Bestimmtheitsgebot

Bestimmtheitsgebot

Das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Staat zur hinreichend genauen Formulierung jeglicher Eingriffe in Bürgerrechte.


Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.

Inhaltsverzeichnis

Bestimmtheit im Strafrecht

Dazu zählen besonders die Strafgesetze. Für den Bereich des Strafrechts ist das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG (nulla poena sine lege certa) sowie dem gleichlautenden § 1 StGB festgeschrieben.[1] Strafrechtliche Normen müssen nach dem Bestimmtheitsgebot so konkret sein, dass Tragweite und Anwendungsbereich des Tatbestandes zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.[2]

Ziel des Bestimmheitsgebotes im Strafrecht ist es, dem Bürger Rechtssicherheit bezüglich der Strafbarkeit von Handlungen und der auf sie angedrohten Strafen zu bieten.

Bei Verstößen des Gesetzgebers gegen dieses Gebot kann niemand aufgrund der unbestimmten Norm verurteilt werden (siehe auch Gesetzeslücke). Ein Beispiel hierfür ist die Aufhebung des ehemaligen § 43a StGB (Vermögensstrafe) durch das BVerfG am 20. März 2002.[3]

Bestimmtheit im Ordnungswidrigkeitenrecht

Artikel 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Strafnorm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.

Diese Verpflichtung gilt auch für Bußgeldtatbestände. Sie dient einem doppelten Zweck. Zum einen soll der Normadressat vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Zum anderen soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit oder Ahndbarkeit eines Verhaltens entscheidet.[4]

Es gibt eine Fülle gesetzlicher Regelungen, die mittels eines Blanketttatbestands einem Mitglied der Exekutive erlauben, durch untergesetzliche Norm (Satzung oder Verordnung) Recht zu setzen und diese Vorschrift mit einer Bußgeldbewehrung zu versehen.

Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt, dass der Tatbestand, der mit der Bußgeldbewehrung versehen werden soll, in der Rechtsnorm hinreichend genau bestimmt werden muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn bereits aus der Ermächtigung für die Verhängung eines Bußgeldes die Grenzen der Strafbarkeit sowie Art und Höhe der Sanktion für den Bürger voraussehbar sind. Andernfalls ist die Bußgeldvorschrift unwirksam. Hieraus folgt, dass nicht pauschal jeder Verstoß gegen eine Regelung als Ordnungswidrigkeit behandelt werden kann. Vielmehr muss in differenzierter Weise auf die jeweilige Regelung Bezug genommen werden.

Im Gesetz heißt es beispielsweise: „Ordnungswidrig handelt, wer (...) einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, soweit sie für bestimmte Tatbestände auf diese Bußgeldvorschrift verweist“.

Eine aufgrund dieses Gesetzes erlassene Rechtsnorm muss die als Ordnungswidrigkeit geltenden Tatbestände explizit aufzählen, also beispielsweise: „Ordnungswidrig handelt, wer (...) entgegen § 3 dieser Verordnung ...

  • 1. es als Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigter, Wohnungseigentümer, Wohnungserbbauberechtigter, Nießbraucher oder sonstiger zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigter unterlässt, sein Grundstück an die öffentliche Einrichtung Abfallentsorgung anzuschließen,
  • 2. es als Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigter, Wohnungseigentümer, Wohnungserbbauberechtigter, Nießbraucher oder sonstiger zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigter unterlässt, die öffentliche Einrichtung Abfallentsorgung zu benutzen und die auf ihren Grundstücken anfallenden Abfälle dem Landkreis zu überlassen,
  • 3. (...)“[5]

Nicht hinreichend bestimmt ist dagegen regelmäßig eine Formulierung wie etwa „Ordnungswidrig handelt, wer den in § 3 genannten Verboten zuwiderhandelt.“ Eine solche Formulierung verweist in der Regel bestenfalls auf bestimmbare, nicht auf bestimmte Tatbestände. Das derart sanktionierte Verhalten ist nicht ausreichend vorhersehbar. Das aber genügt nicht den Anforderungen des Art. 103 GG.[6]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. § 1 StGB – Keine Strafe ohne Gesetz Abgerufen am 13. Juni 2011.
  2. Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 78, 374, 381.
  3. Urteil des BVerfG zur Vermögensstrafe
  4. vgl. BVerfGE 75, 329, 341.
  5. Beispiele in Anlehnung an das Urteil des BVerfG zu einer kommunalen Abfallwirtschaftssatzung
  6. Urteil des BVerfG zu einer kommunalen Abfallwirtschaftssatzung
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Anglo-amerikanisches Recht — Das Common Law ist das in vielen englischsprachigen Ländern geltende Recht, das sich nicht auf Gesetze, sondern auf maßgebliche richterliche Urteile der Vergangenheit (Präzedenzfälle) stützt und auch entsprechend weitergebildet wird. Das Common… …   Deutsch Wikipedia

  • Befugnisnorm — Eine Befugnisnorm, Eingriffsermächtigung, auch Ermächtigungsgrundlage oder besser Ermächtigung, ist eine Rechtsnorm, die Verwaltung bzw. Justiz Eingriffe in Grundrechte erlaubt. Eine solche Befugnisnorm kann grundsätzlich nur in einem formellen… …   Deutsch Wikipedia

  • Common-Law — Das Common Law ist das in vielen englischsprachigen Ländern geltende Recht, das sich nicht auf Gesetze, sondern auf maßgebliche richterliche Urteile der Vergangenheit (Präzedenzfälle) stützt und auch entsprechend weitergebildet wird. Das Common… …   Deutsch Wikipedia

  • Common law — Das Common Law ist das in vielen englischsprachigen Ländern geltende Recht, das sich nicht auf Gesetze, sondern auf maßgebliche richterliche Urteile der Vergangenheit (Präzedenzfälle) stützt und auch entsprechend weitergebildet wird. Das Common… …   Deutsch Wikipedia

  • Ermächtigungsgrundlage — Eine Befugnisnorm, Eingriffsermächtigung, auch Ermächtigungsgrundlage oder besser Ermächtigung, ist eine Rechtsnorm, die Verwaltung bzw. Justiz Eingriffe in Grundrechte erlaubt. Eine solche Befugnisnorm kann grundsätzlich nur in einem formellen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetzeslücke — Eine Gesetzeslücke (oder Rechtslücke, im Strafrecht auch Strafbarkeitslücke, im Steuerrecht Steuerschlupfloch) ist ein Begriff aus der rechtspolitischen Diskussion, ein politisches Schlagwort und ein Begriff der juristischen Methodenlehre, der… …   Deutsch Wikipedia

  • Kein Verbrechen ohne Gesetz — nullum crimen sine lege (lat.): „kein Verbrechen ohne Gesetz“ ist ein fundamentaler Grundsatz des modernen Strafrechts. Er besagt, dass eine Handlung, die durch kein Gesetz strafbewehrt (pönalisiert) ist, nicht willkürlich zur Straftat erklärt… …   Deutsch Wikipedia

  • Leistungserschleichung — Das Erschleichen von Leistungen ist eine Straftat, durch die sich der Täter die Leistung der infrastrukturellen Einrichtungen erschleicht, indem er kein Entgelt entrichtet. Der Tatbestand dient bei bestimmten Eigentums und Vermögensdelikten als… …   Deutsch Wikipedia

  • Listenhund — Die Artikel Rasseliste und Hundegesetz überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen Baustein erst… …   Deutsch Wikipedia

  • Materielles Strafrecht — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Strafrecht ist Rechtsgüterschutz durch Einwirkung auf menschliches Verhalten. Die Strafnormen sollen die Menschen von… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”