- Bombenlegeraffäre
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Die Bombenlegeraffäre (luxemburgisch: Affär Bommeleeër) bezeichnet eine von mehreren Tätern verübte Serie von Bombenanschlägen auf Infrastruktureinrichtungen und öffentliche Gebäude im Großherzogtum Luxemburg zwischen Mai 1984 und April 1986. Da sowohl die Täter wie auch die Motive der Taten über 20 Jahren im Dunkeln blieben, entwickelten sich in der Bevölkerung diverse Verschwörungstheorien, die unter anderem hohe Persönlichkeiten oder Eingeweihte aus dem Sicherheitsapparat in die Affäre verwickelt sahen.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung der Ereignisse
1984 und 1985 verübten die Täter mehrere Diebstähle von Zündern und Sprengstoff aus luxemburgischen Steinbrüchen. Mit diesen wurden Strommasten des Energieversorgungsunternehmen Cegedel gesprengt. Die Cegedel erhielt daraufhin mehrere Erpresserbriefe, aber gegen die anderslautenden Forderungen schaltete das Unternehmen die Polizei ein und entschied sich, nicht zu zahlen. Nachdem die Cegedel den Forderungen nachgab, ließen die Täter jedoch die Geldübergabe platzen und erklärten, dass sie von der eingeschalteten Polizei wüssten und verhöhnten diese zugleich. Obwohl auch weiterhin Strommasten unter den Zielen waren, richteten sich die Anschläge nunmehr auf andere Ziele, wie zum Beispiel das Gendarmerie-Hauptquartier oder den Justizpalast. Besonderes Aufsehen erregte eine kleine Sprengladung, die die Täter während der Ratssitzung der Europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem Kirchberg-Plateau aus dem Fenster eines fahrenden Autos warfen. Nach zwei weiteren Anschlägen auf die Wohnung eines Notars (Autobombe) und die Wohnung des kurz zuvor pensionierten Kommandanten der Gendarmerie hörten die Anschläge abrupt auf.
Bei den 18 Anschlägen wurde niemand getötet, jedoch starb ein junger Soldat im Dienst bei einem Verkehrsunfall während der Bewachung des Flughafens. Anzumerken ist aber die Tatsache, dass die Täter in einem Wald eine Sprengfalle anbrachten, die zwar entdeckt wurde, aber ohne weiteres einen (oder mehrere) Menschen hätte töten können. Zudem wurde ein Ingenieur nach einem Anschlag auf die Radaranlage des Flughafens schwer an den Händen verletzt, als er eine mit einem Zünder präparierte Taschenlampe aufhob, die daraufhin explodierte. Auch als die Stromleitungen eines umgeknickten Strommastes auf die Autobahn fielen, kam es zu Unfällen, bei denen jedoch niemand schwer verletzt wurde. Zwar ist davon auszugehen, dass die Täter offensichtlich menschliche Opfer meist vermeiden wollten, aber in einigen Fällen war es purer Zufall, dass niemand verletzt wurde.
