Árpád Pusztai

Árpád Pusztai

Árpád Pusztai (* 8. September 1930 in Budapest, Ungarn) ist ein ungarisch-britischer Biochemiker.

Inhaltsverzeichnis

Wissenschaftlicher Werdegang

Árpád Pusztai absolvierte ein Studium der Chemie an der Budapester Eötvös-Loránd-Universität, das er 1953 abschloss. Er arbeitete danach an der ebenfalls in Budapest ansässigen Ungarischen Akademie der Wissenschaften, bis er wegen des Scheiterns des Ungarischen Volksaufstandes 1956 über ein Flüchtlingslager in Österreich nach Großbritannien emigrierte. Dort erlangte er am Londoner Lister Institute einen Doktorgrad.

Von 1963 bis 1999 war er am Rowett Research Institute in Aberdeen, Schottland, tätig, einem vormals eigenständigen Forschungsinstitut, welches seit 2008 zur Universität Aberdeen gehört. 1988 wurde er zum "Fellow" der Royal Society of Edinburgh ernannt.

Pusztai gilt als einer der international führenden Experten für Pflanzenlektine und ist Autor von 270 wissenschaftlichen Arbeiten und drei Büchern zu diesem Themenkreis.

Pusztai-Affaire

1998 machte Pusztai Ergebnisse von Untersuchungen im Fernsehen öffentlich, ehe die Publikation in der medizinischen Fachzeitschrift Lancet 1999 erschienen war. Die darauf folgende Auseinandersetzung über die Gültigkeit der Forschungsergebnisse wurde als Pusztai-Affäre bekannt. Pusztais Arbeitsvertrag wurde wegen des Verstoßes gegen Publikationsrichtlinien nicht mehr verlängert und das Rowett Research Institute schloss ihn von der Mitwirkung an weiteren Untersuchungen aus.

Pusztais Untersuchungen hatten Hinweise ergeben, dass der Verzehr von gentechnisch veränderten Kartoffeln Schäden am Immunsystem und verändertes Organwachstum bei Ratten hervorrufen könnte. Eine Überprüfung der Royal Society, sowie die von The Lancet zugewiesenen Prüfer gaben an, dass Pusztais Studie methodologisch unbrauchbar sei und keinen solchen Schluss zulasse.[1]

Daneben analysierten 23 Forscher aus insgesamt 13 Ländern, darunter etliche Universitätsprofessoren, wie Prof. Ian Pryme von der Universität Bergen, unabhängig voneinander seinen Versuch. In einem Memorandum forderten daraufhin die beteiligten Wissenschaftler öffentlich die Rehabilitierung von Pusztai. Sie bestätigten, daß die Annahme begründet ist, der Verzehr von gentechnisch veränderten Pflanzen könne auch bei Säugetieren erhebliche gesundheitliche Auswirkungen nach sich ziehen.[2]

Die Prüfergruppe der Royal Society bedauerte des Weiteren, dass Pusztai sich direkt an die Öffentlichkeit gewandt hatte, statt dem regulären Peer-Review-Prozess seinen Lauf zu lassen und sich wissenschaftlicher Kritik auszusetzen. Dies hätte die informierte und unvoreingenommene öffentliche Diskussion deutlich erschwert [3].

Der Fall Pusztai wurde von der Schriftenreihe des Zentrums für Technik- und Wirtschaftsethik aufgegriffen und in Form einer Fallstudie zur Ethik in der Wissenschaft von Dieter Deiseroth untersucht. Folgende Fragen werden abschließend aufgeworfen. Zum einen ist unklar geblieben, was das Rowett-Institut und seine Auftraggeber bewogen hat, anstatt Pusztai in der Kontroverse mit beteiligten wissenschaftspolitischen und ökonomischen Interessen zu unterstützen und seine Forschung voranzutreiben, die Forschungsarbeit aufzugeben und Pusztai aus dem Institut zu drängen. Ebenfalls wird hinterfragt, warum dieses Vorgehen bei der Royal Society und vielen Fachkollegen- mit Ausnahme von 20 internationalen WissenschaftlerInnen (darunter das deutsche Ökoinstitut)- keine Proteststürme verursachte. Auf die Forschungsarbeit über MON 863 und die Kontroversen um Séralini wird verwiesen und angeregt, ggf. ähnliche zugrunde liegende Macht- und Einflussstrukturen zu identifizieren. Maßnahmen werden eingefordert, die gewährleisten sollen, dass Dissens in der Wissenschaft nicht zum persönlichen Existenzrisiko für WissenschaftlerInnen wird, die aus berufsethischer Verantwortung in den Dissens eintreten.[4]

Würdigung

Referenzen

  1. Bowden, Rebecca Prüferkommentare zu Pusztai-Studie E-Mail der Royal Society an Pusztai vom 10. Mai 1999, Abgerufen am 19. Februar 2010
  2. Arte Archimedes: Streit um die Kartoffel
  3. Murray, Noreen et al, (1999) Review of data on possible toxicity of GM potatoes The Royal Society, 1. Juni 1999, Abgerufen am 19. Februar 2010
  4. Matthias Maring(Hrsg.): Fallstudien zur Ethik in Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Gesellschaft; Scientific Publishing

Weitere Literatur

  • Stanley Ewen, Árpád Pusztai: „Effect of diets containing genetically modified potatoes expressing Galanthus nivalis lectin on rat small intestine“, The Lancet 16. Oktober 1999, 354(9187):1353 (PMID 10533866), zu lesen auf www.biotech-info.net ohne log in
  • Prof. Dr. Árpád Pusztai, Prof. Dr. Susan Bardócz; Jürgen Binder (Hrsg.): Sicherheitsrisiko Gentechnik. orange-press, 2009 (Originaltitel: A genetikailag módosított növények és a belőlük készített élelmiszerek és takarmányok biztonsága, übersetzt von Peter Schmidt), ISBN 978-3-936086-50-8, S. 177 (Mit DVD Árpád Pusztai, Whistleblower von DENKmal-Film GmbH, München.).
  • Dieter Deiseroth, Annegret Falter (Hrsg.): Whistleblower in Gentechnik und Rüstungsforschung. Preisverleihung 2005: Theodore A. Postol, Arpad Pusztai. VMW 2006, ISBN 978-3-8305-1262-2
  • Jeffrey M. Smith: Trojanische Saaten. Genmanipulierte Nahrung - Genmanipulierter Mensch. Nachwort Christine von Weizsäcker. (Originaltitel: Seeds of Deception) Verlag: Riemann, ISBN 978-3-570-50060-6
  • L’affaire des pommes de terre transgéniques Étude d’une polémique scientifico-médiatico-politique Août 1998 - Octobre 1999 Mémoire présenté par Clément Deshayes sous la direction de Baudouin Jurdant (Université Paris 7 – Denis Diderot) (fr.) aufgerufen am 02.11.11

Weblinks


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