Bonapartisten

Bonapartisten

Der Bonapartismus ist eine autoritäre Gesellschaftsform des 19. Jahrhunderts, die sowohl im Gegensatz zum Ancien régime als auch zum bürgerlichen Parlamentarismus stand. Die Bonapartisten, also die Anhänger des Bonapartismus, setzten sich für das Regierungssystem Napoleons I. und für die Thronansprüche der Familie Bonaparte ein. Sie trugen wesentlich zum Aufstieg Napoleons III. bei und hatten noch nach dessen Sturz auf das Heer und die Beamtenschaft großen Einfluss. Erst in den 1880er Jahren verlor der Bonapartismus an Bedeutung.

Kennzeichnend für den Bonapartismus ist, dass er dem Bürgertum die Freisetzung der Wirtschaftskräfte gegen eine zusehends erstarkende Industriearbeiterschaft sicherte, jenem aber die eigentliche politische Macht vorenthielt, die in der Hand des bonapartistischen Staatsmannes konzentriert blieb.

Ohne den Begriff „Bonapartismus“ zu verwenden, beschreibt Karl Marx in seiner Schrift Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (1852) diese Erscheinung. Er versteht sie als Verzicht der Bourgeoisie auf unmittelbare politische Herrschaft und politische Repräsentation zugunsten einer autoritären Herrschaft, die sie begünstigt und ihre "soziale Herrschaft" stützt. Voraussetzung hierfür sei ein Kräftegleichgewicht zwischen Bourgeoisie und Proletariat, sozusagen ein Patt im Klassenkampf. Der bonapartistische Herrscher stütze sich soziologisch auf Deklassierte aller Klassen, z. B. das Lumpenproletariat oder die Masse der unpolitischen Kleinbauern, wodurch er in der Exekutive eine relative Unabhängigkeit von der Bourgeoisie erlange.

Lenin definierte den Bonapartismus so: "Die sich auf den Militärklüngel stützende Macht laviert zwischen den beiden sich feindlich gegenüberstehenden Klassen und Kräften, die sich gegenseitig mehr oder weniger die Waage halten."

Dafür typisch ist auch die doppelte – ja dreifache – Bestätigung der Machtposition:

  1. Wahl des Kaisers durch Senat
  2. Volksabstimmung, also Kaiser durch den Willen der Nation
  3. und Segen durch den Papst – als Gegenleistung schloss Napoleon I. ein Konkordat und Napoleon III. rettete den Kirchenstaat vor der italienischen Revolution.

Auch nach dem Sturz des Zweiten Kaiserreiches gab es eine starke bonapartistische Bewegung in Frankreich (Hoffen auf Boulanger-Putsch). Selbst nach dem Ersten Weltkrieg existierte noch eine bonapartistische Fraktion im Parlament.

Während der Oktoberrevolution wurde der Begriff von Lenin auf die Kerenski-Regierung angewendet, später wurden im trotzkistischen Umfeld viele europäischen Regierungen der Zwischenkriegszeit als bonapartistisch bezeichnet.

Wieweit die autoritären und faschistischen Regierungsformen des 20. Jahrhunderts mit dem Bonapartismus in Verbindung gebracht werden können, ist unter marxistischen Theoretikern umstritten. August Thalheimer betrachtete den Bonapartismus als Vorläufer des Faschismus.

Analog zum Beispiel Napoleons wird bisweilen die Person des römischen Diktators Gaius Julius Caesar gestellt, weshalb auch vom Caesarismus gesprochen werden kann. Caesar ließ sich nach seinem militärischen Sieg über seine innenpolitischen Gegner schrittweise immer höhere Ehren antragen – scheinbar vom Volk ausgehend.

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