Chronologie der Attentate
- 30. Mai 1984: Strommast der Cegedel - Beidweiler
- 2. Juni 1984: Strommast der Cegedel - Beidweiler
- 12. April 1985: Ferienhaus - Bourscheid (kein gesicherter Zusammenhang mit den anderen Taten)
- 27. April 1985: Strommast der Cegedel - Stafelter
- 7. Mai 1985: Strommast der Cegedel - Schléiwenhaff
- 27. Mai 1985: Gendarmerie Zentrale - Verluerekascht, Luxemburg-Stadt
- 29. Mai 1985: Cegedel Strommast - Itzig
- 23. Juni 1985: Gaswerk in Hollerich, Luxemburg-Stadt
- 5. Juli 1985: Sprengfalle - Blaaschent
- 5. Juli 1985: Kasematten - Luxemburg Stadt
- 26. Juli 1985: Luxemburger Wort - Gasprich, Luxemburg-Stadt
- 29. August 1985: Polizeibüro in Glacis, Luxemburg-Stadt
- 29. August 1985: Ponts & Chaussées - Glacis, Luxemburg-Stadt
- 30. September 1985: Piscine Olympique - Kirchberg, Luxemburg-Stadt
- 20. Oktober 1985: Palais de Justice - Luxemburg-Stadt
- 9. November 1985: Flughafen Findel
- 30. November 1985: Strommast Cegedel - Grünewald
- 2. Dezember 1985: Treffen der Europäischen Staats- und Regierungschefs - Kirchberg, Luxemburg-Stadt
- 17. Februar 1986: Notar Hellinckx - Cents, Luxemburg-Stadt
- 25. März 1986: Colonel Wagner - Belair, Luxemburg-Stadt
Dokumentationsreihe
Im Jahr 2005 startete der luxemburgische Fernsehsender RTL Télé Lëtzebuerg eine Dokumentationsreihe, die sich, jeweils zum 20. Jahrestag der einzelnen Anschläge, mit den Taten befasste, Zeugen befragte und die Arbeit der Ermittler untersuchte. Anfangs belächelt, zeigte der Sender Fehler bei den Ermittlungen auf und veröffentlichte immer mehr neue Fakten. Durch das neu entbrannte öffentliche Interesse nahm auch die Politik das Thema auf; dies gipfelte darin, dass Premierminister Jean-Claude Juncker einen anonymen Zeugen aus einem RTL-Interview, dessen Aussage von den Ermittlern nicht ernstgenommen wurde und von diesen scheinbar unter Druck gesetzt wurde, empfing, um später seine Erkenntnisse persönlich dem Untersuchungsrichter mitzuteilen.
Nachdem die eigentliche Sendereihe zu den Jahrestagen der Anschläge im März 2006 beendet war, sendet RTL bei Ereignissen oder neuen Erkenntnissen auch weiterhin Sonderbeiträge über den aktuellen Stand der Ermittlungen.
Weitere Entwicklungen
Nachdem die Ermittlungen mehrere Jahre ruhten, wurde sie im Jahr 2004 wieder aufgenommen. Durch die dauernde Berichterstattung wurde die Bombenlegeraffäre wieder zum Politikum und trug so, zum Teil mit dem dadurch entstandenen öffentlichen Druck, dazu bei, dass es im Spätherbst 2007 zu zwei ersten Festnahmen kam, bei der die beiden Beschuldigten jedoch nach mehrstündigen Verhören wieder auf freien Fuß gesetzt wurden.
Beschuldigt werden Mitglieder der Brigade Mobile de la Gendarmerie (BMG), die ehemalige mobile Einsatzgruppe der luxemburger Gendarmerie Grand-Ducale, die Anschläge durchgeführt zu haben, um so vermutlich Reformen, eine Aufstockung und die Aufrüstung der Polizeikräfte zu erreichen. Die beiden des versuchten Totschlags beschuldigten und zur Zeit suspendierten Polizisten bestreiten jedoch jegliche Verwicklung.
Für Aufsehen sorgte eine Stellungnahme des Generaldirektors der luxemburgischen Polizei Pierre Reuland, als dieser sich in einer schriftlichen Stellungnahme hinter die beschuldigten Beamten stellte. Reuland war in den Jahren der Bombenlegeraffäre Kommandant ebenjener Spezialeinheit der Gendarmerie. Nach öffentlicher und politischer Entrüstung über diese Stellungnahme wurde Reuland vom zuständigen Minister abgemahnt. Durch einen brisanten Brief von Oberstaatsanwalt Robert Biever wurden nur wenige Wochen später Generaldirektor Pierre Reuland sowie der Generalsekretär der Polizei vom zuständigen Minister Luc Frieden ihrer Ämter enthoben und auf andere Posten versetzt. Beide gelten jedoch (noch) nicht als Tatverdächtige.
