König Lustig

König Lustig
Jérôme Bonaparte als König des Königreichs Westphalen
Elizabeth Patterson-Bonaparte
Jérôme und Katharina als König und Königin des Königreichs Westphalen

Jérôme Bonaparte (* 15. November 1784 in Ajaccio; † 24. Juni 1860 in Schloss Villegenis, bei Paris), ursprünglich Girolamo Buonaparte, war der jüngste Bruder Napoléon Bonapartes. Von 1807 bis 1813 war er König des Königreiches Westphalen, sein offizieller Königsname dort war Jérôme Napoleon (JN) bzw. Hieronymus Napoleon (HN).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die Angaben über Jérômes Leben und Wirken sind von französischer Seite teilweise ausgeschmückt worden, größtenteils schon zur Zeit und auf Geheiß Napoleons I., während hingegen die lange Zeit antifranzösische Tradition "patriotischer" Geschichtsschreibung in Deutschland den Bruder Napoleons deutlich negativer und z.T. verzerrt bewertet hat.

Jugend

Jérôme Bonaparte diente zunächst auf Befehl seines Bruders Napoléon ab 1800 als Leutnant bzw. später als Kapitän der französischen Marine in der Karibik. Dort wurde er fahnenflüchtig, als er sich 1803 bei der britischen Kaperung seines Schiffs von einem US-amerikanischen Schlepper in die Vereinigten Staaten von Amerika bringen ließ - eventuell auch, um sich dem Zugriff seines Bruders zu entziehen. In den USA lernte er Elizabeth Patterson (1785–1879), Tochter eines Baltimorer Kaufmanns, kennen, die er (ohne Zustimmung seines Bruders) heiratete. Da Jérôme das Geld ausging, versuchte er eine Versöhnung mit seinem Bruder und reiste nach Frankreich. Seiner Frau aber wurde die Einreise verweigert; sie musste nach England zurückkehren, wo ihr gemeinsamer Sohn, Jérôme Napoléon Bonaparte geboren wurde. Napoleon annullierte die Ehe später, Jerome fügte sich.

Nach Angaben des Landesmuseums Kassel (ehemalige Residenz Jérômes als König von Westphalen) wollte Napoleon, daß sich auch Jérôme fortan militärischen Ruhm erwerben solle und schickte ihn 1805 als Kapitän eines Schiffes nach Algier, um dort die Freilassung von Piraten verschleppter Genuesen zu erzwingen. Angeblich (so das Landesmuseum) habe es sich bei der später propagandistisch überhöhten Aktion um einen bereits vereinbarten Freikauf gehandelt. Nach der Schlacht von Trafalgar wurde sein nunmehr vor Brasilien operierendes Schiff nach Frankreich zurückbeordert, Jerome als Konteradmiral verabschiedet. Napoleon nahm ihn 1806 auf seinen Feldzug gegen Preußen mit und überließ ihm als Kommandeur bayerisch-württembergischer Rheinbund-Truppen 1807 die Entgegennahme der Kapitulation der Festung Breslau. An den vorausgehenden militärischen Operationen hatte Jérôme zwar tatsächlich teilgenommen und war dafür zum Divisionsgeneral befördert worden, sein Anteil am Fall der Festung ist jedoch umstritten. Möglicherweise (so das Landesmuseum) sollte so nachträglich seine Rolle beim Sieg über Preußen herausgestellt werden, um seine Einsetzung als König von Westphalen zu rechtfertigen, da dieses Königreich vor allem aus ehemals preußischen Gebieten errichtet worden war.

König von Westphalen

Wappen des Königreichs Westphalen
Goldmünze des Königs Jérôme von Westphalen
Der Jérôme-Pavillon auf der Göttinger Schillerwiese, in dem Jérôme sich des Öfteren in weiblicher Begleitung aufgehalten haben soll

Im Zuge der französischen Expansionspolitik, die sich nach 1804 auch auf die rechtsrheinischen deutschen Länder ausweitete, errichtete Napoleon per Edikt neue, Frankreich gegenüber loyale Staaten. Deren höchste Repräsentanten und oberste Administratoren waren überwiegend ergebene Vertraute oder Verwandte des Kaisers („gekrönte Präfekten“).

So wurde für Jérôme nach dem Frieden von Tilsit (1807) aus dem ehemaligen Herzogtum Braunschweig, Kurhessen und vormals hannoverschen und preußischen Gebietsteilen das Königreich Westphalen geschaffen. Kassel, bisher Residenz Kurfürsten von Hessen-Kassel, wurde zur Hauptstadt bestimmt, und von hier aus herrschte König Jérôme (Hieronymus). Nachdem das von Jérôme und seinem Hofstaat bewohnte Kasseler Stadtschloss der Kurfürsten und Landgrafen von Hessen abgebrannt war, residierte er im Bellevueschloss. Der Hofstaat nutzte auch das Schloss Wilhelmshöhe im Bergpark, das während der Herrschaft Napoléons über Europa „Napoléonshöhe“ hieß.

Der König wurde von den Bürgern Kassels als „König Lustig“ oder auch „König Lustik“ bezeichnet, da sich seine deutschen Sprachkenntnisse in den Sätzen „Morgen wieder lustig!“ und „lustik, lustik demain encore lustik“ erschöpft haben sollen; dieser Name soll darüber hinaus auch seinen Regierungsstil charakterisiert haben. Sein Vorname hat sich verballhornt im nordhessischen Dialekt als Bezeichnung für einen Schalk oder Schürzenjäger gehalten („Schrohm“). Verheiratet war Jérôme mit Katharina von Württemberg, mit der er drei Kinder hatte.

