive oder der Froschperspektive. Grundriss, Aufriss und Seitenriss der Dreitafelprojektion sind dementsprechend orthogonale Parallelprojektionen.
Weitere Anwendungen:
- Kartografie.
- Als fortlaufende Parallelprojektion seit 1822 für den Bildkartentypus des Rheinpanoramas in Gebrauch.
Literatur
- Fritz Reinhardt, Heinrich Soeder: dtv-Atlas zur Mathematik, Tafel und Texte, Band I, Grundlagen, Algebra und Geometrie. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982.
- W. Rüger, J. Pietschner, K. Regensburger: Photogrammetrie, Verfahren und Geräte. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1978.
Siehe auch
Commons: Zentralprojektion – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienKategorien:- Darstellende Geometrie
- Geometrische Abbildung
- Photogrammetrie
- Perspektive
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