Da sich der Verdacht auf mehrere Mitglieder des staatlichen Sicherheitsapparates richtet und das genaue Ausmaß der Affäre noch unbekannt ist, birgt die Bombenlegeraffäre nach wie vor viel politische Brisanz und Platz für eine Reihe von Spekulationen. Außerdem gab es zur selben Zeit ähnliche Vorkommnisse in anderen europäischen Ländern, so zum Beispiel in Belgien, wo die „Tueurs du Brabant“ mehrere Bluttaten begangen hatten. Zudem bemerkte die Wochenzeitung Den neie Feierkrop, dass die fast zeitgleich operierenden Cellules Communistes Combattantes (CCC) nach belgischen Ermittlungsakten mit aus Luxemburg stammenden Sprengstoff arbeiteten.[1]
In der Ausgabe Nr. 66 vom 22. Februar 2008 titelt die luxemburgische Boulevardzeitung namens Lëtzebuerg Privat, mit dem Aufmacher: „Das soll einer der Bommeléer gewesen sein“. Bei dem anscheinenden Bombenleger handelt es sich um ein mittlerweile verstorbenes Mitglied der BMG. Bedingt dadurch, dass jetzt ein „Toter“ einer der Beschuldigten sein sollte, wurde gemutmaßt, weshalb man ausgerechnet einen Verstorbenen dieser Taten bezichtigt, also jemanden, der sich nicht mehr wehren kann. Dies heizte umso mehr die Idee einer Verschwörung an, zusätzlich zu der ohnehin langjährigen und grundsätzlichen Annahme, dass bis heute diese Affäre „unter den Teppich gekehrt“ wird.
Zwölf Tage bevor der Polizist (geb. Januar 1940) Mitte Juli 2004 starb, sollen Ermittler des luxemburgischen Nachrichtendienstes Service de Renseignement de l’Etat ihm diesbezügliche Fragen gestellt haben, auf die es bis heute noch keine „offizielle“ Antwort gibt.[2] Hieraus stellte sich in der Öffentlichkeit oftmals die Frage, wieso bzw. an was er eigentlich gestorben sein sollte. Die Verschwörungsgedanken wurde damit weitergeführt.
Besonderheiten
Obwohl es mehrere Lösegeldforderungen gab, ließen die Täter die Geldübergaben scheinbar bewusst platzen und schienen an dem Geld nicht interessiert zu sein.
Auffallend an den Taten war, dass die Täter über Informationen von Eingeweihten zu den Zielobjekten verfügten und dem Vorgehen der untersuchenden Polizei, der Gendarmerie und des Geheimdienstes immer voraus waren. So wussten die Täter, wann welche Objekte bewacht wurden, führten die Fahnder regelmäßig an der Nase herum und provozierten diese sogar. Trotz einer Vielzahl von Spuren und Zeugenaussagen gelang es der Force Publique nicht, die Täter zu fassen.
Eine der populärsten Verschwörungstheorien war eine mögliche Verwicklung von Prinz Jean (*1957) in die Bombenlegeraffäre. Die immer häufiger öffentlich ausgesprochenen Tatverdächtigungen führten schließlich dazu, dass die Staatsanwaltschaft selbst eine Mitteilung veröffentlichen ließ, in der sie den Sohn von Großherzog Jean und Bruder von Großherzog Henri durch ein Alibi entlastete.
Mit der Frage nach der Identität „des“ Bombenlegers beschäftigt sich unter anderem auch die luxemburgische Comic Figur Superjhemp, der in seinen Abenteuern mehrmals auf den Bombenleger trifft, sowie der 2004 erschienene, fiktive Roman Bommenteppech des Luxemburger Schriftstellers Josy Braun.
Weblinks
- Wer steht dahinter (Man solle sich, bitte schön, jetzt wieder auf den eigentlichen Punkt konzentrieren)? (6/2/08) TAGEBLATT (Link nicht mehr abrufbar)
- Die damalige Elitetruppe – „Brigade Mobile de la Gendarmerie“
- Übersicht bei RTL.lu (luxemburgisch)
Quellen
- ↑ Den neien Feierkrop Nr. 681 vom 4. Januar 2008 - Bombenlegeraffäre: Führt die Spur nach Belgien und zurück?
- ↑ http://streaming.newmedia.lu/radio/archivfiles/6ddd91b8e57c725397252722354812bf.wma
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