Der 1808 von Homberg (Efze) ausgehende Aufstand unter Führung von Wilhelm von Dörnberg gegen Jérôme scheiterte ebenso wie 1809 die Überfälle preußischer Offiziere (Ferdinand von Schill) und der Einfall der Schwarzen Schar. Als Befehlshaber eines Teils der Grande Armee nahm Jérôme 1812 am Russlandfeldzug teil; in der Schlacht von Borodino wurde der größte Teil des 28.000 Mann starken westfälischen Kontingents vernichtet.

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) löste sich das Königreich Westfalen auf. Schon am 1. Oktober 1813 hatte eine Vorausabteilung russischer Kosaken Kassel eingenommen und das Königreich für aufgelöst erklärt. An der Spitze einer Handvoll Franzosen war Jérôme jedoch vom 16. bis 26. Oktober nochmals zurückgekehrt, um dann endgültig nach Paris fliehen zu müssen. Durch den Wiener Kongress 1814/1815 wurden die alten Regierungsstrukturen weitestgehend wiederhergestellt.

Ex-König

Nach dem Ende des Königreichs Westphalen lehnte Königin Katharina das Ansinnen ihrer württembergischen Verwandtschaft ab, sich scheiden zu lassen. Bis an ihr Lebensende blieb sie mit Jérôme – trotz dessen amouröser Abenteuer – verheiratet. Sein Schwiegervater, der König von Württemberg, bewilligte Jérôme den Titel eines Prinzen von Montfort.

In dritter Ehe heirate er nach dem Tod von Königin Katharina am 19. Februar 1853 in Florenz Giustina Pecori-Suárez, die Witwe des italienischen Adligen Luigi Bartolini-Baldelli. Als sein Neffe, Prinz Louis Napoleon, 1848 französischer Präsident wurde, ernannte er Jérôme zum Gouverneur des Invalidenheims. Im Kaiserreich Napoléon III. wurde er Marschall von Frankreich und Präsident des Senats und sein Titel als „kaiserlicher Prinz“ wurde bestätigt. Unter der Herrschaft Napoleons III. etablierte sich um ihn ein Gegenpol des liberalen Flügels der Bonapartisten. Jérôme Bonaparte starb in Villegenis, Frankreich (heute Massy im Departement Essonne). Er wurde im Invalidendom in Paris beigesetzt.

Die Nachkommen seiner Söhne sind die einzigen aus seiner Familie, die noch den Namen Bonaparte tragen. Nach Sturz und Tod Kaiser Napoleons III. (1870 bzw. 1873) und dem Tod auch seines Sohnes Napoléon Eugène Louis Bonaparte (1879) wurde Jeromes Sohn Napoléon Joseph Charles Paul Bonaparte zum Oberhaupt der Bonapartisten.

Nachkommen

Erste Ehe: Jérôme Bonaparte heiratete 1803 Elisabeth Patterson.

Zweite Ehe: Jérôme Bonaparte heiratete 1807 Katharina von Württemberg († 1835), Tochter von Friedrich I., König von Württemberg.

Aus einer vorehelichen Beziehung mit der Ehefrau des französischen Offiziers Jean-Jacques Lagarde, Adélaïde Mélanie, geborene Denizot:

Aus der außerehelichen Verbindung mit Diana Rabe von Pappenheim geborene Gräfin Waldner von Freundstein (1788–1844):

Das „Ortssippenbuch Fürstenhagen“ von Klaus Kunze und das „Ortsfamilienbuch Dassensen/Wellersen/Rotenkirchen“ von Rolf Nowak berichten über eine uneheliche Verbindung zu Johanne Dorothee Caroline Lüdeke (* um 1790; † 23. März 1845 in Fürstenhagen (Uslar)), aus der ein gemeinsamer Sohn, Hieronymus Lüdeke (* 15. November 1808; † 18. März 1890), hervorging. Als Pfarrer von Fürstenhagen verfasste Lüdeke 1851 einen Text für den Kirchturmknopf.

Siehe auch: Bonaparte

Nachlass

Das Optische Museum Jena zeigt eine Scherenbrille von Jérôme Bonaparte in der Ausstellung. Das Reichsstadtmuseum Rothenburg o.d.T. zeigt ein doppelläufiges Jagdgewehr mit den Initialen Jérôme Napoleons.

Literatur

  • Clemens Amelunxen: König und Senator. Jérôme und Lucien – Zwei Brüder Napoleons. Christians, Hamburg 1980, ISBN 3-7672-0650-1
  • Maike Bartsch (Hrsg.): König Lustik!? Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen. (= Kataloge der Museumslandschaft Hessen-Kassel; Bd. 39). Hirmer, München 2008, ISBN 978-3-7774-3955-6
  • Fabian Fröhlich: Das Hoftheater König Jérômes, in: Vom Theaterbau zum Tanzsaal. Die Geschichte des Ballhauses am Schloss Wilhelmshöhe, Staatliche Museen Kassel 2004, ISBN 3-931787-32-X
  • Volker Jacob: König Lustik. Napoléons kleiner Bruder herrschte kurz im Königreich Westphalen. In: Westfalenspiegel, 55. Jg. (2006), H. 6., S. 54–55
  • Friedrich M. Kircheisen: König Lustig. Napoleons jüngster Bruder. A. Scherl, Berlin 1928
  • Arthur Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westphalen. F. A. Perthes, Gotha 1893 (Reprint: Hamecher, Kassel 1970)
  • Arno Schmidt: Das Musterkönigreich, in: Bargfelder Ausgabe der Werke Arno Schmidts, Bd. III/3. Haffmans, Zürich 1995, ISBN 3-251-80031-0

Weblinks



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